Ukrainekrieg und Corona: Frieren für den Frieden und frieren für die Gesundheit

Vergleich Gerade noch war Pandemie. Dann begann der Krieg. Ein Vergleich beider Diskurse – mit Blick auf Masken und Panzer, Querdenker und Pazifisten, Virologen und Militärstrategen
In Dortmund sitzen Kinder bei offenem Fenster mit Jacken, Mützen und Handschuhen im Unterricht (Archivbild)
In Dortmund sitzen Kinder bei offenem Fenster mit Jacken, Mützen und Handschuhen im Unterricht (Archivbild)

Foto: Ina Fassbender/AFP/Getty Images

In der Corona-Zeit war das Ziel, den Krieg gegen das Virus zu gewinnen, notfalls auch mit Russland. In der Ukraine-Krieg-Zeit ist das Ziel, dass Russland den Krieg verliert, notfalls auch gegen das Virus.

In der Corona-Zeit war ein Schuft, wer den Mund-Nasen-Schutz nur am Kinn trug, und nicht über der Nase. In der Ukraine-Krieg-Zeit ist ein Schuft, wer nur Panzerfäuste schicken will, und keine Panzer.

In der Corona-Zeit war „rechtsaußen“, wer die Milliardenausgaben für Tests hinterfragte. In der Ukraine-Krieg-Zeit ist „rechtsaußen“, wer die 100-Milliarden-Aufrüstung hinterfragt.

In der Corona-Zeit sollte man ständig lüften und für die Gesundheit frieren. In der Ukraine-Krieg-Zeit soll man ständig sparen und für die Freiheit frieren.

In der Corona-Zeit war „Querdenker“, wer sich nicht impfen lassen wollte. In der Ukraine-Krieg-Zeit ist „Querdenker“, wer nicht vom Frieden lassen will.

In der Corona-Zeit haben die Leute in den sozialen Medien sich von denen entfreundet, die nicht ihre Meinung teilten. In der Ukraine-Krieg-Zeit fordern Leute ihre Freunde auf, sich von „Lumpenpazifisten“ zu entfreunden, andernfalls seien sie nicht mehr ihre Freunde.

In der Corona-Zeit war es politisch korrekt, für Pflegekräfte und genesene Patienten zu klatschen. In der Ukraine-Zeit ist es politisch korrekt, versenkte russische Schiffe und getötete Generäle zu beklatschen.

In der Corona-Zeit galt China vielen wegen seiner No-Covid-Strategie als Vorbild. In der Ukraine-Zeit wirft man China aus demselben Grund vor, die Weltwirtschaft zu schwächen.

In der Corona-Zeit riefen manche „Mehr Diktatur wagen!“, aus Solidarität mit den Schwächsten. In der Ukraine-Krieg-Zeit wird der russische Diktator zum neuen Hitler, aus Solidarität mit der Ukraine.

In der Corona-Zeit galt es als hilfreich, Angst vor Aerosolen zu haben. In der Ukraine-Krieg-Zeit gilt als feige, wer Angst vor Atombomben äußert.

In der Corona-Zeit haben sich viele gefreut, dass die Welt so vernetzt zusammengearbeitet hat. In der Ukraine-Krieg-Zeit stöhnen alle über die Globalisierung.

In der Corona-Zeit haben sich Familien über das Thema Corona zerstritten, in der Ukraine-Krieg-Zeit zerstreiten sie sich über das Thema Ukraine-Krieg (falls sie überhaupt noch miteinander reden).

In der Corona-Zeit gab es 40 Millionen Virologen. In der Ukraine-Zeit gibt es 50 Millionen Militärstrategen.

In der Corona-Zeit durfte man alles sagen, außer zu behaupten, dass man nicht alles sagen durfte. In der Ukraine-Krieg-Zeit darf man alles sagen, aber es ist so laut, dass niemand zuhört.

In der Corona-Zeit standen die täglichen Infektionszahlen unter Vorbehalt, wegen Wochenende und Feiertagen. In der Ukraine-Krieg-Zeit stehen die Opferzahlen unter Vorbehalt, wegen Propaganda und Falschinformationen.

In der Corona-Zeit haben fast alle Zeitungen dasselbe geschrieben, und wer darauf hinwies, galt als verschwörungsgläubig. In der Ukraine-Zeit fordern fast alle Medien mehr Waffenlieferungen, und wer darüber stutzig wird, muss putinistisch unterwandert sein.

In der Corona-Zeit galt es als solidarisch, demokratische Rechte einzuschränken, um „die Gesundheit“ zu schützen. In der Ukraine-Krieg-Zeit gilt als solidarisch, Soldaten beim Töten zu helfen, um „die Demokratie“ zu schützen.

In der Corona-Zeit wollte man um jeden Preis Leben retten und opferte dafür die Freiheit. In der Ukraine-Krieg-Zeit will man um jeden Preis „die Freiheit“ retten und opfert dafür Leben.

In beiden Zeiten gilt als moralisches Verhalten, Andersmeinenden die Moral abzusprechen. In beiden Zeiten ist daher der Meinungsaustausch ziemlich schwierig. Wenigstens etwas, woran man sich festhalten kann.

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Geschrieben von

Katharina Körting

Freie Autorin und Journalistin

2024 Arbeitsstipendiatin für deutschsprachige Literatur der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt

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