Poesie der Provinz

Minimalistische Verse Ortsbesichtigung

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Taliban in Kabul, Regen über Grönland, der designierte Verlierer Olaf S. auf dem Weg nach ganz oben – die Turbulenzen der Gegenwart wecken den Wunsch nach Wahrheiten mit langen Laufzeiten und Beständigkeit. Wir suchen in der Poesie und finden in einem Sammelband mit Texten aus der Region drei Verse über Spenge, eine kleine Stadt im Speckgürtel.

Was kann man über Spenge schon sagen?

Fast 15000 Einwohner, einige mittelständische Unternehmen, ein paar christliche Kirchen, eine restaurierte Barockorgel, eine Moschee, eine Gesamtschule und ein Handballverein aus der 3. Liga.

Unauffällige Geschichte. Spektakulär nur die Attacke von 1500 Bauern und Knechten, die im Jahr 1891 mit Posaunen und Knüppeln unter der Führung eines Pastors gegen 500 Sozialdemokraten aus Bielefeld vorgingen, die sich im Ort versammelt hatten. In der Nazizeit das übliche Maß an Mut, Opportunismus und Niedertracht. Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts im Rathaus stabile Mehrheiten der Sozis.

Verständlich also, dass der Autor über den Ort nur wenige Verse verliert:

Spenge, Ostwestfalen

Wolkenhimmel bleich

Die Luft sitzt schwer im Felde

Raben wie Schatten

Auf unserer Radtour passierten wir den Ort. Blassblauer Himmel, leichter Westwind, keine Raben, stattdessen emsige Konsumenten zwischen Aldi, Lidl und Rossmann. Wir atmeten durch, tranken im Cafe einen Espresso und radelten weiter: Just another normal day (Tucker Zimmerman).

Das Gedicht hat Rudolf Brenneke geschrieben. Es wurde in Tentakel 3/2015 veröffentlicht.

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Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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