Kunden ohne Reklamationsrecht

Hochschulgebühren Studierende haben keine Geld-zurück-Garantie

Studenten sind "umworbene Kunden". Die Hochschulen werden sich "noch stärker als bisher an den Wünschen und Bedürfnissen der Studierenden orientieren". Denn die haben ein starkes Druckmittel in der Hand: Eine "Geld Zurück-Garantie". Das sind keine Visionen aus einer anderen Hochschulwelt, sondern Zitate aus einer Rede des nordrhein-westfälischen Innovationsministers Andreas Pinkwart.

Im nächsten Jahr werden in Nordrhein-Westfalen Studiengebühren eingeführt. Der Begriff "Gebühren" erinnert an kassierende Schalterbeamte, an einen muffigen Staat also. Der Freidemokrat Pinkwart will Studierende und Hochschulen gerade aus dem staatlichen Gebühren-Muff hinaus führen in die Freiheit des Marktes. Deshalb heißen die Gebühren im Gesetzentwurf Beiträge, wie das Geld, das man gern an einen notleidenden Fußballverein bezahlt, oder - besser noch - an eine Serviceorganisation wie den ADAC. Und da haben die umworbenen Kunden, sprich, die Studenten, das Recht, ihre Ware bei Nichtgefallen zurück zu geben - eine Geld-Zurück-Garantie also.

Hat eine gekaufte Ware einen Mangel oder fehlt ihr gar eine zugesicherte Eigenschaft, so hat man als Kunde Gewährleistungsansprüche: Man geht ins Geschäft und verlangt, dass der Schaden behoben wird. Wenn das nicht geht, tauscht man die Ware um oder bekommt sein Geld zurück. Das steht im Gesetz, dafür braucht man keine besondere Geld-Zurück-Garantie.

Wie sieht es nun an der Hochschule aus? Der Kunde legt die 500 Euro auf den Tisch. Dafür will er oder sie ein Semester lang studieren, um am Ende mit neuen Erkenntnissen und 30 Kreditpunkten nach Hause zu gehen. Denn die braucht man, um nach sechs Semestern als Bachelor fit für den Arbeitsmarkt zu sein. Nun stellt die Lehrerstudentin fest, dass sie schon zum zweiten Mal wegen Überfüllung nicht in das Deutschdidaktik-Seminar hinein kommt, der Romanist hat nur einen Stehplatz im Hörsaal, die Biologin wird mangels Laborplätzen für ihren Grundkurs auf das nächste Semester vertröstet. Eigentlich ein klarer Fall: Bezahlt hat man für ein ordnungsgemäßes Studium, und was das ist, wird dank der gegenwärtigen Studienreform ja ziemlich genau beschrieben. Der Verkäufer war nicht in der Lage, die zugesicherte Ware zu liefern, da würde man auch ohne Geld-zurück-Garantie von jedem Gericht sein Geld einklagen können.

Und genau das kann der zahlende Student nicht. Im Gesetzentwurf ist von "Geld zurück" überhaupt keine Rede, und von Garantie schon gar nicht - im Gegenteil. Da sollen Beschwerdeausschüsse an den Hochschulen eingerichtet werden, bei denen man seine Klagen vorbringen kann. Rechtsverbindliche Ansprüche sind in dem Gesetzentwurf ausdrücklich ausgeschlossen.

Die Münsteraner Professoren sind besonders erbost: Sie sehen hinter der Einrichtung dieser Ausschüsse die beleidigende Unterstellung, dass sie an den miesen Studienbedingungen schuld seien und nicht die jahrelange Unterfinanzierung durch die Landesregierung.

Der einstimmige, ablehnende Beschluss des Senats der Münsteraner Universität zu den Studiengebühren ist bemerkenswert. Die Senatsmitglieder seien zwar unterschiedlicher Auffassung zur Erhebung von Studienbeiträgen, heißt es da, aber sie lehnen es gemeinsam ab, dass die Beziehung zwischen Studierenden und Lehrenden als Anbieter-Kunden-Beziehung beschrieben wird. Doch darum geht es offenbar dem liberalen Innovationsminister: mit den Hochschulen Marktwirtschaft zu spielen. Deshalb das vollmundige Versprechen einer Geld-zurück-Garantie, das sich als das glatte Gegenteil erweist. Studenten sind keine umworbenen Kunden, sondern müssen sich durch den Numerus-Clausus und künftig durch hochschulinterne Auswahlverfahren auf einen Studienplatz vorkämpfen - der Anbieter sucht sich also seine Kunden aus. Und geprüft wird nicht die Qualität des Studienangebots, sondern die des Kunden. Die absurden Folgen eines konsequenten Marktmodells kann man heute schon in Australien sehen - dort werden Studiengänge für 50 bis 60.000 Dollar im Jahr an die Kundschaft in Südostasien verkauft. Und ein Mathematik-Professor aus Canberra bekommt einen Hinweis von der Werbeagentur seiner Universität, dass er doch bitte mit seinen Kunden aus Indien etwas großzügiger bei der Benotung umgehen möge.


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