Profil und Profit

Geld gegen wissen Hochschulen werden Dienstleister der Wirtschaft

Silicon Saxony in Dresden gilt als Muster-Cluster: dort hat sich ein Verbund von Chip-Herstellern, Hochschulen und kleinen Start-Up-Firmen etabliert, die einige Tausend Ostdeutsche in Lohn und Brot gebracht haben. Ein Cluster ist eine Zusammenballung von Unternehmen. Forschungsinstitute und Hochschulen können auch dabei sein. Dieses Silicon- Cluster ist so attraktiv, dass es auch Spezialisten aus dem Ausland an die Elbe locke, meint Professor Gerhard Fettweis. Er selbst kam aus Silicon Valley zurück nach Deutschland, auf einen von Vodafone gestifteten Lehrstuhl an der TU Dresden. Er stellt das Dresdner Beispiel-Cluster den in Essen zum traditionellen Villa-Hügel-Gespräch des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft versammelten Stiftern und Wissenschaftsfunktionären vor. Aus seinem Mobilfunk-Institut hat Fettweis eine Reihe von Spin-off-Firmen gegründet, er kooperiert mit den Großen der Branche. Der Vodafone-Professor versteht sich als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

Hochschulen sollten sich mit Unternehmen zusammentun, also verclustern, damit sie ihren Beitrag zur deutschen Aufstellung auf dem Weltmarkt leisten, werden sie im Gartensaal der gigantomanen Essener Fabrikantenvilla aus dem vorletzten Jahrhundert aufgefordert. "Sollen die Hochschulen zu Dienstleistern der Unternehmen werden?", heißt die rhetorische Frage im Tagungsprogramm. Nein, das wolle man ihnen nicht zumuten, meint Jürgen Hambracht, Vorstandsvorsitzender der BASF - man wolle eine faire Partnerschaft. Jeder bringt ein, was er hat, die Hochschulen ihr Wissen, jedenfalls das, was die Unternehmen davon nachfragen, und die Unternehmen Geld, wenigstens ein bisschen. Eine typische win-win-Situation, wie es heute so schön heißt. Denn den einen fehlt das Geld, den anderen das Wissen. Man könne heute nicht mehr Milliarden in irgendwelche Forschungen investieren, die nicht unmittelbar Gewinn bringen, dazu sei der Wettbewerb zu scharf, stellt Martin Jetter, der Vorstandsgeschäftsführer von IBM Deutschland klar. Und so springt die Bundesregierung ein. Sie will 15 Milliarden in eine neue High-Tech-Offensive stecken. Da kann man froh sein, dass noch 580 Millionen übrig bleiben, um ein paar Studienplätze zu finanzieren.

Hochschulen und Unternehmen ticken anders, wendet die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, vorsichtig ein. Sie müssten langfristig planen, etwa bei Berufungen und Forschungsschwerpunkten, da seien sie nicht so flexibel wie die Unternehmen. Wissenschaftler wollen gar nicht auf den Weltmarkt, gibt der scheidenden Mecklenburger Wissenschaftsminister Hans-Robert Metelmann zu bedenken. Die interessierten sich, zum Beispiel in seinem Fach, der Kiefernchirurgie, für eine neue Schnitttechnik, aber nicht für deren Vermarktung. Über derlei skurrile und weltfremde Ansichten können die Herren der Wirtschaft, Damen sind nicht dabei, nur herzlich lachen. Damit sich an dieser Haltung etwas ändert, bereitet die Bundesregierung einen neuen Wettbewerb vor. Da sollen dann die Spitzencluster ausgezeichnet werden.

Werde mit der Ausrichtung auf die Wirtschaftsinteressen nicht die Idee der Volluniversität beerdigt? Diese Frage wird forsch abgebügelt - diese Monstranz der Universitas litterarum, die seit über einem Jahrhundert von den Hochschulleuten angebetet werde, sie habe mit der Realität nichts mehr zu tun. Und Wilhelm Krull, der Generalsekretär der Volkswagenstiftung ist mutig genug, den Hochschulen zu sagen, sie sollten doch ihre Rolle als Dienstleister für die regionale Wirtschaft annehmen. So könnten doch auch die Verlierer im Exzellenzwettbewerb, also die Masse der Hochschulen, noch ein eigenes Profil gewinnen.


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