Ein echtes Sammlerstück für schlechte Zeiten

Die Helikoptermutter Unsere Kolumnistin hofft, dass der Spieleklassiker Mastermind ihre Rente sichern wird
Ausgabe 36/2018
Die Rente ist rar. Das Spiel auch
Die Rente ist rar. Das Spiel auch

Foto: Schöning/Imago

Die Rentenkarte war mal Trumpf, nicht besonders elegant, aber wirkungsvoll. Es war die Ansprache, vielmehr die Ansage an den Misanthropen, der sich über den Lärm der Kinder beschwerte: „Wissen Sie was, Herr Kowalski, mein Olaf zahlt später Ihre Rente, besser wäre, Sie wären bis zu Ihrem Renteneintritt – mindestens! – noch ein bisschen netter.“ Leider sticht dieser Trumpf nicht mehr. Wie es aussieht, müssen diese und kommende Generationen ohne spielen. Ob es netter wird im nicht auffallend kinderfreundlichen Deutschland, in dem man besser niemals versehentlich einen Platz im ICE-Ruheabteil für sich und seine Jungs reserviert und sich dieser Untat erst durch eine Beschwerde und anschließenden Blick auf seine Fahrkarte gewahr wird? Unklar. Die Rente finanziert der Olaf heute tatsächlich dem Herrn Kowalski, man nennt es Generationenvertrag. Ob einer da nett ist oder nicht, spielt keine Rolle, allenfalls in der extremen Fantasie darf man so manchem Chemnitzer derzeit eine sofortige Sanktionierung seiner Bezüge wünschen.

Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz brachte sich neulich rentenmäßig ins Spiel, er wollte über die sichere Rente bis 2040 reden. Sonst ein absoluter Klassiker, schien sein Rentending dieses Mal ein krasser Rohrkrepierer. Chemnitz. Ganz schlechtes Timing. Scholz sollte sich ohnehin nicht allzu sehr wundern. Mitten im Arbeitsleben haben die meisten wirklich keine Zeit für Rechenspielchen mit der alten Tante SPD. Wer jetzt arbeitet, ist dazu angehalten, parallel privat vorzusorgen, wobei wir hier von einigen hundert Euro monatlich sprechen, sollte man über die sonst drohende Grundsicherung hinaus sparen wollen. Soweit ich weiß, wird die private Vorsorge aber auf die Grundsicherung angerechnet, weshalb manche lieber pokern und sich sagen, wozu dann überhaupt sparen? Wer Kinder hat, müsste eigentlich auch etwas für die Ausbildung dieser Kinder zurücklegen, eigentlich, aber lassen wir das. Neigungsfach is over, besser Sie studieren ein Mangelfach zur richtigen Zeit und bleiben so lange bei den Eltern wohnen. Unsere Nachbarn haben so ein Söhnchen, das nicht ausziehen will, obschon die Eltern das eine sehr gute Idee fänden. Aber der Sohn ist vernünftig, sind ja so teuer die Mieten.

Apropos Vorsorge, neulich waren wir bei Freunden zu Besuch, da lag der Spieleklassiker Mastermind im Regal, eins der erfolgreichsten Spiele der 70er Jahre. In der DDR hieß es Super Code. Die Schachtel der Westversion war braun, darauf eine asiatisch aussehende Frau in weißem Cocktailkleid. Sie steht hinter einem Mann im Anzug, der in einem Sessel sitzt. Ein Cover, das heute nicht mehr ginge – aus verschiedenen Gründen. Jedenfalls. Schon wieder melancholisch dachte ich an meine Kindheit. Ich hätte das Spiel gerne heimlich eingesteckt, die Kinder des Freundes sind groß, sie studieren in anderen Städten, Gelegenheiten für eine Runde Mastermind wird es nicht mehr oft geben. Zu Hause ging ich in den nächsten Spieleladen. Das Spiel existiert noch, nur das Design nicht mehr. Der Hersteller hat daraus ein scheußliches Event-Spiel gemacht. „Dann kaufe ich es halt gebraucht“, sage ich der Verkäuferin. Sie: „Es könnte teuer sein.“ Das Original sei ein Rarität. Ich fand noch eins im Internet, nur noch um die sechs Stück kursieren jetzt!

Sichert das Mastermind-Spiel meine Rente? Dem Misanthropen jedenfalls gebe ich demnächst das auf den Weg: „Wissen Sie was, Herr Kowalski, ich hab’ zu Hause eventuell eine Wertanlage. Damit kann ich sogar spielen.“

Katharina Schmitz schreibt im Freitag als Die Helikoptermutter über die Unzulänglichkeiten des Familienlebens

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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