Der Sohn von Willy Brandt will Frieden, aber zu welchem Preis?

Meinung Peter Brandt hat, zusammen mit anderen SPD-Prominenten, einen Friedensappell an Bundeskanzler Olaf Scholz gerichtet. Das mag gut gemeint sein, verkennt aber die Realität des Krieges in der Ukraine
Ausgabe 15/2023
Der Sohn von Willy Brandt will Frieden, aber zu welchem Preis?

Foto: Imago/Bild13

In einem jüdischen Witz fragt ein junger Mann seinen Rabbi, ob es demnächst Krieg geben wird. „Krieg nicht“, sagt der Gelehrte, „aber einen solchen Kampf um den Frieden, dass kein Stein auf dem anderen bleibt.“ Ein bisschen wie in der Gegenwart, die als Witz nicht mehr taugen will.

Angst war noch nie ein guter Ratgeber. Wer Angst hat, ist manipulierbar, beherrschbar. „Aber die Welt darf nicht in einen neuen großen Krieg hineinschlittern“, heißt es im neuen Friedensappell an Kanzler Olaf Scholz, den dieser Tage etliche SPD-Prominente unterschrieben haben.

Im Unterschied zu Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer fordern sie kein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine. Deutschland möge aber gemeinsam mit Frankreich versuchen, die Länder Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen. Das Ziel: ein Waffenstillstand als Voraussetzung für Verhandlungen. Und vielleicht könnte man ja mit Putin einen Vertrag abschließen? Warum ist bloß niemand vorher auf diese Idee gekommen?

Grund zur Furcht, aber nicht zur Angst

Initiator des Papiers ist Peter Brandt. Der emeritierte Geschichtsprofessor und Sohn des früheren Bundeskanzlers argumentiert dabei merkwürdigerweise gar nicht historisch. Verständlich: Das Münchner Abkommen von 1938 war auch keine Erfolgsgeschichte. Die Appeasement-Politik des Westens hat den Weltfrieden nicht gerettet. Als Hitler damals der Tschechoslowakei die Staatlichkeit absprach, hätte er noch gestoppt werden können.

Heute spricht wieder ein Diktator in Europa einem anderen Staat das Existenzrecht ab. Mit dem Unterschied, dass vielen Menschen, wie im Aufruf geschrieben steht, vor dem „Schatten eines Atomkrieges“ graut. Dieser Schatten sollte ein Grund zur Furcht sein, aber nicht zur Angst.

„Der Krieg“, definiert Carl von Clausewitz, „ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.“ Auch die Unterzeichner des neuen Appells an Scholz müssen sich die Frage gefallen lassen, inwieweit sie dem Willen Wladimir Putins entgegenkommen. Das Völkerrecht achten und gleichzeitig mit dem Aggressor eine Übereinkunft treffen – wie soll das gehen? Überhaupt: Frieden ohne Gerechtigkeit? Wenn Putin für Mord und Terror auch noch mit Bodengewinn belohnt wird, ist das die Einladung an alle Diktatoren dieser Welt, seinem Vorbild zu folgen (Stichwort: Taiwan). Außerdem würde die Ukraine einem solchen „Frieden“ nie ohne Sicherheitsgarantien aus dem Westen zustimmen. Der russische Militarismus wäre damit nicht verschwunden, beim nächsten Angriff aber wäre Deutschland dann eine Kriegspartei.

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Geschrieben von

Karsten Krampitz

Historiker, Schriftsteller

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