Schulen, hieß es dieser Tage oft, haben außer ihrem Lehr- auch einen Bildungsauftrag. Darum sei ja Präsenzunterricht so wichtig, denn lernen ist mehr als pauken. Soziale Kompetenzen wollen heranwachsen, Talente sich entfalten. Demokratie braucht Bildung.
Die Klasse 9b der Europaschule im Vorpommerschen Ahlbeck hatte kürzlich Wandertag. Aber weil die Museen zurzeit geschlossen sind, kam ein Museumspädagoge zu den Kids: Herr Brümmel aus Peenemünde.
Ein Team um den Raketeningenieur Wernher von Braun hat dort zur Nazizeit an der berüchtigten „Wunderwaffe“ geschraubt, die den Zweiten Weltkrieg in letzter Minute noch wenden sollte. Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge würden, so war der Plan, Raketen fertigen, die töten und in Trümmer legen, was in Europa noch nicht gestorben und vernichtet war. So könnte man ihn doch erringen, den Endsieg, dank deutscher Ingenieurkunst. Bekanntermaßen kam es anders. Das Peenemünder Museum hegt nun den Nachlass.
Herr Brümmel erscheint in Ahlbeck. Mit ihm eine Journalistin der Rostocker Ostsee-Zeitung. Und was nun abgeht, bezeichnet der Museumspädagoge als Pilotprojekt. Die 14-, 15-Jährigen lernen zunächst: Ein Zeichner aus Brauns Team hat in der Peenemünder Waffenschmiede auf Versuchsraketen gern Bilder gemalt, meist nackte Frauen, manchmal protzige Muskelmänner. Tail Art, „Schwanzkunst“, nennt der Militär solche Verzierungen. Ein letzter Gruß an den Feind, bevor der totgeht. Die Wunderwaffe als Sexbombe. Herr Brümmel zeigt Beispiele.
Die Jugendlichen, so eingestimmt, sind nun bereit, selbst tätig zu werden im Peenemünder Geist. „Erst fand ich es komisch, dass wir das zeichnen sollen“, wird ein Schüler im Artikel zitiert. Aber er hat dann doch eine von einer Rakete durchbohrte britische Flagge gemalt, und am Rand des Blatts grüßt ein Hakenkreuzfähnchen. Ein Hakenkreuz? „Die Schüler haben gefragt, ob sie es verwenden dürfen“, sagt der Museumspädagoge. „Ich habe keine Denkgrenzen gesetzt.“ Denkgrenzen? Welches Denken meint der Pädagoge, das er nicht begrenzen, sondern fördern will? Man wünscht sich, der Klassenraum würde mal kräftig durchgelüftet! Doch nein. Allen Verantwortlichen ist’s egal. Die Lehrerin stößt keine Diskussion an, wenn ihre Kids verfassungsfeindliche Symbole kritzeln. Und die Journalistin protokolliert gedankenlos. Ganz im Heute stehe, meint sie etwa, die Zeichnung einer Schülerin, auf der ein Astronaut per Reißverschluss das Weltall öffnet und „ein bunter Schriftzug verkündet: We need more space!“. Offensichtlich weiß die Schülerin von Hitlers Ruf nach mehr Lebensraum im Osten. Die Ostsee-Zeitung hat noch nie davon gehört, erklärt ihren journalistischen Bankrott. Und die Frage stellt sich: Welche Leserschaft wird hier bedient?
„Erschüttert und fassungslos“ reagiert denn auch das Theater Vorpommern. Gibt es keine Instanz, wird in einem offenen Brief gefragt, „die angesichts solcher Vorgänge aufmerkt und ein Gespür dafür erkennen lässt, dass offenbar etwas eklatant in die falsche Richtung läuft?“.
Europaschulen wie die in Ahlbeck, heißt es beim zuständigen Ministerium, seien Schulen, die ihr Profil in besonderer Weise europaorientiert ausrichten. Im Wahlbezirk Usedom, wo bei der letzten Landtagswahl 2016 AfD und NPD auf zusammen mehr als 36 Prozent der Wählerstimmen kamen, lehrt man Schüler*innen, wie man Raketen verschönt, die ausgerichtet sind „gegen Engeland“.
Kommentare 11
Ich bin fassungslos.
