Deutsch ist nicht immer "geil"

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Die Deutsche Bahn will wieder mehr in der eigenen Landessprache kommunizieren und künftig weniger Anglizismen verwenden. So ist es bei süddeutsche.de zu lesen (Bahn spricht Deutsch). Unter anderem will der Flyer wieder Handzettel genannt werden, und Hotlines sollen demnächst Service-Nummern heißen. Die eingebürgerte Bahn Card oder der stadt-und landbekannte Intercity bleiben uns erhalten. Das ist löblich, doch wie immer, wenn etwas von der Bahn kommt, kommt es irgendwie auch verkrampft und kleinkariert, quasi als Coup vom Abstellgleis daher.

Keiner will bestreiten, dass die deutsche Sprache wunderschön ist und Identität, indes – für den Werbealltag ist sie vielfach zu umständlich, und wie verquast sich deutsche Wortkonstruktionen anhören können, haben viele Fälle aus der DDR gezeigt (siehe auch Ich will die DDR-Sprache verstehen).

Was ist aber gegen Englisch (und Denglisch) im Sprachgebrauch einzuwenden, wenn damit wirklich ein Produkt oder eine Dienstleistung auf den Punkt gebracht wird? „Call a bike“ zum Beispiel. Zugegeben, das klingt irritierend, wenn man gerade in der tiefsten Provinz aussteigt, dennoch: Soviel (Englisch) Know-how wird man doch bei einem mobilen Konsumenten erwarten dürfen, oder noch arroganter, wer hier radlos wegen Nur-Bahnhofsverständnis bleibt, den wird das Mietradangebot der Bahn wohl kaum interessieren.

In England nennt zwar bekanntlich niemand ein Handy ein Handy, aber weil „handy“ handlich, praktisch heißt, spricht doch nichts dagegen, das Mobiltelefon bei uns so einfach und treffend zu bezeichnen? Den letzten Aristokraten unter uns sei gerne gestattet, ein tragbares Telefongerät ihr eigen zu nennen.

Das Gesetz der Werbung ist im übrigen hart und in der Regel gerecht, will heißen, letztlich ist der Konsument nicht so doof wie angenommen, und romantisch betrachtet, setzt sich das gut Durchdachte sowieso durch. Alberne und unsinnige Wortkreationen wie "kiss and ride" werden gar nicht erst angenommen, sondern zu Recht mit Spott bedacht. Da bin ich gerne schadenfroh.

Von mir aus kann sich auch die CSU im Ländle lächerlich machen und selbst entlarven. Zitat aus dem Artikel der "SZ": "Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) erwies sich wohl in der Neuschöpfung von Anglizismen als so erfinderisch (fit for work, get Azubi), dass Kritiker ihr Sprachverhalten in die Kategorie BSE einreihten: Bad Simple English. "

Wie die Werbung es schafft, das Deutsch zu verhunzen (um den doofen Konsumenten mehr oder weniger zielgruppengerecht anzusprechen) , hat uns ja Saturn stellvertretend für alle anderen unterste-Schublade-Werber wirklich alarmierend gezeigt. Deutsch ist eben nicht immer "geil".

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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