Die in zahlreichen Ländern verhängten Maßnahmen haben das öffentliche Leben zum Stillstand gebracht. Glaubt man den Aussagen so mancher Wunderheiler, sind Sorgen allerdings vollkommen unbegründet. Nicht etwa ein Impfstoff oder ein neues Medikament werde die Pandemie beenden, so ist man sich auf mancher dubiosen Internetseite sicher. Die Lösung soll vielmehr so nahe liegen, dass die meisten Menschen in ihrer eigenen Küche darauf stoßen dürften. Im Netz kursiert derzeit der Mythos, großzügig in der Wohnung verteilte rohe Zwiebeln würden das Virus in der Luft vernichten. Andere raten zum Konsum spezieller Nahrungsergänzungsmitteln. Als wenn es so einfach wäre.
Neben üblem Geruch dürfte der Glaube an den Schutz vor Covid-19 durch rohe Zwiebeln wohl keine direkten negativen Folgen für die Betroffenen haben. Und mit den meisten Nahrungsergänzungsmitteln würde man höchstens einen Placebo zu sich nehmen; überschüssige Vitamine scheidet unser Körper problemlos über den Urin aus. Problematisch sind vor allem Heilsversprechen, bei denen geraten wird, toxische Substanzen zu konsumieren.
Immunsystem „entgiften“
Der US-amerikanische „TV-Evangelist“ Jim Bakker verkaufte für 125 US-Dollar eine Silberlösung, die auch gegen das Coronavirus helfen soll. Anfang März wurde er deshalb vom Generalstaatsanwalt von Missouri „wegen falscher Behauptungen zur Wirksamkeit der Silberlösung als Behandlung gegen das Coronavirus“ angeklagt. Bakker ist nicht der einzige Verfechter der Therapie mit „kollodialem Silber“, einer mit dem Edelmetall versetzten Lösung. Im Netz finden sich zahlreiche Plattformen, auf denen empfohlen wird, die Substanz zur Prävention einzuatmen oder gleich jeden Tag ein paar Löffel zu schlucken. Mediziner warnen allerdings vor Vergiftungserscheinungen durch den Konsum großer Mengen der Substanz, welche sich unter anderem durch eine Verfärbung der Haut ankündigen. Obwohl es keine Studien gibt, die in irgendeiner Weise nachweisen können, dass der Konsum von kollodialem Silber gegen Erkrankungen helfen würde, werden derartige Produkte bereits seit geraumer Zeit als Wundermittel gegen allerhand Leiden angepriesen. Das Bewerben der Produkte mit dem Schlagwort Corona scheint nur ein neuer Marketing-Gag der Hersteller zu sein.
Ein weiteres angebliches Wundermittel hört auf den Namen „Zeolith“. Auf zahlreichen Webseiten wird Nutzern geraten, mit dem Pulver ihr Immunsystem zu „entgiften“, um sich besser vor Covid-19 zu schützen. 500 Gramm kosten rund 25 Euro, was auf den ersten Blick günstig erscheint. Nur handelt es sich bei Zeolith keineswegs um ein seltenes Gestein. Die Substanz wird auch im Straßenbau verwendet. Etliche Menschen dürften bereits mit ihr in Kontakt gekommen sein – der Stoff ist in gängigem Katzenstreu enthalten, von dem ein Kilogramm für 50 Cent zu haben ist. Die Gewinnspanne bei derartigen Geschäften dürfte erheblich sein. Das Wundermittel Zeolith ist auch nicht erst mit Corona auf den Plan getreten. Zuvor wurde es bereits als angebliches Heilmittel gegen allerhand Beschwerden angepriesen. Die Verbraucherzentrale NRW warnte bereits 2019 vor dem Konsum, da derartige Produkte häufig mit Aluminium und Blei belastet sind. Statt seinen Körper zu entgiften, um ihn für Covid-19 zu wappnen, hat man somit im schlimmsten Fall das Gegenteil getan. Hinzu kommt, dass der Konsum großer Mengen die Aufnahme von Wirkstoffen aus Medikamenten behindern kann. Als harmlose „Begleittherapie“ taugt es somit nicht.
