Linke willkommen

Bürgerwehr Ein Plan und sein vorläufiges Scheitern

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Heute Morgen, wir wollten uns gerade zum Frühstück niederlassen, war N. am Telefon. Er habe in der Zeitung das Interview mit dem Chef der Bürgerwehr „Sicheres B.“ gelesen und gleich die Unterwanderstiefel angezogen, die er seit Jahrzehnten blank geputzt im Schuhschrank aufbewahre – für alle Fälle. Ein Fall sei jetzt eingetreten. Ob ich mitmachen würde?

N. ist ein etwas spezieller Freund. Er ist seit einiger Zeit Rentner, war zuletzt Regionaldirektor einer Versicherungsgesellschaft, davor ein Opfer des Radikalenerlasses und noch davor ein Mitglied der Roten Zelle Germanistik („Färbt die blaue Blume rot/ schlagt die Germanistik tot!“). Seit seine Frau ihn Ende der 90er verlassen hatte, war er nach und nach und klammheimlich zu den Überzeugungen seiner Jugend zurückgekehrt. Wenn er anruft, ist Vorsicht geboten.

„Wobei mitmachen?“, fragte ich zurück. „Der Vorsteher von der Bürgerwehr hat gesagt, sie seien nicht rechts, jedenfalls nicht alle; auch Linke seien willkommen, wenn sie sich ordentlich benähmen. Das ist unsere historische Chance!“ Dann skizzierte er seinen Plan: Wir melden uns beim Anführer, nehmen an ihren Treffen teil, laufen am Wochenende Streife vor den Discotheken am Boulevard, verhindern, so gut es geht, ihre Übergriffe auf Flüchtlinge und Gutmenschen und informieren die Antifa über das, was in der Bürgerwehr läuft.

„Mensch N.“, sagte ich, „deine Undercover-Fantasien sind ja infantil. Außerdem ist das keine linke Reaktion auf der Höhe der Zeit – angesagt ist jetzt der Kampf aller Antikapitalisten gegen neoliberale Ausbeutung und Lügenpresse.“

„Tja“, sagte N., „du bist und bleibst eben doch der ewige alte Sozialdemokrat und sprichst und sprichst und sprichst, nur ändern, das...“, und legte auf. Ich seufzte und wandte mich dem Frühstück zu.

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Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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