Er, der mit seinem Schicksal haderte

kämpferisch Bis zum letzten Atemzug

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Seine schmalen Lippen waren blau bis ins Blasse hinein. Seine Augen hingegen dabei leicht gerötet und zu Sehschlitzen entstellt. Die Sonne jedoch am frühen Morgen, ließ ihn ein wenig optimistischer werden, ohne ihn fröhlich werden zu lassen, denn fröhlich war er schon lange nicht mehr gewesen, solange nicht, das er sich nicht daran erinnern konnte, wann er dies das letzte Mal bei sich beobachten konnte.

Er blickte nun betrübt der aufgehenden Sonne nach und überlegte hin – und her, was er an diesem Sonntag dennoch unternehmen konnte. Etwa die heilige Messe besuchen, ging es ihm durch den Kopf, aber die vielen Gläubigen dort, die würden ihn doch abschrecken, in seiner derzeitigen Verfassung und der liebe Gott, ist auch nicht immer so lieb wie er sein sollte, zog er seine breite Stirn bei jenem Gedankengang furchterregend in Falten. Also, mit der Messe wird es wohl nichts mehr heute, dachte er so bei sich und seine Gesichtsfarbe wurde wieder zunehmend blasser und seine kleinen Augen machten einen weiteren Stich ins Rötliche, so als sei er sturz betrunken. Dabei war er keineswegs ein Alkoholiker, sondern abstinent und dies, seit er sich zurück erinnern konnte. Gelegentlich jedoch rauchte er täglich ein paar Zigaretten – jedoch nicht mehr als fünf – aber dabei blieb es dann auch, so dass er als „Kettenraucher“ sicher nicht zu bezeichnen war. Bei diesem Gedanken lachte er kurz auf und bugsierte seinen Kopf mit einem Ruck nach hinten, so dass sein Stiernacken wulstig in Falten lag, so dass jene Szenerie, ein wenig seltsam anmutete. Er lachte nunmehr ein weiteres Mal, als sein Kopf sich wieder in der Waagerechten befand und er lachte jetzt lauter und ein Jota befreiter als zuvor, als hätten ihn die ersten Sonnenstrahlen am Morgen so freudig erregt, das selbst einem sonst traurigen Menschen wie ihm, ein befreites Lachen hat abringen können.
Doch er lachte nur eine kurze Weile lang! Denn bald schon standen ihm Tränen der Verzweiflung in seinen rotunterlaufenden Augen. Sein Lachen durchdrang nämlich eine perfide Melancholie, die die Sonne am Morgen, mit einem Male, für ihn unerträglich werden ließ, die ihm kurz zuvor noch, jenes befreite Lachen schenkte.
So saß er nun auf seinem weißen Gartenstuhl auf seinem großen Balkon, mit glasigen Augen, die mit einem Schimmer von Rot versetzt waren, fast regungslos und starrte dabei gedankenverloren ins Leere.
Alle Schönheiten und Reichtümer dieser Erde, konnte er sich nicht mehr so recht vorstellen. Denn jene Melancholie, machte aus ihm einen anderen Menschen, nämlich einen Depressiven, der am Leben nur wenig Freude empfindet und ihm desinteressiert gegenüber steht, auch wenn ihm manchmal zum Lachen zu Mute war – wie heute früh – blieben dies aber Ausnahmen von der Regel, die so kurze Intervalle aufwiesen, das es nie dazu gekommen wäre, ihn tagelang in eine freudige Grundstimmung versetzen zu können.
Vielleicht war es auch sein ausgeprägtes Selbstmitleid, welches ihm die Stimmung versalzte. Doch die Welt nach seinem gutdünken zu verändern, dazu fehlten ihm einfach die Mittel und Wege. Zudem waren es utopische Träumereien, die nicht zu realisieren waren.
Er musste sich also erst einmal an die Realitäten des Lebens gewöhnen, die nicht immer schön waren, sondern auch rau und und sehr belastend sein konnten. Er musste eben nur wollen und sich von seinen neurotischen Symptomen und seiner Verklemmtheit zu befreien. Dann wäre er wieder der vitale Mann, den sie alle gemocht haben damals. Ein Mann,der Freude und Zuversicht ausstrahlte, ja, der wollte er wieder sein dürfen, nach all den verfluchten Jahren, nach all den seelischen Abgründen und Schmerzen. Ja, wie sehnte er sich danach! Doch er musste vorallem dies wollen und er wollte es jetzt auch, wie niemals zuvor in seinem bescheidenen Leben. Und dies war auch gut so! Gut für ihn und gutfür seine Mitmenschen und Freunde, in der Stadt in der er lebte und in der ihm jenes Schicksal mit einer solchen Wucht widerfuhr und ihn auf tragische Art und Weise, beinahe an den Rand des Wahnsinns brachte, aus der er sich nur mit großer Mühe, vielleicht noch einmal wird befreien können.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Karl Valentin

Schreiber mit einem Schuss Ironie

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