Zahlreiche Akteure, die im Zuge der Corona-Pandemie versuchen, Kapital aus der Angst der Menschen zu schlagen, sind nicht neu in diesem Geschäft. Sie haben sich vielmehr flexibel an die neue Marktlage angepasst. Sogar Internetplattformen, auf denen wahnwitzige Thesen über den neuen Mobilfunkstandard 5G verbreitet werden („Damit kann die Regierung unsere Gedanken lesen!“) sind auf den Zug aufgesprungen. Die Pandemie wird kurzerhand zum „Beleg“ für die Existenz einer großen Verschwörung umgedeutet. Die Krankheit soll schließlich allein durch den neuen Mobilfunkstandard ausgelöst worden sein. In der Tat ist 5G im chinesischen Wuhan bereits im Einsatz. Eine Erklärung allerdings, warum das Coronavirus in vielen Regionen der Welt wütet, in denen kein 5G, ja noch nicht einmal 3G verfügbar ist, gibt es natürlich nicht. Stattdessen wird für kostenpflichtige „Lösungen“ geworben, wie etwa den „Harmonizer Comfort“ – ein Gerät, das angeblich den „Wundheilungsprozess“ beschleunigen soll und die „Abwehr von Fremdkeimen“ verbessert. Kostenpunkt: rund 400 Euro.
Erbrechen, Nierenversagen, Tod
In den USA wird derzeit vor der aggressiv beworbenen Substanz „Miracle Mineral Solution“ (MMS) gewarnt. Hinter dem wohlklingenden Namen verbirgt sich ein in der Industrie eingesetzte Bleichmittel (Natriumchlorit mit Chlordioxid). In der Vergangenheit haben zahlreiche Anbieter den Stoff als angebliches Heilmittel bei Krebs, HIV, Hepatitis oder Autismus angepriesen. Auf Youtube finden sich zahlreiche Videos, in denen Nutzer von MMS schwärmen. Im Umfeld der US-amerikanischen Verschwörungs-Community QAnon wurde im Zuge der Corona-Pandemie verbreitet, dass MMS gegen das Virus helfen solle. Ein in diesen Kreisen bekannter Nutzer rief Ende Januar 2020 seine Follower auf Twitter dazu auf, sich mit dem „20-20-20-Spray“ zu schützen. Vertrieben wird dieses Mittel beispielsweise von der „Genesis II Church of Health and “, die behauptet, dass die Erkrankung mit diesem Produkt geheilt werden könne. Kostenpunkt: 45 US-Dollar. Derartige „Empfehlungen“ sind hochproblematisch, denn MMS ist nicht nur nachweislich nicht hilfreich, sondern sogar gefährlich. Das Gemisch kann auf Haut und Schleimhaut reizend bis ätzend wirken. Die Konsequenz: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Nierenversagen, schwere Darmschädigungen und Blutdruckabfall – und im Extremfall sogar der Tod. Die US-Aufsichtsbehörde FDA warnt bereits seit geraumer Zeit vor MMS-Produkten. 2018 nahmen die Behörden in Indianapolis (USA) eine Mutter fest, die ihr autistisches Kind mit einem Gemisch aus MMS und Salzsäure „heilen“ wollte. Ihr Ehemann hatte sie angezeigt, nachdem er erfahren hatte, dass seine Frau das Kind vergiftet.
Besorgniserregend ist vor allem, dass sich derartige dubiose Angebote längst nicht mehr auf die schattigen Seiten des Internets beschränken. Behörden warnen vor Kriminellen, die versuchen, Senioren an der Haustür oder per Telefon angebliche Corona-Heilmittel aufzuschwatzen. Umso wichtiger ist die Aufklärung über die Risiken, die sich hinter so manchem der wohlklingenden Produktnamen und vollmundigen Versprechen verbergen. Selbst wenn die Produkte keine gesundheitlichen Schäden verursachen, können sie doch dazu führen, dass Menschen Covid-19 als nicht gefährlich abtun. Die Zunft der Wunderheiler lebt davon, dass sie ihren Kunden das Versprechen einer trügerischen Sicherheit verkaufen. Doch echte Sicherheit, die kann es erst geben, wenn die medizinische Forschung bei ihrer Suche nach einem Impfstoff und wirkungsvollen Medikamenten weitergekommen ist. Bis dahin müssen wir uns leider wohl noch gedulden.
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