So unpolitisch wie die Queen angeblich war, reagieren nun auch die Medien. Rühmen, als sei der Boulevard über alle gekommen, „Natürlichkeit“ der „Monarchin“, raunen von „Empire“ – ganz vergessend, dass dies nur das englische Wort fürs rückständig-zerstörerische „Imperium“ ist –, huldigen der „eisernen Disziplin“ und „Pflichterfüllung“, der „Würde“, dem „Anstand“, den „großen Verdiensten“ und vielleicht am meisten der Tatsache, dass Königin Elizabeth II. über allem stand. Sie war sozusagen kein Mensch, der Fehler machte. Sie war reine Funktion. Davon ist man „tief beeindruckt“ – und stibitzt sich durchs demonstrative „Auch ich bin traurig“ ein bisschen königlichen Glanz, einen kleinen Trauerrausch, als wäre so ein Königinnentod Opium fürs Medienvolk.
Die Queen habe das Land „geeint“. Das britische Königshaus sei „unverzichtbar“ für „Kontinuität“ und „Stabilität“. Auch der Diplomat und frühere deutsche Botschafter in Großbritannien, Wolfgang Ischinger, bislang nicht für überemotionale Reaktionen bekannt, zeigt sich „persönlich in tiefer Trauer“. Die Königin sei die „Inkarnation von Soft Power“, schwärmt er.
Aber was ist das denn für eine Power, was ist das für eine Stabilität, die da gepriesen wird? Der Brexit? Die fortschreitende Klimakatastrophe? Das marode Gesundheitssystem? Die Ausbeutung der Schwachen? Das Wiedererstarken von Autoritarismus? Die Klassengesellschaft? Die Königin habe „ihrem Land gedient“ – aber hat dieser Dienst, die royale Funktionserfüllung samt Aufrechterhalten uralter Fassaden, dessen dysfunktionale Strukturen nicht eher gestärkt? Solange die Queen lächelt, ist alles in Ordnung – war das nicht die Botschaft? Während in Wahrheit natürlich nichts in Ordnung ist, erst recht nicht das Königshaus. Denn wer baute es denn? Wo wohnten die Bauleute? Wer, außer Brecht, rühmt die schrundigen Hände der Maurer, erzählt von deren Anstand und deren Würde? Und was ist mit den Toten der Kriege? Kein Land der Welt hat im Kalten Krieg mehr „heiße“ Kriege geführt als Großbritannien. Und die Queen hat alles gutgeheißen oder geschwiegen oder beides.
Jeder Papst ist politischer
Schon merkwürdig, dass ausgerechnet Berichterstatter, die in jeder Frage „Haltung“ fordern, ein „Statement“ – und bei dessen Unterlassung sofort Putinismus, Coronaleugnerismus und Verschwörismus wittern – sich nun ergehen in gänzlich unkritischen Lobeshymnen über eine öffentliche Person, die die Macht gehabt hätte, Denkanregungen zu geben und sich stattdessen aus allem raushielt. Jeder Papst ist politischer. Durch ihren Meinungsverzicht wirkte die Queen am Erhalt des sozial ungerechten, klimaschädlichen, militaristischen Status Quo mit – sollte das etwa der größte Verdienst sein, den man ihr nun blumig anrechnet? Sie hielt sich und ihre rückständige Institution aus allem raus, als sei sie nicht ein Teil davon.
Die zehntägige „Staatstrauer“ wird wohl auch die Rundfunkanstalten hierzulande weiter beglücken, ohne dass mal – bei allem Respekt – jemand fragt: Wer bezahlt die Spesen? Es gibt so viele Berichte – und so wenige Fragen. Sie sei die „Königin aller liberalen Demokratien“, schwurbelt FDP-Chef Christian Lindner. Äh … – nein. Meine nicht.
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