Danke für den Qualm

Kampagne In einem Berliner Kiosk tragen die Mitarbeiter auffällige T-Shirts. Was erst wie eine Gewerkschaftskampagne wirkt, entpuppt sich aber als Lobbyarbeit der Tabakindustrie

Penibel geordnete Zeitschriften, Getränke, Schokoriegel, Chips. Ein überschaubarer Raum, der "My News Point“-Kiosk in der Berliner Invalidenstraße. Wer will, kriegt auch einen Kaffee. Im Minutentakt strömen die Kunden raus und rein. Die einen gemütlich schlendernd, die anderen mit hektischen Schritten. Meistens werden Zigaretten gekauft.

Hinter der Kasse steht eine Frau mit rötlichen Haaren. Offen, freundlich, gut gelaunt. Daneben ihr Kollege. Sie tragen T-Shirts mit einem Aufdruck, der erstmal Verwirrung stiftet: „Danke, dass Ihnen Qualität, Beratung und die Sicherung von Arbeitsplätzen wichtig ist und Sie deshalb bei uns kaufen.“ Klingt witzig. Und irgendwie nach einem netten Chef, der seine Mitarbeiter gut behandelt.

Sie meinen es ernst

Aber was steckt dahinter? Verfolgen sie ein bestimmtes Ziel? Ist das eine Gewerkschaftskampagne? Zuerst einmal scheint es die Kiosk-Mitarbeiter zu irritieren, dass jemand danach fragt. Dann präsentieren sie ein T-Shirt auf dem Gästetisch. Die Rückseite gibt die Erklärung. Es ist kein Witz. Die Mitarbeiter wollen mit ihrer Dienstbekleidung auf den Zigarettenschwarzmarkt aufmerksam machen.

Sie sind damit Teil eines größeren Ganzen, einer bereits seit längerem laufenden Kampagne des Bundesverbands des Tabakwaren-Einzelhandels e.V. (BTWE). "Die T-Shirts haben wir von Philip Morris bekommen", erzählt die fröhliche Rothaarige. Auf der Rückseite der T-Shirts stehen Zahlen, die zeigen sollen, wie viele Mitarbeiter im Einzelhandel durch den Kauf von illegal geschmuggelten Zigaretten beschäftigt hätten werden könnten.

Da steht: 24 Milliarden Zigaretten werden in einem Jahr unversteuert konsumiert. Deren Wert hätten 10.200 Angestellte im Handel umgesetzt. Der Deutschlandchef der British American Tabacco Gruppe, Ad Schenk, ließ sich unlängst mit der Befürchtung zitieren, 2010 könnte die Tabaksteuer erhöht werden. Daran wäre dann aber nicht Schäubles Haushaltsdefizit schuld, sondern alle jene Raucher, die geschmuggelte Zigaretten kaufen. So die Logik der Tabakindustrie.

Fakt ist, dass durch den Kauf nicht versteuerter Zigaretten dem Staat einiges an Geld fehlt. Allein 2007 verlor der Fiskus 4,5 Milliarden Euro; der Handel und die Industrie rund 800 Millionen Euro. Außerdem können die geschmuggelten Zigaretten ein risikoreicher Griff sein, da die verbilligten Produkte häufig gefälscht sind und entfernt aller Kontrollen hergestellt werden.

Greifen bald noch mehr zu Schmuggelpäckchen?

16 Millionen Menschen rauchen in Deutschland und jede fünfte Zigarette wird geschmuggelt. Werden mit der Tabaksteuererhöhung aber nicht noch mehr Raucher zu den verbilligten Schmuggelpackungen greifen, als zu den teuren Päckchen am Kiosk? Ein Teufelskreis, der ohne Überwachung am Zoll und anderen Maßnahmen nicht beendet werden kann. Was natürlich wieder finanziert werden muss und weitere Steuererhebungen nach sich ziehen könnte.

Dass die Tabakindustrie mit der Kampagne aber vor allem ihre guten Gewinne schützen will, verschweigen die Raucher-Lobbyisten. Über die Befürchtungen von Herrn Schenk machen sich die Mitarbeiter im "My News Point"-Kiosk bislang noch keine Gedanken. Sie tragen die T-Shirts freiwillig. Vor einen Karren fühlen sie sich nicht gespannt. Ihr Geschäft läuft jedenfalls gut. Und eins ist sicher: Deutschland wird weiter rauchen. Mit illegalem oder legalem Qualm.

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