There is no business like school-business

Privatisierung der Bildung Teil 5 Schulen werden mittlerweile häufig von privaten Unternehmen saniert und an die Kommunen vermietet. Ein lukratives Geschäft - für die Investoren

Ganz harmlos fing es an mit Plänen zur Computerausstattung der Schulen, mit Schulsponsoring für einzelne Projekte. Inzwischen gehen viele Kommunen Public Private Partnerships ein, um zum Beispiel kurzfristig Bauvorhaben umzusetzen, Ministerien beauftragen private Bildungsdienstleister mit der Evaluation von Bildungserfolgen. Auch Pisa ist ein Unternehmen der "Public Private Partnership".

Endlich geht es voran mit der Sanierung seines Schulhauses, freute sich Michael Schlemminger-Fichtler, der Leiter der Peter-Ustinov-Gesamtschule in Monheim, einem Städtchen von 40.000 Einwohnern ziemlich in der Mitte zwischen Leverkusen und Düsseldorf. Seit Jahren wurden einige Klassen in Containern unterrichtet. Die Gebäude waren PCB-verseucht, und die Gemeinde hatte, wie viele andere auch, kein Geld, um den Schaden schnell zu beseitigen. Auf herkömmlichem Wege, mit der Bauverwaltung der Gemeinde, hätte die Sanierung über zehn Jahre gestreckt werden müssen. Nun hat ein privater Investor, die Kirchner GmbH aus Bad Hersfeld, die Bauarbeiten übernommen. Er war in einem Jahr mit dem Umbau fertig.

Elf weitere Monheimer Schulen werden von der Bad Hersfelder Bauunternehmung saniert. Die Baukosten hätten die Gemeinde 21 Millionen Euro gekostet. Sie steht aber unter dem Haushaltssicherungskonzept, das heißt, sie ist so hoch verschuldet, dass sie keine weiteren Kredite mehr aufnehmen darf. Und weil sie die 21 Millionen nicht hat, zahlt sie nun statt dessen 25 Jahre lang drei Millionen Euro "Nutzungsentgelt" an die Firma - im Endeffekt also 75 Millionen.

Dennoch führt der Monheimer Bürgermeister Thomas Dünchheim hier einen Kostenvorteil an - der ist nämlich Bedingung für diese Art von Vereinbarungen. Er beziffert ihn auf gut 15 Prozent. Im Zivilberuf war Dünchheim Anwalt in einer Düsseldorfer Sozietät, die sich auf derartige Privatisierungen öffentlichen Eigentums spezialisiert hat. Tatsächlich, so weiß die grüne Ratsfrau Andrea Stamm, habe die städtische Bauverwaltung gar kein "Konkurrenzangebot" zu den Privatinvestoren eingereicht. Man habe lediglich den Erfahrungswert zugrunde gelegt, dass die städtischen Baumaßnahmen im Endeffekt 24 Prozent teurer werden als veranschlagt, während man den privaten Vertragspartner auf einen Fixpreis festlegen könne.

Das nordrhein-westfälische Finanzministerium unterstützt Public Private Partnerships und hat dafür eine "Task Force" eingerichtet. Nicht nur Schulen und Verwaltungsgebäude möchte man privaten Betreibern übergeben, auch ein Gefängnis steht auf der Privatisierungsliste. Das Bundesbauministerium findet, dass die Quote an öffentlich-privaten Partnerschaften in Deutschland noch längst nicht das internationale Niveau erreicht habe.

Miete bringt angeblich Einsparungen

Im Grunde - das räumt Bürgermeister Dünchheim auch ein - handelt es sich um eine verdeckte Kreditaufnahme: Die Gemeinde darf ihre Baumaßnahme nicht offen über Kredite finanzieren. Das macht für sie die Kirchner GmbH, die Gemeinde zahlt ihr statt Zinsen und Tilgung das "Nutzungsentgelt" - ein finanzpolitischer Trick also, um die Haushaltssperre zu umgehen. Für einen privaten Kredit nimmt die Bank höhere Zinsen als für einen kommunalen. Die Gemeinde übernimmt aber gegenüber der Bank alle Risiken für die Mängel, die nach der Abnahme der Bauten auftreten könnten. Forfaitierung heißt das in der Fachsprache des Kreditgewerbes. Wie bei einem Kommunalkredit hat die Bank also keinerlei Risiko, streicht aber höhere Zinsen ein. Die Zinsen plus einer erwarteten Rendite von mindestens zehn Prozent zahlt die Kommune mit der Miete. Die sonst als unflexibel und starr geschmähte öffentliche Hand wird als "Kundin" gerade deshalb gern gesehen, weil man mir ihr praktisch risikofrei langfristige Verträge schließen kann.

