Am eigenen Ast gesägt

Verschlanktes Bildungsministerium Annette Schavan wird wohl nur noch das Bafög zu verwalten haben

Das Kürzel könnte bleiben: BMBF stünde dann künftig nicht mehr für das Bildungs- und Forschungsministerium sondern für ein "Bundesministerium für Bafög". Denn mehr als die Verwaltung des Bafög-Topfes wird der katholischen Kreuzritterin Annette Schavan nicht bleiben, wenn sie die wichtigsten Forschungsreferate an Edmund Stoiber abtritt. Schavans Vorgängerin Bulmahn barmt, sieht ihr Ministerium zerschlagen, fürchtet um die Beamten, die nun aus dem Bonner Hochhaus nach Berlin umziehen müssen. Doch, die SPD hat ja irgendwie beim Zuschnitt der neuen Regierung mitzureden. Aber man hat sich eben bisher nur um die Verteilung der Türschilder gekümmert. Zum Beispiel darum, dass jetzt das Wirtschaftsministerium auch "Technologie" im Namen führt. Und man hat offenbar keinen Gedanken daran verschwendet, was denn hinter den Türen künftig an Politik gemacht wird, ja, noch nicht einmal, was denn genau mit den Schildern an den Ministerien gemeint ist.

Für Stoiber ist die Sache klar: Raumfahrt, Verkehr, Neue Technologien, Nanotechnologie, Informations- und Kommunikationstechnologien gehen an ihn, Schavan bliebe noch Bio- und Gentechnik und Grundlagenforschung, aber auch das ist nicht sicher. Die Aufregung in der "Heiligen Allianz", also bei den großen Wissenschaftsorganisationen, ist gewaltig, aber nicht überzeugend: Der Wissenschaftsratsvorsitzende Max Einhäupl fordert eine Forschungspolitik aus einer "starken" Hand - wem die Hand gehört, ist ihm egal, von ihm aus kann es auch der Superminister aus Bayern sein. Warum auch nicht? Da wächst zusammen, was zusammen gehört. Solange die Forschungspolitik als Teil der Bildungspolitik gesehen wird, hat sie den haut gôut der dringend zu "reformierenden" Sozialpolitik - was für arme Leute, die nach oben wollen. Oder für die Hochschulen, in die man, wie der selige Peter Glotz gesagt hat, sechs Milliarden stecken könnte und man würde nicht mal ein "Plopp" hören.

In der Lissabon-Strategie haben die EU-Regierungschefs beschlossen, ihre Forschungsausgaben auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Aber doch nicht, um Menschen auf dem Wege zum Schönen, Wahren und Guten zu unterstützen, sondern um Europa innerhalb von zehn Jahren "zum dynamischsten und wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Erde" zu machen. Mit den drei Prozent wird es schwierig, ohne Steuern. Und private Investoren kennen auch bessere Möglichkeiten der Geld-Anlage. Da muss man sich von überflüssigem Ballast trennen und Forschungspolitik auf den ökonomisch interessanten Kern, die Technologiepolitik zurückführen und jeden Euro dem Ziel unterordnen, Europa zum dynamischsten... usw. zu machen.

Forschungspolitik ist Wirtschaftspolitik, das müsste doch nach der Deklaration der Lissabon-Strategie im Jahr 2000 klar geworden sein. Was hätte sie dann in den Händen der "Äbtissin" zu suchen, wie Annette Schavan in Baden-Württemberg genannt wird? Da hat sie sich einen Namen als in ihrem Sinne durchaus stringente Bildungspolitikerin gemacht. Als Kultusministerin hat sie dem Schlendrian sozialdemokratischer Aufweichler eine klare Leistungsorientierung entgegen gesetzt - Fremdsprache ab dem ersten Schuljahr und knallharte Auslese mit Hilfe eines Grundschulabiturs nach der Klasse vier. Pech für sie, dass sie davon nun nichts mehr umsetzen kann. Denn schließlich hat sie mit den anderen CDU-Bildungspolitikern erfolgreich jede Bundeskompetenz in Bildungsfragen bekämpft. Auch das Hochschulrahmengesetz, als letztes Residuum einer gesamtstaatlichen Bildungsverantwortung, wird es bald nicht mehr geben. Und Edelgard Bulmahns ganzen Stolz, das Vier-Milliarden-Programm für Ganztagsschulen, hatte sie nur als Möglichkeit genutzt, um Projekte wie die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit zu finanzieren. In Berlin bleibt ihr nur noch, das Bafög zu verwalten. Doch dafür braucht man keine Ministerin. Da würde ein Ministerialdirigent ausreichen. Den könnte dann der Müntefering kriegen, der ist ja mehr für das Soziale zuständig.


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