Ein Mönch vieler Herren

Burma Der buddhistische Hassprediger Wirathu macht gegen die muslimische Minderheit mobil und schadet der jungen Demokratie

Eigentlich lautet sein Name Wirathu. Er hat jedoch auch nichts dagegen, der „burmesische Osama bin Laden“ genannt zu werden. Wie jener sorgt er als buddhistischer Mönch für religiöse Zwietracht und ruft dazu auf, sich gegen die Andersgläubigen zur Wehr zu setzen – gegen die burmesischen Muslime eben. Damit sie ihre Wirkung nicht verfehlen, verbreitet der ganz in Gelb gekleidete 45-jährige Prediger seine Auftritte regelmäßig via DVD und durch soziale Netzwerke. Er warnt vor Muslimen, die „es auf unschuldige und junge burmesische Mädchen abgesehen haben und sie vergewaltigen“.

Für Ohren, die nicht an das Burmesische gewöhnt sind, klingen seine Beschwörungen alles andere als hysterisch, sondern eher so, als würde Wirathu in Trance zu seinen Glaubensbrüdern reden. Während einer Meditation wiegt er sich mit niedergeschlagenen Augen hin und her, sinkt in sich zusammen, richtet sich wieder auf, als sei ihm dieser Rhythmus eine gottgegebene Obsession. Übersetzt man freilich seine fast zärtlich hingehauchten Worte, wird klar, wie mit einem Gemisch aus Paranoia, Angst, rassistischen Stereotypen und Gerüchten Gewalt, Lüge und religiöser Hass verbreitet werden. „In jeder Stadt werden wir von ihnen vergewaltigt. In jeder Stadt werden wir von ihnen sexuell belästigt. Überall rotten sie sich zusammen und bedrängen uns“, insistiert Wirathu in seinem Heimatkloster Masoeyein in Mandalay. „In jeder Stadt gibt es eine primitive und grausame muslimische Mehrheit.“

Man könnte ihn als durchgedrehten Glaubensfanatiker mit militanten Ansichten abtun, wäre Wirathu nicht so beliebt, dass sich seine Anhänger darum reißen, seinen Predigten zu lauschen. Er ist in seinem Kloster der Vorsteher für fast 2.500 Mönche und hat auf Facebook Tausende von Followern. Seine Youtube-Videos werden zehntausendfach angesehen und weitergegeben.

Nationalistische Kampagnen

Dass mit der Öffnung und Demokratisierung des Staates Burma, der einst strenger Kontrolle durch eine Militärjunta unterstand, eine antimuslimische Welle durch die etwa 60 Millionen Menschen zählende buddhistische Community schwappt, ist zu einem nicht geringen Teil Wirathus Verdienst. Ende 2001 trat er erstmals mit einer nationalistischen Kampagne zum Boykott muslimischer Geschäfte in Erscheinung. 2003 wurde er wegen Volksverhetzung zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, kam jedoch 2010 dank einer Generalamnestie wieder frei. Danach hat der Eiferer genau dort weitergemacht, wo er zuvor aufhören musste. Viele glauben, dass seine Predigten der Auslöser für die Zusammenstöße zwischen Buddhisten und der muslimischen Volksgruppe der Rohingya waren, bei denen im Juni 2012 im Distrikt Rakhaing über 200 Menschen starben und mehr als 100.000 vertrieben wurden. Im September 2012 veranstaltete Wirathu im Kloster Mandalay ein Meeting, bei dem er den umstrittenen Plan von Präsident Thein Sein verteidigte, die Rohingya des Landes zu verweisen. Einen Monat später kam es im Raum Rakaing erneut zu Gewalt, als der Streit zwischen Buddhisten und Muslimen bei einem Goldschmied eskalierte und in eine Orgie aus Panik, Plünderung und Pogrom ausartete. 40 Menschen wurden getötet, etwa 13.000 mussten fliehen, die meisten von ihnen Muslime. Die Lunte war gelegt. Im ganzen Land wurden Moscheen, Geschäfte und Häuser in Brand gesteckt.

Wie Wirathu erzählt, rührten seine Ressentiments gegenüber gläubigen Muslimen zum Teil daher, dass einst in Burma buddhistische Frauen gezwungen worden seien, zum Islam überzutreten, um danach umgebracht zu werden, weil sie sich nicht an die islamischen Gebote zu halten vermochten. Wirathu glaubt, dass die islamisch korrekte Art, Rinder zu schlachten – halal genannt –, „eine Vertrautheit mit Blut“ zulasse, die so weit gehe, „dass es den Weltfrieden bedroht“.

Um das zu verhindern, startete er eine nationalistische „969-Kampagne“, die Buddhisten dazu auffordert, ihre Häuser und Geschäfte mit Zahlen zu kennzeichnen, die mit der buddhistischen Lehre in Verbindung gebracht werden. Wer das tut, bezieht sich auf die neun Eigenschaften Buddhas, die sechs Kennzeichen seiner Lehre und die neun Merkmale, die der buddhistischen Ordnung anhaften. Offenbar dient die Kampagne dem Zweck, Burma in einen Apartheidsstaat zu verwandeln, der Muslime wie Parias behandelt.

