Das Hotel London in Istanbul hat diesen Agatha-Christie-Charme. Ein Herr liest im Lederfauteuil, eine interessante Reisende (wie sieht wohl ihr Gesicht aus) steht am Empfang und auch sonst englische Kolonial-Patina: Kellner in Livree, ein hochnäsiger Graupapagei im Käfig. Abgeschirmt vom modernen Draußen sitzt man hier an diesem Ort für schöne, längst verlegte, anmutige Adjektive und den Synonymen dafür: apart, distinguiert, kontemplativ, sophisticated … und bekommt Lust auf einen Whiskey.
Anderntags würdigt man den Hüzün, diese eigene türkische Schlechtwettermelancholie, im 7. Stock des Hotels, grau-wolkiger Panorama-Blick. Schiffe ziehen abschiedsvoll, Regenschlieren am Fenster, die Zeit ein Konjunktiv (ergibt das einen Sinn) und verlangsamende flüchtige Verben adäquat für Gedanken oder Spaziergänge: schweifen, schlendern, wandern, mäandern, treiben lassen durch die Strassen der Stadt. Ist die Gasse eigentlich pittoresk okkupiert von der Tourismusbranche?
Das philosophische Rauschen der Metropole, der Muezzin in seinem Turnus altehrwürdig, zu Gast an einem Rückzugsort, wenn ... da der Lärm nicht wäre. Er stellt dich zur Rede in der Hotellobby und Hercule Poirot runzelt die Stirn, wie dieses Radio dudelt, really impertinent. Der Lärm hält dir die Kaufhausmusik an die Schläfe und spottet über deine gut eingeübte Reise-Nachdenklichkeit-Tätigkeit, als du über die Häuserdächer geschaut hast. Selbstvergessenheit unmöglich, fast ständig und überall grölt von irgendwoher ein westlich-musikindustrielles-brutalst-modern-orientalisches Lärmgemisch, Störgeräusch, lass uns morgen mal wohin fahren.
Man muss schon hinauf nach Eyüp, ins Café Pierre Lotti und hört von dort zwar nicht nichts, indes nur den richtigen Lärm Istanbuls, der wohnt hier, gehört hierher. Oder man geht aufs Schiff, auch dort war es nahezu leise, auf der Rückfahrt kam das Pärchen, er mit dem Mobiltelefon und...
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