Postheroische Pädagogen

Abschlussgespräche Was am Ende übrig bleibt

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In der Woche feierte eine Ex-Kollegin ihren Einritt in den Ruhestand. Motto: „40 Jahre Schulgeschichte“. Etwa 20 Leute, überwiegend LehrerInnen, einige bereits pensioniert, die Mehrheit noch aktiv, waren eingeladen in das Eigenheim am Rande der Stadt. Durchschnittsalter, geschätzt, etwa 60 Jahre.

Nach einführenden Worten der Gastgeberin und dem gemeinsamen Essen ( verschiedene Salate, Mousaka, Lorbeerkartoffeln, Hähnchenbrustfilet, Joghurt, dazu Weißburgunder und Dornfelder aus der Pfalz ) bis Mitternacht Gespräche in wechselnden Kleingruppen.

Schön, dass wir uns mal wiedersehen.

Kritisches Bewusstsein sei in der heutigen Schülergeneration nicht mehr vorhanden, und sie sei auch noch stolz darauf. Na ja, sei unter den heutigen Umständen vielleicht verständlich.

Arminia: heute eine Klasse schlechter als Freiburg, man müsse sich Sorgen machen.

In Zigarettenpause Gespräch mit C.: sie komme gerade aus der psychosomatischen Klinik und sei froh, dass ihre depressiven Phasen seltener werden. Habe begonnen zu malen.

Ach wie witzig dein Geschenk: Hannelore Hoger liest „Ich will keinen Seniorenteller“

Schulleiter: habe die Kollegin mit Phrasen und Worthülsen verabschiedet, kein Format. Dabei sei sie doch für viele junge Kolleginnen und Kollegen eine Leitfigur gewesen, z.B. wegen ihres Engagements für den Ganztag.

Ein Schüler habe im Philosophiekurs einen Witz erzählt, den der Sportlehrer ihm erzählt habe: Provinz erkenne man daran, dass dort die Lehrer für Intellektuelle gehalten würden.

Angeblich gibt es ein neues Buch mit dem geilen Titel „Mein ziemlich wildes Leben zwischen Bielefeld, Havanna und dem Himalaja“; ach ja, von hier in die weite Welt;

Schön, am Gymnasium zu sein, da habe man mit Inklusion und Förderung von Flüchtlingen nichts zu tun, die normale Klientel sei schon kompliziert genug.

Älteste Tochter der Jubilarin erwarte im März das zweite Kind. Oma freue sich schon und werde Tochter und Schwiegersohn entlasten.

In Zigarettenpause Gespräch mit J.: er habe keinen Bock mehr, den Schulleiter zu geben, möchte wieder einfacher Lehrer sein. Na ja, vielleicht doch nicht. Sollten mal wieder am Abend vor Ferienbeginn essen gehen. Sei doch damals schön gewesen, als wir zusammen das konservative Kollegium des XY-Gymnasiums aufgemischt hätten.

Irgendwie schade, dass die Ehepartner nicht eingeladen seien, müssten deshalb jetzt leider zu Wasser wechseln.

Der Kollege G. sei gestorben, Bauchspeicheldrüsenkrebs, habe nur zwei Jahre was von seinem Ruhestand gehabt. Armer Kerl. Ja, ja, die Einschläge kämen näher.

Der Abend endete gegen Mitternacht. Zuhause fragte die Gattin, die vor dem Fernseher eingeschlafen war, wie es denn gewesen sei. Ich zuckte die Achseln und holte ein Bier aus dem Kühlschrank.

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Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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