Ein Monarch im Ökodorf Brodowin: Was ich als dessen Kundin davon halte

Staatsbesuch In Brandenburg stellen König Charles und Gemahlin Camilla „Brodowiner Königskäse“ her – dort, wo meine Öko-Kiste herkommt. Was ich als Demokratin dazu sage
Der damalige Prinz Charles zu Besuch im Ökodorf Krummenhagen (1995)
Der damalige Prinz Charles zu Besuch im Ökodorf Krummenhagen (1995)

Foto: Jens Köhler/Imago Images

Dienstags kommt Brodowin. Und am Mittwoch kam der König. Die Öko-Kiste aus dem Brandenburger Dorf Brodowin (Barnim) bringt in aller Frühe ein Mensch im weißen Lieferwagen, vermutlich mit Mindestlohn bezahlt. Er hat abgearbeitete Hände und wohl eher rotes als blaues Blut. Das braucht er auch nicht, um die grüne (!) Box vor meiner Tür abzustellen, bevor er zu anderen Großstädtern weiterrast. Charles III. seinerseits kommt nicht im Lieferwagen, obwohl er bis vor Kurzem, gewiss eigenhändig, einen Biobauernhof in Gloucestershire bewirtschaftete. Denn die Landwirtschaft ist sein Hobby, er hat schon öfter deutsche Biohöfe besucht.

Deshalb will er auch, anders als andere Hauptstadtbesucher, kein Berliner werden. Nach einer Stippvisite in Bellevue reist er lieber direkt weiter ins Ökodorf Brodowin. Jedenfalls fast. Vorher trägt er sich noch im gar nicht mehr grünen und auch kaum noch Roten Rathaus ins Gästebuch ein. Und hält eine welt- oder zumindest klimabewegende Rede im Deutschen Bundestag. Schließlich hat man lästige Pflichten als Majestät, man kann nicht nach Herzenslust in der Erde rumbuddeln. Obwohl der Pionier der Nachhaltigkeit kürzlich Queen Elizabeth's geliebten Garten auf dem schlichten Landsitz House Sandringham umgrub. Alles für die Artenvielfalt.

Woker König Charles III.

Weniger umstürzlerisch wirkte schon die Pressevorschau für den „Staatsbesuch von König Charles III. und Königin-Gemahlin Camilla des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland in der Bundesrepublik Deutschland vom 29. bis 31. März“. Programmpunkte wie „Defilee Schloss Bellevue, Salon Luise“ oder „Begrüßung Schlosstreppe“, „militärische Ehren“, ließen befürchten, dass dieselben Nachrichtensprecherinnen, die zur langatmigen Beerdigung von Charles' Mutter Trauer trugen, ehrfürchtige Knickse machen dem Sohn gegenüber, im übertragenen Sinne. Zumal Charles durchaus als woke gilt und Greta Thunberg nahesteht.

Doch man fragt sich: Würde den Königsbesuch nicht auch eine Künstliche Intelligenz hinbekommen? Bildschirmfüllendes manikürtes Händeschütteln, ernsthaft-herzliche Mienen, große Worte und Gesten, gespielte Demut, dezent repräsentative Kleider der Damen am Hof und perfekt ondulierte Herrenfrisuren – schafft alles auch eine gewitzte Software. Stattdessen sind tagelange Brennpunkte zu erwarten – denn es ist ja wahr, die Erde brennt! Ein künstlich intelligenter Charles wäre definitiv besser fürs Klima. Aber es gibt einen wichtigen Grund fürs physische Repräsentieren. Der König der Herrenmode hat einen Termin in der Molkerei. Dort wird er den „Brodowiner Königskäse“ herstellen. Der „wird rund acht Wochen brauchen, um zu reifen“, informiert das Ökodorf auf seiner Webseite und soll „ein Emblem in Form einer Krone tragen und täglich von Hand gepflegt werden.“

Äpfel, Milch und Rote Bete

Eigentlich wäre es nun meine Bürgerinnenpflicht, mich über den Königsbesuch zu ereifern. Ich hatte mir fest vorgenommen, aus vollem Herzen – Völker, hört die Signale! – in aller Schärfe zu kritisieren, dass ein Monarch im Herzstück meiner Demokratie spricht. Immerhin zahlen wir Demokraten für den ganzen Zinnober. Und was haben wir davon? Hohe Herren in Großaufnahme, ergriffen von den eigenen Nichtigkeiten. Ich sollte also feste schimpfen – aber ich kann nicht.

Als Kundin der ersten Stunde bin ich befangen. Brodowiner Lebensmittel sind seit der Familiengründung ein Teil meines Lebens; Wohnungen und Ehemänner wechselten, Kinder verließen das Haus – die grüne Kiste blieb, mit leckeren Äpfeln von bewahrenswerten Bäumen, Roter Bete aus giftfreien Beeten, fetter Milch von glücklichen Kühen und bei Demeter-Mondschein gezogenen Karotten. Das wohlige Gefühl, nicht nur mir selbst etwas Gutes zu tun, wird angesichts energiekriselnder Preise zwar immer schwerer erschwinglich, aber so viel Öko muss sein.

„Ich bin ein Brodowiner!“

Als Preußin habe ich Wiedergutmachung zu leisten – hat nicht der Alte Fritz das Oderbruch trockenlegen lassen, um Weideland zu gewinnen? Aus heutiger Sicht eine unökologische Entscheidung. Charles will es besser machen, das spürt man. Und wirkt so sympathisch dabei. Er kann ja nichts dafür, dass er nur König geworden ist, und kein Bauer. Man kann sich sowas nicht aussuchen. Deshalb übe ich Nachsicht. Und bin stolz, wenn Seine (oder heißt es Ihre?) Majestät feierlich das Zepter überm königlich reifenden Käse schwingt und verkündet: „Ich bin ein Brodowiner!“

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Geschrieben von

Katharina Körting

Freie Autorin und Journalistin

2024 Arbeitsstipendiatin für deutschsprachige Literatur der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt

Katharina Körting

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