Oh die Gewissensbisse!

Moral Zwischen Sünde und Versagen – über die Nöte derer, die alles richtig machen wollen
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 51/2020
Wer ohne Tadel ist, hebe den ersten Zeigefinger
Wer ohne Tadel ist, hebe den ersten Zeigefinger

Foto [M.]: Imago Images (3); dpa (1)

Bestimmt gehen die allermeisten Menschen mit einer moralischen Richtschnur durchs Leben und kommen doch immer wieder vom rechten Wege ab. Elender Phlegmatismus: Jetzt habe ich schon wieder den Mehrwegkaffeebecher zu Hause vergessen! Das ist die Stunde des Moralisten. Er kann nicht hinnehmen, dass es nicht besser geht. Auch wird er im Kaffeebecher kein triviales Beispiel sehen, sondern eine Verfehlung, die in der Summe fatal ist. Der Moralist fühlt sich dort zuständig, wo ethische Standards nicht verbindlich geregelt sind, und deshalb mag man ihn nicht besonders, diesen Moralisten. Es hat sich eine ganze Publizistik herausgebildet, die ihm sein Tun madig macht. „Gutmensch“ ist da nur die kümmerlichste Zerrform seines Wesens. Bei Moralismus assoziiert mancher sofor