An unserem letzten Tag in Busan haben wir – als Gäste der Sektion Bildende Künste der hiesigen Universität – insgesamt vier Ausstellungen moderner Kunst besucht, darunter zwei Sammelausstellungen mehrerer Studentinnen. Zur Vernissage werden hier noch richtig Häppchen gereicht und Wein ausgeschenkt. Feine Sache. Was mich ein wenig irritiert: Die Künstlerinnen sehen alle extrem gut aus, um nicht zu sagen richtige Stilikonen. Einige tragen Business Look, andere sind im Lederoutfit hier. Makeup, Frisur: alles perfekt. Und natürlich darf auch der berühmte Augenaufschlag nicht fehlen. Um es kurzzumachen: Ich denke, dass die wirklich gute Kunst nicht von schönen Menschen kommt, und hier sind alle schön. In der Kunst ist es wie in der Liebe: die Dicken und die Hässlichen geben sich einfach mehr Mühe, strengen sich mehr an. Und Fakt ist, denen fällt auch mehr ein! Toulouse-Lautrec hätte ohne seine Krankheit nicht diese wunderbaren Bilder malen können. Aber vielleicht habe ich auch einfach keine Ahnung, egal. Ein Brutkasten mit einem Hologramm drin: witzig. Eine vergitterte Zelle mit einem Hund auf der Leinwand, der gequält wird, dazu weint ein Kind: in Korea wohl ein Thema. Gestaunt haben wir, als die Laudatio ein recht großer, etwas älterer Mann hielt, der keine Hände hatte, sondern Pranken. So stellt man sich in Deutschland keinen Kunstprofessor vor. Später dann beim Essen wurden wir einander vorgestellt. Überraschung: Er ist gar kein Prof bei den Künstlern, sondern Sportprofessor – Ha Hyoung Zoo, seines Zeichen Judo-Olympiasieger im Halbschwergewicht von 1984 in Los Angeles. Aus verwaltungstechnischen Gründen sind an der Universität in Busan die Fakultäten Sport und Bildende Künste zusammengelegt zum College of Art and Physical Education – und Professor Ha ist der Dekan. Immer wieder haben wir miteinander angestoßen. Bei der Gelegenheit sind wir auch auf Olympia ‘84 zu sprechen gekommen. Ulf und ich haben ihm gratuliert, selbstredend aber darauf hingewiesen, dass er nur gewonnen hat, weil die Deutsche Demokratische Republik die Wettkämpfe damals boykottiert hat. Darauf lachte er laut und erzählte von einem deutschen Judoka namens Günther, den er immer wieder auf die Matte geworfen hat. Erfolgreiche Sportler finden ja schnell einen Draht zueinander, auch wenn es mit der Sprache hapert. Was viele Menschen in Korea nicht wissen, Ulf Wrede war einmal DDR-Meister im „100 Meter Flossenschwimmen ohne DTG (Drucklufttauchgerät)“.
Auf dem Weg in die Karaoke-Bar zeigte der Professor auf die Polizeistation. Vor vielen, vielen Jahren hätten die Beamten dort versucht, ihn im volltrunkenen Zustand festzunehmen. Es kam wohl zu Übergriffen. Im Revier lagen dann mindestens drei Polizisten auf dem Rücken. Erst jetzt hätten die Ordnungshüter begriffen, wen sie da festsetzen wollten und ließen ihn frei.
In der „Live-Karaoke-Pianobar“ haben sie fast nur koreanische Schlager gespielt. Professor Ha Hyoung Zoo war gut bei Stimme und offenbar nicht das erste Mal hier. Auch wir versuchten uns: Nat King Cole „When I fall in Love“, Ulf begleite mich am Flügel. (Das Lied habe ich meiner Liebsten daheim gewidmet.) Dass wir vom Publikum Standing Ovations bekamen, überraschte uns nicht. Als Künstler wissen wir um unser Können.
Was für ein schöner Abend! Morgen geht’s nach Seoul.
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