Immer wieder zeigt sich, wie die "Entschuldigungen" die Geisteshaltung noch deutlicher herausarbeiten: Aus dem Artikel: 'Zum Schulprojekt mit den Ahlbecker Schülern verweist [HTM-Kurator Philipp] Aumann auf den Auftrag des Lernangebots: „Die Schüler sollten der Raketenverzierung, die sie klar als verharmlosend und die Opfer des deutschen Angriffs- und Vernichtungskriegs sogar verhöhnend erkannt hatten, einen für sie angemessenen Entwurf entgegensetzen. Im Resultat verbildlichten viele Entwürfe den Gewaltakt des Deutschen Reichs gegen Großbritannien. Das dabei verwendete Hakenkreuz symbolisierte die aggressive und zerstörerische Macht, ist also in den Bildern klar erkennbar negativ belegt.“ ' - Einen für die Schüler angemessenen Entwurf entgegensetzen? Die Rakete statt mit Hakenkreuzen mit HippieBlümchen bemalen?Die Rakete selbst wird nur niedlicher, aber die Waffe selbst wird nicht in Frage gestellt. Es gibt keinen Entwurf der einer Vernichtungswaffe "angemessen" ist. Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen, aber wenn dann wenigstens mit netten Blümchenauf der Waffe? Dieses "historisch-technische Museum" ist ein Schandfleck, und die Versuche es in das kulturelle Leben einzubinden (Konzerte in der großen Halle etc.) ein Versuch die Geschichte verschwinden zu lassen. Es ist eine Schande für das Land und gehört dringend geschlossen. Die Museumsleitung selbst und ihre "Konzepte" gehören schleunigst auf den Prüfstand - dazu ist aber der MV-Verfassungsschutz sicherlich nicht in der Lage, eher der "Verband der Verfolgten des Nazi-Regimes und der Antifaschisten /VVN"
Klar, kann und sollte man sich darüber entsetzen.
Und wenn wir damit dann fertig sind bewaffnen wir unsere Drohnen und die werden natürlich nicht bemalt. Wir sind ja schließlich Humanisten!
Nein, ich denke, man sollte einfach das Unterrichtskonzept anpassen und die neuen Drohnen der Bundeswehr mit Blümchen verzieren. Und am besten noch 'nen "Nazis raus" Aufkleber drauf. Dann passt doch alles...
@ Fleeting Eternity
Noch besser würde ich finden, wenn man eins nicht gegen das andere stellt! Sondern eine nicht-militaristische Erziehung anstrebt. Stattdessen wird in dem beschriebenen Fall jeglicher Zusammenhang entpolitisiert. Man kann wieder stolz sein auf "deutsche Meisterleistung", egal wofür, gegen wen und auf den Knochen welcher Häftlinge.
Mein Kommentar und ich ddenke Fleeting Eternities auch waren (bitter) ironisch. Ich denke daher, dass wir da einer Meinung sind ...
Wenn es um Geschichte geht ... ist das Ländle ganz stark und schwach. Versager 1 und Versager 2.
Genauso ist es! Das war sarkastisch gemeint.
Ein Unterricht, der den Kindern die Vergangenheit über das Entwerfen von Raketendekorationen näher bringen will, ist verfehlt. Selbst ohne Hakenkreuze.Es gibt in diesen Land aber leider auch die Tendenz, den Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg verbal zu verdammen aber keinerlei Parallelen zum heutigen Militarismus sehen zu wollen. Darauf bezog sich mein Kommentar auch. Als Pazifist wird man mittlerweile nur noch als weltfrewmder Naivling wahrgenommen. Selbst der Einsatz für Abrüstung und eine aktive Friedenspolitik wird als unrealistisch abgewertet.
Wenn die Schüler Raketenbemalungen nachmachen sollen und von offensichtlich pädagogischen Idioten wie diesem Herrn Brümmel animiert werden, dann kommen natürlich Hakenreuze auf die Bilder. Raketenbemalungen als Unterrichtsstoff - was für Hohlköpfe lässt man in Ahlbeck auf die Schüler los?
Es sind eben keine Hohlköpfe, die sowas machen. Es sind Menschen wie du und ich. Auch ich bin nicht gefeit vor dieser Art der Versuchung. Vielleicht subtiler. "Kampf gegen Corona!", "Den Feind Corona zurückschlagen", "Ausgangssperre", "Anordnung" "nationaler Notstand"! Alles Kriegsgeschrei aus nicht fernen Zeiten. Fehlen nur noch Durchhalteappelle ala "wollt ihr die totale Coronavernichtung?" Da passt doch ein Kinderbild mit Flagge und Rakete gut dazu.
Das V2-Museum in Peenemünde war schon in den 90igen ein Wallfahrtsort für Nazis. Die Vorträge offen nationalistisch. Wernher von Braun ein großartiges Beispiel deutschen Genies, der ja mit Waffen eigentlich überhaupt nichts am Hut hatte. Ostzone halt.