Zu Theorie und Praxis des 1. Mai

Arbeitstag Demonstrieren oder vertikutieren? Aus dem progressiven Alltag

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Während des Essens beim Inder in der Vorstadt kam das Gespräch auf den 1. Mai. „Kommt ihr mit zur Kundgebung im Ravensberger Park?“, fragte ich. „ Ich finde das Motto Wir sind viele. Wir sind eins heute genau richtig. Der Oberbürgermeister redet. Nach dem offiziellen Teil essen wir einen Döner, trinken 2 oder 3 herrliches Herforder und denken dabei an bessere Zeiten. Wie wär’s?“

„Ach nee“, sagten die anderen und erklärten mir, dass die Enkelkinder zum Stadionfest der Arminen wollten, der Fahrradclub eine Tour nach Detmold organisiert habe und der Rasen unbedingt vertikutiert werden müsse, weil demnächst wieder Regen angesagt sei.

B. teilte mit, sie habe beschlossen, dass wir beide morgen Vormittag die Terrasse säubern, die Tische und Stühle aus ihrem Winterquartier holen und auf die Sommersaison ( ölen und polieren ) vorbereiten. Widerspruch sei zwecklos, ein Kompromiss – am Vormittag Demo, am Nachmittag Arbeit – nicht möglich, da ich in den letzten Jahren von den Nachfeiern zum 1.Mai immer in einem bedenklichen Zustand zurückgekommen sei.

Ich zitierte Oskar Negt (Um sich mit der Macht einer Alternative zum bestehenden Gesellschaftssystem auszustatten, bedarf es des Mutes zur Utopie.), fand aber kein Gehör, und weil ich einen Streit vermeiden wollte, fügte ich mich ins Unvermeidliche.

Auf der Fahrt nach Hause passierten wir Plakate der MLPD (Proletarischer Internationalismus jetzt!) und der Partei „Die Linke“, die den Betrachter aufforderten: Zeig Stärke! Ich trat trotzig in die Pedalen und nahm mir vor, die Frage „Demo oder Frühjahrsputz?“ noch einmal mit B. zu diskutieren.

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Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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