Kindergeschenke wirken anders, als erwartet

Alltagskommentar Gibt es pädagogisch wertvolles Spielzeug? Ja, aber es ändert offenbar wenig an den Geschlechterrollen: Jungs töten trotzdem Barbie und Mädchen wollen sogar Technik pink
Ausgabe 50/2013
Kindergeschenke wirken anders, als erwartet

Bild: Screenshot

In den Siebzigern war es doch schlimmer, hört man. Sich emanzipierende Frauen wohnten noch mit den Saboteuren ihrer Sache unter einem Dach. Sie ertrugen die Sticheleien des Manns, das Augenrollen des Kindes. Sicher nicht leicht war das für die Mutter meiner Jugendfreundin, eine Grundschullehrerin vom Typus Gudrun Pausewang. Sie fuhr ein Auto mit Friedenstaube auf dem Heck, trug Alice-Schwarzer-Gewänder und hängte an Weihnachten echte Kerzen an den Baum. Geschenke? Für den Sohn natürlich kein Kriegsspielzeug und für die Tochter keine Barbie.

„Pädagogisch wertvoll“ lautet bis heute das Zauberwort wohlmeinender Eltern. Hilft aber nichts. Später hockt trotzdem ein pubertierender Sandsack zu Hause. Warum nur? Der Kabarettist Lars Reichow lehrt uns mit viel Witz, dass man als Eltern auf dieser Frage sitzen bleibt. Der Sohn der Grundschullehrerin baute zum Beispiel mit 14 eine niedliche Guillotine, es rollten Barbie-Köpfe. Er fertigt heute erfolgreich Requisiten für Splatterfilme. Seine Schwester, die nicht mit Barbies spielen durfte, heiratete einen Piloten. Kreisch! Es ist aber so, dass der Pilot vorzüglich kochen kann. Die Pilotenfrau brachte wenig praktische Erfahrung mit. Im Kampf gegen das Patriarchat wurde uns Siebziger-Jahre-Mädchen nicht gesagt, dass der Haushalt Kulturtechniken erfordert, die einem später helfen, Job und Familie besser zu vereinbaren.

Genderneutrales Spielzeug?

Unsereins schmückt natürlich noch immer mit echten Kerzen den Baum. Mit einem Nein zu Waffen ist es bei Kindergeschenken aber nicht mehr getan. Im Netz kursiert derzeit ein lustiger Werbespot von GoldieBlox. Der Spielzeughersteller will mit seinen Produkten Mädchen für Technik begeistern. Die Coverversion des Beastie-Boys-Songs „Girls“ ist indes nicht mehr unterlegt. Die Rapper fanden zwar gut, dass ihr sexistischer Song für eine emanzipierende Sache geklaut wurde, pochten aber aufs Urheberrecht. Beastie-Boys-Musik für Werbung zu benutzen, hatte das 2012 verstorbene Bandmitglied Adam Yauch in seinem letzten Willen untersagt. Und letztlich sei der Spot eben Werbung. Stimmt. Sowieso, genderneutrales Spielzeug in Pink? Die GoldieBlox-Gründerin gestand, dass Mädchen die Farbe einfach lieben.

Bei uns steht für zwei Jungs eine Ritterburg auf dem Wunschzettel. Schwerter, Kanonen, ein Verlies, all das können wir absolut vertreten. Nur das Burgfräulein steht beim Raufen doof rum. Vorsicht, werden da nicht Geschlechterstereotypen reproduziert? Ach was, unsere Grundschullehrerin findet solche Fragen heute etwas konstruiert.

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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