Andere Wende

Essay Die DDR-Geschichte wird noch immer so erzählt, dass sich neun von zehn Menschen nicht darin wiederfinden. Wie lebten sie? Eine Erinnerung
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 34/2017

Wenn ich meine Mutter besuche, auf dem Friedhof in einem Berliner Vorort, bringe ich nie Blumen. Es macht keinen Sinn. Ihr Urnengrab ist ständig zugestellt: Rosen, Tulpen, Nelken und weiß ich was. Manchmal stehen auch kleine Blumentöpfe dort, wie man sie beim Discounter kaufen kann. Die werfe ich weg, ebenso wie die Schnittblumen, denn für gewöhnlich sind sie alle verwelkt – bis auf ein, zwei Sträuße, denen ich mit frischem Wasser Erste Hilfe leiste. Mutter ist bald zwei Jahre tot, mein Vater aber geht immer noch jeden Vormittag ans Grab und bringt Blumen – ohne aber die alten wegzunehmen. Er hat Demenz in einem relativ frühen Stadium. Als seine Frau starb, sah die Wohnung aus wie ihr Grab heute. Mein älterer Bruder und ich geben sei