Es liegt in der Logik einer grotesken Verblendung, dass Wirathu für den Tsunami der Gewalt, der Burma in den letzten Wochen geflutet hat, allein Muslime verantwortlich macht, obwohl nur fünf Prozent der Bevölkerung zu dieser Glaubensgemeinschaft zählen. Burmesische Muslime würden von Glaubensbrüdern am Golf finanziell ausgehalten, gibt sich Wirathu überzeugt. „Die Muslime in unserem Land sind roh und grausam, denn sie werden von Extremisten angeleitet und können auf deren Beistand rechnen.“

Nicht alle Buddhisten teilen Wirathus Furor. „Er neigt ein wenig zum Fanatismus“, sagt Abbot Arriya Wuttha Bewuntha vom Myawaddy-Sayadaw-Kloster in Mandalay. „Fanatismus widerspricht der Lehre Buddhas. Der hat gelehrt, dass Hass unser Leben vergiftet. Für ihn sind alle Wesen gleich. Buddha sieht die Menschen nicht durch eine religiöse Brille.“ Unter der Hand deutet Abbot Arriya Wuttha Bewuntha an, Wirathus mangelnde Bildung könnte ein Grund für seine Tiraden sein. Vielleicht könne man seinen Extremismus mit Unwissenheit erklären. Doch was ändert ein solcher Befund daran, dass Wirathus Demagogie in einem Land verfängt, in dem Muslime oft erfolgreiche Geschäftsleute und deshalb verhasst sind?

Geboren wurde Wirathu 1968 als zweites von acht Kindern in einer Stadt in der Nähe von Mandalay. Er ging nur bis zu seinem 14. Lebensjahr zur Schule. Dann wurde er zunächst Bettelmönch, um „ein Leben voller Habgier und Boshaftigkeit“ hinter sich zu lassen. „Ich kannte meine Mission und wollte nie mit einer Frau zusammen sein. Ich hatte nie vor zu heiraten“, erzählt er über sich. Er habe den Koran gelesen und zähle Muslime durchaus zu seinen Freunden. „Aber unser Kontakt ist nicht allzu eng, weil diese Freunde nicht wissen, wie man mit einem buddhistischen Mönch redet. Ich kann ihre Freundschaft nur dann akzeptieren, wenn sie mich als einen bedeutenden und angesehenen religiösen Führer respektieren.“

Obwohl er wegen Aufhetzung und Störung der öffentlichen Ordnung im Gefängnis saß, verlieh Sasana Ramsi, das wichtigste burmesische Kloster und damit eine Instanz, Wirathu im Februar eine Auszeichnung, die sein Eintreten für „Religionsfreiheit“ würdigen sollte. Das war nichts anderes als eine Verhöhnung der Muslime. Noch in der gleichen Woche verbreitete der Geehrte das Gerücht, dass eine Schule in Rangoon zu einer Moschee umgebaut werden solle. Das zeige, weshalb man sich gegen Muslime zur Wehr setzen müsse.

Verkohlte Trümmer

Analysten warnen – Wirathus offenkundige Freiheit, Zwietracht säen zu dürfen und der Einfluss, den er auf andere Mönche habe, sollten für den Rest der Welt ein Warnsignal sein. „Würde eine vergleichbare Bewegung wie 969 in Burma sich gegen jüdische Gemeinden in Europa wenden – es gäbe dort keine Regierung, die Derartiges tolerieren würde“, meint der burmesische Aktivist Maung Zarni, Visting Fellow an der London School of Economics. „Warum nimmt das die Europäische Union in einem Land nicht ernst, das große Summen an Hilfsgeldern von erhält und gerade jetzt wegen seiner Demokratisierung gelobt wird?“ Maung Zarni bemängelt, dass sich sowohl Staatschef Thein Sein als auch Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi nicht entschieden gegen die Gewalt wenden, unter der Burma seit Monaten zu leiden habe. Man wisse doch, dass viele Angriffe auf Muslime genau geplant waren. Vijay Nambiar, der UN-Sondergesandte für Burma, räumt unumwunden ein, die Gewalt sei von „brutaler Effizienz“ und werde „durch eine aufhetzende Propaganda“ ausgelöst.

Vor Kurzem verteilten buddhistische Multifaith-Aktivisten in Rangoon bei einem Protestzug gegen die Gewalt T-Shirts und Aufkleber mit dem Spruch „Es soll meinetwegen keine ethnischen oder religiösen Konflikte geben“. Sie standen unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Moschee in einem Vorort der Millionenstadt. Das Gebäude brannte aus, und als man die verkohlten Trümmer durchsuchte, wurden die Leichen von 13 Kindern entdeckt. Der Verdacht einer gezielten Brandstiftung lag in der Luft. Kurz zuvor waren in Indonesien acht Buddhisten von Rohingya-Muslimen in einem Gefängnis zu Tode geprügelt worden – offenbar aus Rache für sexuelle Übergriffe, die buddhistischen Arrestinsassen zur Last gelegt wurden.

Es gibt Gerüchte, dass in Burma diejenigen, die zu Gewalt gegen Muslime anstiften, von den Generälen der burmesischen Armee instrumentalisiert werden, um eine noch unreife und amorphe Demokratie zu destabilisieren. Wirathu behauptet natürlich, auf eigene Rechnung zu arbeiten: „Das sind meine Ansichten. Von wem sollten sie sonst sein? Ich will, dass die Welt von ihnen erfährt.“ Die „Bevölkerungsexplosion bei den Muslimen“ könne nur eines bedeuten: „Sie werden schließlich unser Land übernehmen. Wir müssen also in die Schlacht ziehen. Wenn wir die einmal gewonnen haben, werden wir uns andere muslimische Ziele suchen, die wir angreifen.“

Kate Hodal ist Südostasien-Korrespondentin des Guardian Übersetzung: Holger Hutt

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