Warme Sachen

Tante Frieda Lektion über Flüchtlinge

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Nachdem wir im Wiehen - Stadion, errichtet mit Geldern eines Küchenindustriellen aus der Region, mit 1367 anderen Zuschauern ein torloses und ziemlich langweiliges Unentschieden des Heimatvereins gegen die U23 von Borussia Mönchengladbach gesehen hatten (herzerwärmend schrill waren nur die Auftritte der Cheerleader aus der benachbarten Gesamtschule) , besuchten wir Tante Frieda, die letzte Überlebende aus der Generation unserer Eltern, die zuerst ausführlich von ihren Kindern und Enkelkindern und ihrem Brustkrebs berichtete und dann bei einem guten Kaffee, den sie mit der neuen Maschine zubereitete, erzählte, dass das Kreisjugendheim seit Wochen von einigen hundert syrischen Flüchtlingen („Ach, die armen Leute, besonders die Kinder!“) bewohnt werde, die in kleinen Gruppen an ihrem Haus vorbei kämen, wohl auf dem Weg zu Netto, nebenan bei Kollmeier gerne Rubbellose kauften und sich, wie sie im Dorf gehört habe, bislang anständig verhalten hätten. Man wisse ja nie, was komme, aber die Flüchtlinge erinnerten sie an die Zeit nach dem Krieg, als viele Katholiken aus Schlesien ins Dorf gekommen seien. Das sei ja auch gut gegangen. Der eine Schwiegersohn sei der Sohn eines dieser Katholiken. Sie wolle am Sonntag auf dem Boden nachsehen, ob sie da noch alte Wintersachen habe, der CVJM sammle die, die Leute bräuchten ja warmes Zeug. Wir sollten doch auch mal in unseren Kleiderschränken nachsehen.

Das versprachen wir und fuhren, von der Empathie der alten Dame schwer beeindruckt, zurück nach B., als wir in den Nachrichten hörten, dass der Bundesinnenminister inzwischen Zustimmung und Unterstützung aus der Union für seine Vorschläge erhalte.

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Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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