Dem Propheten gleich

AFGHANISTAN Der talebanische Bildersturm führt einen hilflosen Westen vor

Nur Allah, der Allmächtige, verdient es, angebetet zu werden, niemand und nichts anderes." So begründen die Taleban die Zerstörung der zwei ältesten Buddha-Statuen der Welt. Nun beten Buddhisten zwar keine Statuen an, aber woher sollen die Taleban das auch wissen. Muhammad Omar, der Emir von Afghanistan, sieht jedenfalls eine direkte Parallele zum götzendienerischen Mekka. Schließlich habe auch der Prophet Mohammed die Götzen zerstört, als er das heidnische Mekka eroberte. Da war er nicht der einzige. Unzählige religiöse Symbole wurden im Laufe der Jahrhunderte von den Anhängern anderer Religionen zerstört. Eine Eigenart des Islam ist die Bilderstürmerei sicherlich nicht.

Würde man der Auffassung der Talban folgen, dann müssten auch alle anderen Tempel und Statuen, die sich in der islamischen Welt befinden, dem Erdboden gleichgemacht werden. Die islamischen Bruderländer vertreten da aber zum Glück eine andere Haltung als die Taleban. Sie verstehen sich gleichsam als Hüter der vor-islamischen Kunst. Ägypten, Iran, Türkei, Syrien, Jordanien. Sie alle gelten als die klassischen Länder der Archäologie. Kein Wunder, dass auch sie Einspruch erhoben. Der Mufti von Ägypten erklärte, die Existenz der Buddha-Statuen würde die Gefühle der Gläubigen nicht verletzten. An vorderster Front verurteilte auch die nicht gerade als wenig fundamentalistisch verschrieene Islamische Republik Iran die Zerstörungswut.

Aber wenn sie es wirklich dem Propheten gleichtun wollen, wieso haben die vermeintlichen Gotteskrieger die Statuen dann erst jetzt zerstört? Gedroht hatten sie mit diesem Schritt nämlich bereits 1997. Die Erklärung lieferte der Außenminister der Taleban. Ihr Bemühen um normale Beziehungen zum Ausland sei der einzige Grund gewesen, die Statuen nicht zu zerstören. Aber mit der Verschärfung der UN-Sanktionen im Januar habe sich das erledigt (s. Freitag, 7/2001).

Wenn die Taleban mit ihrer Aktion Unbeugsamkeit demonstrieren wollten, dann ist es ihnen gelungen. Die internationale Staatengemeinschaft hat ohnedies nur begrenzte Möglichkeiten zur Einflussnahme. Außer freundlichen Appellen und Kaufangeboten kann sie wenig tun. Eine andere Alternative wäre ein militärischer Einsatz. Wie wenig das allerdings bringt, führt uns der Fall Irak in diesen Tagen wieder eindrucksvoll vor Augen. Oder die UNO kürzt die humanitäre Hilfe. Aber von dieser Hilfe leben zwei Millionen Menschen, und den Taleban scheint es ohnehin recht egal zu sein, wenn es der Bevölkerung noch schlechter als jetzt geht. Die dritte Alternative? Wir Kunstliebhaber stellen uns vor die Bulldozer, mit ausgebreiteten Armen, um die Statuen zu schützen. Aber erstens hat niemand Zugang zu dem Gebiet, in dem sich die Statuen befinden, und zweitens würde auch das die Machthaber in Kabul herzlich wenig beeindrucken.

Die internationale Staatengemeinschaft kann also eigentlich nur hinnehmen, was da geschieht in Afghanistan. Aber vielleicht könnte sie sich zum Eingeständnis einer verfehlten Politik durchringen. Es gäbe die Taleban nicht, wenn die Vereinigten Staaten nicht die islamistischen Mudschahedin als Kampftruppe gegen die sowjetischen Besatzer Afghanistans aufgebaut hätten. Und noch etwas. Beim Bildersturm kommt der Aufschrei. Aber wenn afghanischen Flüchtlingen in Deutschland kein Asyl gewährt wird mit der Begründung, es würde keine staatliche Verfolgung vorliegen, weil niemand Afghanistan als Staat anerkannt habe, dann kommt er nicht. Man muss nicht soweit gehen, zu behaupten, die Welt würde nur aufgerüttelt, wenn es um ein paar Steine geht, Menschenleben hingegen interessierten nicht. Das Argument, es gehe um den symbolischen Akt, der hinter der Zerstörung steht, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber andererseits?

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