Die ARD-Tagesschau eröffnete unlängst ihre Sendung mit einem Bericht über marode Bundeswehr-Kasernen im deutschen Westen. Das Geld für Sanierungen der Liegenschaften fließe seit 15 Jahren gen Osten, hieß es, die "alten Länder" seien abgehängt. Die Kamera hielt auf abgeschabte Stühle in den Unterrichtsräumen und auf ranzige Duschen - das schwäche die Kampfmoral, meinte ein Sprecher, und es folgte der Ruf nach mehr Geld.
Mich erinnerten die Bilder an bundesdeutsche Schulen, die ich kenne. Da fällt einem auch die Deckenfarbe auf den Kopf. Dort schwächelt die Lernmoral. So scheint also etwas dran zu sein an dem Lamento. "Ohne gefrühstückt zu haben" - hieß es schon bei den Alten Römern (und Gymnasiasten übersetzen gern falsch: ungefrühstückt) - "kann man in keinen Krieg ziehen."
Sollen also unsere sauberen Bürger in Uniform saubere Kasernen haben. Ich bin dafür!
Die Frage ist nur: Was kommt dann? Bestimmt kein Computerspiel. Denn nicht für die Schule lernen wir ja, sondern für das Leben. Seit die Bundeswehr von einer Verteidigungs- zur Einsatzarmee mutierte, sind ihre Aufgaben andere. Es geht wieder ins Feld.
Das Schöne: In heutigen Kämpfen scheint nicht mehr wirklich gestorben zu werden. Da gibt es grüne und rote Lämpchen auf den Schlachtfeldern und schicke Animationen, moderne Waffen erledigen moderne Aufgaben, kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Man fragt sich nur, wer eigentlich hinterher immer in den Zinksärgen liegt.
Wir kennen den Krieg nur aus der Literatur, aus Filmen. Haben Ludwig Renn gelesen - nein, den nicht. Aber Ernst Jünger vielleicht. Haben Platoon gesehen. Oder zumindest Mash. Was einen Soldaten in aktuellen Kampfeinsätzen wirklich erwartet, weiß kein amtierender deutscher Politiker, kein hier im Land Dienst schiebender Soldat.
Aber eines ist doch sicher. Wer sich waschen will, muss sich nass machen. Wer im Schlamm suhlt, wird hinterher dreckig sein. Es gibt keinen sauberen Krieg, so sehr es uns die Computeranimationen weismachen wollen. Blut ist rot, auch wenn man es auf den Bildschirmen grün färbt. Die Katze hat keine sieben Leben, da geht es ihr ganz wie uns Menschen.
Das hatten die Ausbilder des in Coesfeld stationierten Instandsetzungsbataillons erkannt, denen jetzt vor dem Landgericht Münster der Prozess gemacht wird. Sie wollten ihre Schützlinge - auch wenn das eigentlich nicht zum Programm gehört - bereits in der Grundausbildung mit dem konfrontieren, was später einmal, in einem Auslandseinsatz vielleicht, ihrer Ansicht nach auf sie zukommen könnte. Deshalb wurden im ersten und zweiten Quartal 2004 im Anschluss an Nachtmärsche die Rekruten von ihren Ausbildern überfallen und als Geiseln genommen, es sollte das Verhalten nach einer Gefangennahme und bei "Erpressung von Aussagen", sprich: Folter, geübt werden. Ein Schuss Schnitzeljagd-Fieber, Frust des Kaserniertseins, ein bisschen Lust an Unterdrückung und Randale - so wurde eins, zwei, fix aus der innovativen und "erlebnisorientierten", schlecht durchdachten Übung Menschenquälerei und ein handfester Skandal.
Doch weniger diese subjektive Verfehlung menschlich unreifer Ausbilder ist interessant, als das objektive Dilemma, in dem die Bundeswehr derzeit steckt. Sie frisst Kreide und schärft gleichzeitig ihre Krallen. Die Soldaten sollen brave, nette Landessöhne und gleichzeitig kriegsdiensttauglich sein. Das geht schlecht zusammen. Ich halte es für Heuchelei.
Die Nationale Volksarmee der DDR, erinnere ich mich, hatte ein ähnliches Problem. Sie war eine "Friedensarmee" an der Nahtstelle der feindlichen Systeme. Sie pflegte ein klares Feindbild, bemühte sich gar, Hass auf den Imperialismus zu predigen, und applaudierte jedem Abrüstungsvorschlag der Sowjets. Die Soldaten langweilte das Eine wie das Andere. Jeder sah ja mit eigenen Augen, dass die Technik und Bewaffnung teilweise liebevoll gepflegter Schrott waren. Man wusste, im Ernstfall würde man mit klapperndem Kochgeschirr und ungenügend trainiert an die Front geworfen. "Wir besiegen den Feind, weil er sich über uns totlacht", darin waren wir Soldaten uns immer einig. Konsequenterweise beteiligte sich denn die NVA auch Zeit ihres Bestehens an keinem einzigen Kampfeinsatz. Nicht einmal nach Prag ließ man sie im Sommer 1968 mitziehen, die Aktion Roter Kampfwagen blieb eine Übung auf DDR-Gebiet.
Der Sinn des Soldatseins in der DDR war ein anderer. Die Armee diente der Disziplinierung. Der männliche Teil des Volkes durchlief seinen aktiven Wehrdienst, um Unterordnung, Eingliederung, den Befehlsempfang zu lernen. Es hat, wie das Jahr ´89 zeigte, offenbar nicht funktioniert.
Die Bundeswehr dagegen will wirklich kämpfen. Sie will raus aus der Kinderstube, ran an den Feind. Noch hält sie dabei ein "freiheitliches Menschenbild" hoch, sucht nach einer "ethischen Begründung für soldatisches Handeln" und will ihre Soldaten einem "gewissensgeleiteten Gehorsam" unterwerfen. Fast könnte man meinen, dass eine Armee in Friedenszeiten gar nicht in der Lage ist, den Krieg zu lehren. Dass erst der Kampf selbst im Kämpfen unterrichtet - jene Unglücklichen zumindest, die die ersten Tage überleben.
Aber so gewissenlos kann die Bundeswehr doch nicht handeln wollen? Ich denke, man wird sich entscheiden müssen. Wenn wir in Zukunft öfter mal ausrücken wollen aus unseren hoffentlich bald wieder hüben wie drüben renovierten, gut geheizten Kasernen, sollten wir uns etwas wärmer anziehen. Was soll sonst aus all den Kriegen werden, die wir noch führen wollen? Nicht, dass wir sie am Ende gar verlieren. Der Feind nämlich, das wusste schon Ernst Jünger zu berichten - der Feind fackelt nicht lang.
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