Kurt Eisner statt ein Kreuz

Berliner Stadtschloss Die Losung auf der Kuppel soll nach Wunsch der FDP ständig wechseln. Wir hätten da ein paar Ideen
Ausgabe 48/2020
Finale Arbeiten an der Kuppel des Berliner Stadtschlosses
Finale Arbeiten an der Kuppel des Berliner Stadtschlosses

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Zum Nach- und Ersatzbau des Berliner Stadtschlosses ist, mit Karl Valentin gesprochen, lange schon alles gesagt – nur noch nicht von allen. Seit dem Sommer harrt im Kulturausschuss des Bundestags ein FDP-Antrag seiner Beratung. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, den umstrittenen Kuppelspruch der Gegenwart anzupassen. Unter Kreuz und Kranzgesims steht wie in alten Zeiten: „Es ist in keinem anderen Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind.“ – Verse, die der Preußenkönig mal aus irgendwelchen Bibelstellen zusammenmontiert hatte. Die Antragsteller von der FDP sehen darin eine Machtgeste des damaligen Herrschers.

Ob Berlin tatsächlich eine Stadt der Toleranz sei, fragte mit Blick auf die Kuppel unlängst Andreas Nachama in der Jüdischen Allgemeinen. Eine Stadt, „in der Christen, Juden, Muslime, Religionslose und Religionskritiker friedlich nebeneinander leben? Eine Stadt, in der ein ,House of One‘ entsteht, wo Juden, Christen und Muslime – jeder in seiner Tradition, aber doch unter einem Dach – auf Augenhöhe respektvoll miteinander umgehen?“ Nachamas Antwort: „Nein. Berlin ist eine Stadt, die offenbar weiter mit der Vorstellung lebt, dass allein Kreuz und Christentum glückselig machen.“ Das mag stimmen, gäbe es nicht die FDP!

Nach Vorstellung der Liberalen soll der Hohenzollernspruch an der Kuppel „durch wechselnde, dem Kontext des weltoffenen Humboldt-Forums entsprechende Texte ersetzt werden“; die Bundesregierung möge dafür einen Wettbewerb ausschreiben. Was für eine Idee: Monat für Monat ein neues Spruchband an der Schlosskuppel!

Zum Gebäude passen würde die Offenbarung, Kapitel 3, Vers 16: „Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien ...“ Vielleicht auch Matthäus, Kapitel 13, Vers 13: „Mit sehenden Augen sehen sie nichts; mit hörenden Ohren hören sie nichts – denn sie verstehen es nicht.“

Oder mal ganz was anderes: „Gott ruft zur Heimstätte des Friedens ...“ (Sure 10, Vers 25). Im Monat darauf dann ein Zitat des unvergessenen Matthias Beltz: „Die einen sagen, dass Gott existiert, die anderen, dass Gott nicht existiert. Die Wahrheit wird, wie so oft, in der Mitte liegen.“

Und warum nicht mal die Namen der 29 Matrosen auflisten, die am 11. März 1919 von faschistischen Freikorps ermordet wurden, nachdem man sie zum Löhnungsappell ohne Waffen ein paar Straßen weiter in einen Hinterhalt gelockt hatte. Im Stadtschloss hatte die Volksmarinedivision ihr Quartier, das sie Weihnachten 1918 auch zu verteidigen wusste.

Und selbstredend gehört Karl Marx an die Kuppel: „Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes.“ Wobei Opiumseinerzeit als Schmerzmittel gehandelt wurde, das sich nur die Reichen leisten konnten.

Dem menschlichen Bedürfnis nach Transzendenz schenkten Karl Marx und Friedrich Engels keine größere Aufmerksamkeit. Von daher käme der Vorschlag von Simone Barrientos, die für die Linkspartei im Kulturausschuss des Bundestages sitzt, gerade recht. Warum nicht ein Kurt-Eisner-Zitat an der Kuppel des Stadtschlosses in Berlin? Der spätere bayrische, jüdische und sozialistische Ministerpräsident Kurt Eisner habe im Jahr 1908 in einem Vortrag gesagt: „Das Christentum hat mit der Todesangst dem Menschen das ganze Leben vergällt.“

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Geschrieben von

Karsten Krampitz

Historiker, Schriftsteller

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