Linke Akademiker reden jetzt von „Personen“: Aber der Mensch ist Mensch!

Kolumne Ob in Interviews oder im Freundeskreis unseres Kolumnisten: Statt von Menschen ist immer öfter im generischen Femininum von Personen die Rede. Gehts noch?
Ausgabe 33/2022

Der österreichische Arbeiterdichter Alfons Petzold (1882 – 1923) soll irgendwo geschrieben haben: „Es gibt so viele Leute auf der Welt und so wenig Menschen.“ Und ihrer, möchte man meinen, werden es immer weniger, zumindest in meiner links-akademischen Blase.

Die deutsche Ausgabe des Jacobin brachte vor einiger Zeit ein lehrreiches Interview mit der Historikerin Brigitte Studer über Reisende der Weltrevolution. Eine Globalgeschichte der Kommunistischen Internationale. In ihrem so betitelten, bei Suhrkamp erschienenen Buch erzählt die emeritierte Geschichtsprofessorin aus Bern von den Lebenswegen einer Gruppe von Berufsrevolutionären, die sich seit 1920 immer wieder an verschiedenen Orten begegnen. An dem Gespräch nicht uninteressant war eine stilistische Nuance: Der Interviewer Marcel Bois, in der Linkspartei Mitglied der Historischen Kommission, mied bei seinen Fragen konsequent das Wort „Mensch“.

Und auch aus den (womöglich redigierten) Antworten Brigitte Studers war der Mensch so gut wie verschwunden. Sie erwähnte ihn nur hier und da, von wegen: „Es mussten Menschen sein, über die man Quellen und Forschungsliteratur finden kann …“ Ansonsten aber war durchgehend von Personen die Rede.

Marcel Bois spricht von „Personen, die in den 1920er Jahren für die Kommunistische Partei Deutschlands gearbeitet haben“. Das Buch der Kollegin handle „von rund zwei Dutzend Einzelpersonen“ und auch der Berliner Medienmacher Willi Münzenberg sei „eine solche Person“ gewesen. Und das war er ganz sicher. Der Kommunist Münzenberg war aber auch jemand, der mit einer populären Sprache ein Massenpublikum erreicht hatte, wie Bertolt Brecht. „Und weil der Mensch ein Mensch ist …“

Auch mein linker Freundeskreis redet immer öfter von Personen – so ganz im generischen Femininum. Vielleicht wird es Zeit, an den Unterschied von Mensch und Person zu erinnern. Die Stasi hat ja in ihren Akten nicht ohne Grund fast immer nur von Personen geschrieben. Für die Täter fühlte sich die „Zersetzung“ einer Person nicht so schlimm an wie die eines Menschen.

Die Deklaration der Menschenrechte am 10. Dezember 1948 war ein historisches Ereignis! „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Herbert Grönemeyer nannte sein bestes Album nicht „Person“. „Und der Mensch heißt Mensch, / weil er erinnert, weil er kämpft / und weil er hofft und liebt, / weil er mitfühlt und vergibt …“

Und übrigens: In der Ukraine sterben Menschen.

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Geschrieben von

Karsten Krampitz

Historiker, Schriftsteller

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