Wie ist es möglich, dass eine Privatfirma günstiger bauen kann als die Kommune und dennoch einen ansehnlichen Gewinn erwirtschaftet, zumal sie auch noch Mehrwertsteuer zahlen muss? Die Firma habe den größeren Durchblick auf dem Markt und könne, da sie auf Bauen spezialisiert sei, günstiger einkaufen, meint Bürgermeister Thomas Dünchheim. Und schließlich müsse sie das Vorhaben nicht im "Korsett des öffentlichen Vergaberechts" ausschreiben.

In Frankfurt am Main wurde das Bildungszentrum Ostend von einer Tochtergesellschaft der Landesbank Baden-Württemberg ohne dieses "Korsett" errichtet und für 20 Jahre an die Stadt vermietet. Dort sind zwei Abendgymnasien, eine Berufsschule, die Volkshochschule und ein Konservatorium untergebracht. In den 20 Jahren zahlt die Stadt 102 Millionen Euro an Miete, während die Investition der Baugesellschaft 54,6 Millionen Euro beträgt. Dennoch spricht Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) von "Einsparungen von circa 25 Prozent" gegenüber einer kommunalen Investition (vgl. Werner Rügemer in junge welt vom 19.4.2006). Die Verträge zwischen der Stadt und der Leasinggesellschaft sind geheim - die Stadtverordneten bekommen sie nicht zu sehen. Schon jetzt stellt sich heraus, dass beim Bau eben nicht alle schulrechtlichen Vorschriften beachtet wurden, im Gegenteil - die Standards von Schulbauten wurden zum Teil massiv unterschritten. So sind einige Klassenräume statt 60 Quadratmeter, wie vorgeschrieben, nur 48 oder gar 41 Quadratmeter groß (Frankfurter Rundschau vom 13.10.2006). Die versprochene Cafeteria fehlt bis heute. Und da die Heizkosten zu Lasten des Mieters gehen, hat man hemmungslos an Dämmmaterial gespart - dadurch verteuern sich die Heizkosten um gut ein Viertel. Die Rechnung der Stadtkämmerei, dass das PPP-Projekt wirtschaftlicher sei, ist nicht nachvollziehbar, stellt SPD-Fraktionschef Klaus Oesterling im Frankfurter Rat fest.

Bei den Privatisierungsvorhaben geht es auch um die Gebäudebewirtschaftung. In Monheim bleiben zwar Hausmeister und Putzdienst städtisch, zumindest vorerst. Im Landkreis Offenbach werden Hausmeister und Angestellte der Kreisverwaltung in eine Schul-Facility-Management-GmbH überführt. Über den entscheidenden Kostenvorteil, den man sich davon verspricht, schweigt man gern: Das Personal unterliegt dann nicht mehr dem Tarif des öffentlichen Dienstes. Deshalb protestiert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi dagegen.

"Wir handeln sinnvoll, wirtschaftlich und antizyklisch. Das ist gelebter Thatcherismus", meint Monheims Bürgermeister Thomas Dünchheim durchaus stolz. In Großbritannien ist PPP schon ein bedeutender Sektor des Finanzgeschäfts geworden, berichtet Patrick Wallace aus der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die unter anderem das PPP-Projekt in Offenbach betreut. Allerdings lief auch hier nicht immer alles problemlos, und bei manchen Projekten wird heute laut darüber nachgedacht, ob die öffentliche Hand nicht doch günstiger gewesen wäre.

Lotterielos für einen Studienplatz

Mittlerweile werden nicht nur Schulgebäude von Privaten auf staatliche Rechnung betrieben, auch pädagogische Dienstleistungen übergeben die öffentlichen Bildungsverwaltungen privaten Anbietern. Prominentestes Beispiel: PISA*. Ein Konsortium multinationaler Bildungsdienstleister organisiert die schulischen Qualitätskontrollen und -vergleiche. Bei PISA ist ACER federführend, der Australian Council For Educational Research Ltd., der den von der OECD öffentlich ausgeschriebenen PISA-Auftrag bekommen hat. Ein weiterer Projektpartner: der ETS (Educational Testing Service) aus den USA, der wohl größte private Anbieter von Bildungsdienstleistungen. Der von ihm verwaltete SAT (Scholastic Aptitude Test) ist die gängige Aufnahmeprüfung für die führenden US-Hochschulen, der TOEFL, ein Englischtest, gehört für die nicht englisch sprechenden Ausländer ebenfalls zu den Voraussetzungen, um in anglophonen Ländern studieren zu können.

