Endlich eine neue Affäre!

Sexismus Eine Positionierung zur Sexismus-Debatte kann ungemütlich sein, nicht nur für Männer.

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In wie viele Richtungen geht eigentlich Sexismus? In viele. Männer gegenüber Frauen. Frauen gegenüber Männern. Männer gegenüber Schwulen. Lesben gegenüber Heterosexuellen. Feministinnen gegenüber ... Und so weiter. Ich kann mich als Frau also gegenüber Frauen sexistisch verhalten. Was ich manchmal tue, weil mir der pauschalierende Sexismus-Vorwurf zuweilen auf die Nerven geht.

Im Fall der Journalistin Laura Himmelreich wurde schon irgendwo in den zahlreichen Foren zum Fall Brüderle die Frage gestellt, was gewesen wäre, wenn der FDP-Mann ein junger smarter Politiker-Typ, sagen wir von den Grünen, gewesen wäre, der zu später Stunde eine Journalistin angeflirtet hätte. Die Affäre hätte wohl kaum „Strauss-Kahn-Tragweite“ bekommen, vielleicht hätte man von der 08-15-Romanze nie erfahren. Wäre. Hätte.

Vielleicht ist es aber an der Zeit, dass sich die Poltik-Journalismus-PR-Beziehungen, die so ähnlich geschmiedet wurden, endlich outen. Dass der Stern jetzt doch mal wissen will, wo und wie Joschka Fischer seine Minu Barati kennengelernt hat. Mein Gott, ein bisschen neidisch war ich schon, hätte ich doch auf diesem kleinen Empfang nach einer Fernsehaufzeichnung vor 14 Jahren den damals durchtrainierten Fischer in grauseidenem Brioni-Anzug, pardon, „nicht von der Bettkante gestoßen“. Im Gegenteil - ich hatte den Blickkontakt gesucht und meine geschönte Version von diesem Abend ist heute noch, dass Fischer auch ein bisschen geschaut hat, aber wir beide doch zu schüchtern waren.

À propos Romanze, ist es soziologisch naiv anzuführen, dass Männer wie Frauen, der Emanzipation sei Dank, heutzutage in beruflich verwandten Becken fischen? Und verlieben sie sich alle auf unverfänglichem Terrain? Findet man sich politisch korrekt bei elitepartner.de? Also bitte. Außerdem. Liebe Empörungsgemeinde. Wer den rheinischen Karneval kennt, weiß, wozu Frauen wie Männer unter Alkoholeinfluss in der Lage sind. Es ist ungeschriebenes Gesetz, dass man in Köln besser nicht zimperlich ist und trotzdem muss es auch hier Grenzen des Frohsinns geben, die dann an den Pranger gehören.

Und die Weihnachtsfeiern. Millionen journalistischer Warnungen wurden hier schon ausgegeben inklusive der Tipps, wie man sich sicher nicht daneben benimmt. Und trotzdem tut es einer. Ich erinnere mich, dass vor Jahren während meiner Zeit als Volontärin das Gerücht kursierte, Ressortleitung X hätte Ressortleitung XY … Mir war das damals ziemlich peinlich, dass ich von diesem Gerücht wusste, saß mir doch die weibliche in-Flagranti-Beteiligte doch im Büro direkt gegenüber und löcherte mich hinsichtlich der Details meiner Kenntnis.

Ausgerechnet: Auf den Seiten von FDP liberté steht gerade eine nicht unamüsante Glosse über einen fiktiven Journalisten, der beim „tete à tete“ mit Himmelreich und Brüderle dabei gewesen sein will. Er kommt nicht zum Stellen nur einer journalistischen Frage, weil Himmelreich die Situation penetrant mit seriös verkleideter Empörung dominiert. Und weiter. Die Journalistin Annett Meiritz beschreibt in einem Spiegel-Online-Artikel den alltäglichen Sexismus der Piraten. Also erstens. Was erwartet man von einer Partei, die fast nur aus seltsamen Gesundheitslatschen tragenden, Langhaarigen und Aktenkoffertypen besteht. Ich wäre schon beleidigt, wie einem dieser Nerds einfällt, überhaupt zu denken, er hätte eine minimale Chance. Unerwähnt: Julia Schramm veröffentlicht ein Buch das „Klick mich“ heißt. Was soll man da noch sagen.

Und benennt Meiritz nicht an dieser Stelle die Grauzone: „Deshalb stellen wir Frauen uns abends mit an die Hotelbar, setzen uns an den Tisch voller Krawattenträger, lachen über derbe Witze oder reißen selbst welche (manchmal die besseren). Das ist gut so. Niemand wünscht sich ein aseptisches Arbeitsklima, wo jeder harmlose Flirt gleich zur sexuellen Belästigung deklariert wird und Scherze nur politisch korrekt sein dürfen. Aber die Regeln, die für Männer selbstverständlich sind, müssen endlich auch für uns Frauen gelten. Dazu gehört, dass geschicktes Netzwerken als das betrachtet wird, was es ist: Kontaktpflege.“ Tja. Und manchmal wird daraus eben mehr.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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