Es ist grotesk: Mitten in der sogenannten Energiekrise stehen die Herbstferienreisenden am Flughafen einander auf den Füßen, um für ihr staatlich subventioniertes Menschenrecht auf Klimaschädigung zu demonstrieren. Während sie die neueste Energiespar-App checken, besteigen sie die Kerosinschleudern und helfen, das Ozonloch zu vergrößern. Zeitgleich votiert in seltener Direktdemokratie eine Stop-and-Go-Volksabstimmung fürs Tempolimit: Munter stauen sich die Autos auf den Straßen, nachdem der Liter „Super“ die magische 2-Euro-Marke gerissen hat.
Doch uns ficht all das nicht an. Wir bleiben zu Hause und halten durch. Die Fernheizung bleibt aus. Unsere Familie engagiert sich in der Energiekrise und steht fest an der Seite des Sparens. Was
arens. Waschlappen liegen bereit. Die Dusche ist auf maximal 15 Grad gestellt. Wir stellen auch die Uhren nicht um! Von wegen Zeitumstellung. Wissen Sie noch, wie sie eingeführt wurde, 1980, in der Ölkrise? Um Energie zu sparen! Je länger es abends hell ist, desto später wird das Licht angestellt, ist doch logisch. Und jetzt soll es am 30. Oktober eine Stunde früher dunkel werden? Nicht mit uns. Wir lassen die Sommerzeit an, wie es Ökonomen gerade wieder fordern, und Heizung und Fernseher aus. Das Licht übrigens auch. Einfach dunkel. Einfach nix mehr mitkriegen. Kopf in den Sand und Ruhe. Dann ist auch die Zeitumstellung egal.Kochwäsche kochen wir nicht mehr, die Hygiene muss warten, es geht jetzt um höhere Werte. Wir waschen alles bei 30 Grad, bis der Geruch unaushaltbar wird. Wo diese magische Grenze ist? Darüber diskutieren wir uns die Köpfe heiß, das lenkt von den frierenden Zehen ab. Wir wickeln uns in Decken, hören auf zu googeln – Server kosten irrsinnig viel Strom – und erzählen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Über die Kerzen stülpen wir leere Blumentöpfe und gedenken unserer Vorfahren.Bereits vor Wochen haben wir vorsorglich mit dem Frieren begonnen. Die Tochter gab die Parole „T-Shirt only“ aus – sie geht nur noch leicht bekleidet nach draußen, um sich für den Winter zu stählen. Die Erkältung, die sie nun mit sich herumschleppt, steckt sie weg mit einem lässigen „Hauptsache kein Covid“. Das ist die richtige Einstellung.Leider haben es noch nicht alle begriffen. Nicht nur in öffentlichen Räumen wird immer noch bei dauergekippten Fenstern auf Hot-Yoga-Temperatur geheizt. Der alltägliche, breitbeinige Klimawahnsinn da draußen geht weiter. Dabei vergeht kaum ein Tag ohne mehr oder weniger sinnvolle Energiespartipps, bis hin zum autofreien Sonntag reloaded. Fehlt nur noch das Verbot von Energydrinks – eine einzige Aludose verbraucht in der Herstellung 0,6 Kilowatt pro Stunde.Jede nicht gekaufte Ware spart EnergieNicht ganz unwichtiges Wissen für den müden Studenten unseres Haushalts, der mit so vielen anderen in den maximal 19 Grad beheizten Hörsaal strömt – und übernächtigt zu früh dort ankommt, weil alle anderen die Zeit ja noch umstellen und ausschlafen, diese Weicheier. Als seine Kommilitonen dann doch kommen, wird es ihm, trainiert durch unsere engagiert-kalte Wohnung, plötzlich zu heiß: All die jungen Körper dünsten Wärme aus! Viel zu viel Wärme.Kann man das nicht besser nutzen? Körperwärme? Wie wäre es mit der Einberufung von Kulturreservisten in die Konzert- und Theatersäle? Die Stühle sollten eng beieinanderstehen, die Fenster geschlossen bleiben. Jeder überflüssige Zentimeter Luft zwischen den menschlichen Körpern ist genauso strikt zu vermeiden wie vollgestellte Heizkörper, #gemeinsamgegenAbstand, #Wärmeabgeben, #LieberFieber. Damit #zusammenhalten kein leeres Hashtag bleibt! Statt Spätvorstellungen in den Kinos abzusagen, wäre es effizienter, sie nachts zu öffnen. Schließlich ist es im Kino eh duster. Dann könnten sich dort möglichst viele Menschen aneinander wärmen – nur noch ein Bildschirm pro 100 Menschen, darunter machen wir es nicht.Mit der „Klimaschutzoffensive“ des Deutschen Handelsverbands leisten auch die Supermärkte ihren Beitrag. Einkaufen wird nicht nur teurer, sondern auch kürzer! Was der Arbeitsschutz im neoliberalen Agenda2010-Deutschland nicht schaffte – die Energiekrise kriegt es spielend hin. Ab November sollen die Läden um 20 Uhr schließen. Auch die Inflation tut ihren Dienst: Jede wegen leerer Geldbeutel nicht gekaufte Ware muss gar nicht erst energieaufwändig produziert werden.Noch forscher gehen die Kirchen voran. Sie sparen nicht nur Heizkosten, sondern auch Mitglieder. Und ihre Fassaden bleiben nachts nun genauso dunkel wie unsere Wohnung. Licht wird überschätzt. Man sieht nur mit dem Herzen gut.