Die Hochschulrektoren in Deutschland haben nun beschlossen, Hochschulaufnahmetests einzusetzen. Nicht nur mit der Entwicklung, sondern auch mit der Durchführung wird die ITB beauftragt, eine Bonner Consulting-Gesellschaft, die schon Erfahrungen mit der Entwicklung und Durchführung der Mediziner-Tests gesammelt hat. Die wurden aus Kostengründen wieder abgeschafft. Nun ist auch dieses Problem gelöst - künftig wird jeder Studierwillige selbst für seinen Aufnahmetest zahlen müssen - das Lotterielos für einen Studienplatz wird etwa 90 Euro kosten. Eine PPP zu Lasten Dritter also: Die Unis lassen eine private Gesellschaft über die Hochschulzulassung bestimmen, und bezahlen müssen dafür die einzelnen Prüflinge.

Die zunehmende Verbreitung von PPP hat zwei Seiten. Die finanzpolitische: Der mittlerweile schreienden öffentlichen Finanznot steht privates Vermögen gegenüber, das händeringend nach Anlagemöglichkeiten sucht. Neue Märkte werden gebraucht, im Ausland und Zuhause. Da gibt es eben viele öffentliche Dienstleistungen die nur darauf warten, als profitable Geldanlage erschlossen zu werden. Der Bildungsmarkt ist risikoarm, vor allem, wenn man das Geschäft nicht mit den vielen "Endverbrauchern" machen muss, sondern mit dem Staat. Mit ihm kann man nicht nur einfacher verhandeln, man kann ihn auch übers Ohr hauen, denn die öffentlichen Geld-Verwalter sind begierig nach dieser Art von Geschäft: Nicht nur, weil sie ideologisch angesagt sind als Entstaatlichung, Entbürokratisierung, Öffnung für den Wettbewerb, sie entlasten ihre Haushalte, und vor allem, sie entziehen ihr Finanzgebaren der Kontrolle durch die Rechnungshöfe und durch Parlamente, Stadt- und Gemeinderäte. An den privatrechtlichen Verträgen, die man da schließt, haben die Volksvertreter über die Laufzeit von 20 oder 30 Jahren nichts mehr zu deuteln. Der Staat vergibt sich dadurch natürlich jede Gestaltungsmöglichkeit.

Dies wird noch deutlicher, wenn auch inhaltliche Bildungsdienstleistungen privat abgewickelt werden. Im alten etatistischen Modell wurden die Schulen nach Recht und Gesetz vom Staat beaufsichtigt - zugegeben, vollkommen ineffektiv und unzureichend. An dessen Stelle tritt nun eine Outputkontrolle, organisiert von Experten, die zwar im öffentlichen Auftrag handeln, aber keine öffentliche Legitimation mehr brauchen. Was eine gute Schule ist, bestimmen die internationalen Bildungsdienstleister, die PISA durchführen.

Aus finanzpolitischer Sicht sind PPP-Geschäfte eine ungleiche und unehrliche Verteilung von Risiken und Erträgen. Die Risiken werden aber erst in einigen Jahren und Jahrzehnten sichtbar, wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten, für deren Beschreibung auch die Phantasie und Sachkenntnis der teuren Berater nicht ausgereicht hat - PPP-Geschäfte sind ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft. Für den Lehrbetrieb bedeuten sie eine Einschränkung der pädagogischen Autonomie, ein Abtreten von öffentlicher Verantwortung und demokratischer Kontrolle.

* vgl. dazu Elisabeth Flitner: Pädagogische Wertschöpfung. Zur Rationalisierung von Schulsystemen durch public-private partnerships am Beispiel von PISA. In: Jürgen Oelkers, u.a. (Hg.): Rationalisierung und Bildung bei Max Weber. Bad Heilbrunn 2006


Mit diesem Beitrag schließen wir die Reihe Vom Menschenrecht zur Markenware, die sich mit Privatisierungstendenzen im Bildungssektor befasst hat, ab. Alle Beiträge in der Übersicht:

Clemens Knobloch Vom Menschenrecht zur Markenware. Über die Beschädigung öffentlicher Lernorte durch die Gesetze des Marktes. Freitag 27/28/2006

Ingrid Lohmann: Jede Schule ein kleines Unternehmen. Über die Projekte der Bertelsmann-Stiftung an Schulen. Freitag 31/2006

Michael Hartmann: Die Vertiefung der Unterschiede. Über die Funktion von Studiengebühren und Elite-Universitäten. Freitag 35/2006

Andreas Keller: Zukunft Alma Mater GmbH. Über die institutionell-organisatorischen Folgen des Hochschulfreiheitsgesetzes in NRW. Freitag 39/2006

Karl-Heinz Heinemann: There is no business like school-business. Über Public Private Partnerships mit Schulen. Freitag 43/2006


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