Lass klingeln!

Die Helikoptermutter Unsere Kolumnistin will abends nicht mehr ans Handy gehen. Ihre Kinder sehen das anders
Ausgabe 08/2019
Diese Redakteurin ist zur Zeit nicht erreichbar. Zumindest nicht freiwillig
Diese Redakteurin ist zur Zeit nicht erreichbar. Zumindest nicht freiwillig

Foto: Fox Photos/Getty Images

Bei meinen lieben Mitmenschen unterscheide ich so kommunikationstechnisch zwei Typen: solche, die abends gegen 2o Uhr gern noch telefonieren, und solche, die den Teufel tun würden, um die Zeit noch einen Hörer in die Hand zu nehmen, ans Telefon zu gehen, abzuheben oder wie die Leute das im Augenblick nennen, wenn einer anruft und man das Gespräch entgegennimmt.

Ich weiß nicht, was sagen, wenn die gute Bekannte, die in der direkten Nachbarschaft wohnt, mit der Treffen oft schwierig zu verabreden sind, vorschlägt, alternativ doch zu telefonieren. Heute Abend? Bitte nicht! Wo ich doch nach 21 Uhr die erste Gelegenheit nutze, weniger Worte zu machen.

Mein Kommunikationsproblem ist bekannt, dennoch wird mir beharrlich erklärt, dass sich ein rasches Telefonat immer bewährt. Es stimmt ja, denn in der Regel gehen dem Vorschlag, zu telefonieren, diverse SMS voraus und meist hätte „der kurze Draht“ die Klärung so mancher Causa sofort vereinfacht. Nur: Die Leute haben gut reden, ich bin halt eine Plaudertasche tagsüber, abends halte ich lieber Zwiegespräche, was muss ich da groß rumreden?

Woher kommt nun diese Unlust? Sie rührt auch von den neun von zehn Telefonaten her, die ich lieber nicht geführt hätte. Weil sie sich unerquicklich in die Länge zogen, und dann war Bettzeit, danke fürs Gespräch. Oder es wurden Probleme aufgeworfen, deren Bekanntwerden für meinen Geschmack noch Zeit gehabt hätte. Meine hinlänglich bekannte Maxime lautet deshalb: Führ keine Telefonate nach 20 Uhr, schon gar keine Problemtelefonate (wozu auch Psychologen raten, denn das Langzeitgedächtnis ist im Schlaf besonders hellhörig und nachtragend).

Manchmal verwählt sich noch einer in die deklarierten Unzeiten, klingelt ins Abendessen rein oder in unsere noch höchst appellative Atmosphäre („Geht die Zähne putzen! Löse deinen Bruder aus deiner Umklammerung! Sofort!“). Klingelt es mehrmals, frage ich mich natürlich auch, ob nicht etwa etwas passiert ist. Aber dann würde die betreffende Person doch stürmischer klingeln!? Es nochmals probieren?! Die einzige Person übrigens, die das eine erquickliche Telefonat von zehn garantiert, ist meine Schwiegermutter.

Sehr enervierend sind Erwachsene im Haushalt, die mich fragen, warum ich nicht rangehe, die sagen: „Dein Telefon klingelt, willst du nicht rangehen?“ Ich sage: „Hallo!? Seit wann sind wir verheiratet?!“ Noch enervierender ist es, wenn eins der Kinder an mein Handy geht, mein privates Handy, das ich ja gerade aus bekannten Gründen klingeln lasse, so hört doch auf mich.

Einmal ging der Sohn wieder ran an mein Telefon. Und weil ich auf das zunehmend heikle Gespräch strategisch nicht eingestellt war, redete ich mich prompt um Kopf und Kragen und: um einen schönen Abend. Die Person redet seither nicht mehr mit mir, was zwar mittelfristig meinerseits ebenfalls anvisiert war, schöner ist ein Abend aber ohne Kommunikations-GAU vorher.

Einen Abend vor Valentinstag, mein Sohn kriegt erstmals am laufenden Band Whatsapps von unbekannten Teilnehmern und läuft mit roten Wangen rum. Mädchen also. Die eine war die doofe Karla, findet er raus. Sofort blockieren. Aber wer ist diese Nummer??? Er ruft sofort mal an. Sie geht nicht ran. Hey, mein Sohn, erste Regel beim Telefonkontakt, auch mit dieser Charlotte: Mach dich rar, es wird den Bass für deinen Mythos unterlegen, wie ein „Ring, ring, ring. Hey how ya doin’, sorry ya can’t get through“.

Katharina Schmitz schreibt im Freitag als Die Helikoptermutter über die Unzulänglichkeiten des Familienlebens

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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