Fernsehkonsumenten, die sich längst von der „analogen Mattscheibe“ verabschiedet haben, die nur noch gelegentlich zur Sendezeit bei den Öffentlichen reinschauen – schließlich zahlt man ja GEZ – und die Pay-TV aus Prinzip nicht angucken, weil das ja noch mehr Geld kostet, betreiben über die Festtage oft traditionell und fern von Filterblasen ihre alten Programm- und Feldstudien. Sie sind zu den Eltern in die Provinz gereist, und die Eltern gucken halt immer noch analog, manche haben nicht mal Internet.
Omnipräsent ist einer und, als wäre er unsterblich, immer zu sehen: Günther Jauch. Seit dem Deutschlandstart bei RTL 1999 moderiert er die Show Wer wird Millionär?,mit seither höchstwahrscheinlich sagenhaften Einschaltquoten. Jauch ist länger im Amt als die Bundeskanzlerin. Er soll laut einer Forsa-Umfrage Deutschlands beliebtester Quizmoderator sein. In der Sendung 2019 – Das Quiz (ARD) rangierte er in einer Frage nach dem beliebtesten Deutschen sogar direkt hinter Angela Merkel. In den USA würde sich ein Entertainer mit solch einem Renommee mindestens als Senator empfehlen.
Verwirrend für Leute, die nur Netflix gucken, jedoch tief im Herzen noch im analogen Denken verhaftet sind, war, dass Jauch in 2019 – Das Quiz selbst einer der Gäste war. Parallel moderierte er das Familienspezial von Wer wird Millionär bei RTL, und man sah ihn in diesen Tagen auch in 5 gegen Jauch (hier versucht ein prominentes Rateteam, den Superdeutschen zu schlagen). Die Irritation musste der mitgereiste Digital Native (12) aufklären: „Leute, das ist nicht live!“ Tief blicken ließ, wie man sich, erst kurz back to the roots, sofort gehen ließ und die Cleverness der Kandidaten einschätzte. „Was für eine doofe Frisur, die weiß sicher nix!“ Lookism vom Feinsten war das.
Davon abgesehen bekam man den Eindruck, dass die Deutschen am liebsten Quizshows schauen, in Quizshows sitzen und bei Quizshows anrufen. Seit Jauchs Millionärsshow boomt die Raterei im TV. Wer weiß denn sowas? läuft von montags bis freitags um 18 Uhr in der ARD, im Wechsel mit Gefragt – Gejagt, auch in den Dritten Programmen wird exzessiv gerätselt. Was sich alles nur merken kann, wer noch regelmäßig eine Programmzeitschrift studiert, wie die Eltern. Freilich sind die meisten Shows vom Mutterland aller (Quiz-)Shows kopiert: Großbritannien. Aber: Was hat das zu bedeuten? Ist es die Flucht der Deutschen ins Spielerische? Geht es nur ums Geld? Nicht nur, denn in manchen Shows – freilich mit prominenten, ergo solventen Kandidaten – wird für karitative Zwecke gespielt.
Beim Schauen von 2019 – Das Quiz dachte man kurz an den Framing-Skandal der ARD. Sie erinnern sich, „Staatsfunk“, „Lügenpresse“, „Zwangsgebühr“, die ARD hatte sich in Image-Fragen beraten lassen. Die Framing-Lehre geht davon aus, dass sich durch Sprache Einstellungen beeinflussen lassen. Der Weg zur Manipulation ist hier (je nach Standpunkt) kurz oder: ein absurder Vorwurf. Die Aufregung letztes Jahr war groß. „Es geht um nichts weniger als Europa“, kündigte Moderator Frank Plasberg das Finalspiel an. Sollte uns Zuschauern hier spielerisch ein positiver Bezug zu Europa und nebenbei Wissen über Europa vermittelt werden? Dumm nur, dass die Kandidaten Jauch, Barbara Schöneberger und die Schauspieler Liefers und Sigl sich, um sich gegenseitig auszuschalten, immer wieder nach Osteuropa verbannten. Da wurde einer mit einem „Wo wächst der Pfeffer? In Rumänien!“ strategisch auf hoffentlich unsicheres Terrain geschickt. Der Nächste nach Bulgarien. „Der weiß gar nicht, wo das ist!“, unkte Schöneberger. Offensichtlich wurde der Graben, der durch Europa geht. Sicher war’s kein Framing-Versuch, sowieso: Der Schuss wäre nach hinten losgegangen.
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