Bestimmt gehen die allermeisten Menschen mit einer moralischen Richtschnur durchs Leben und kommen doch immer wieder vom rechten Wege ab. Elender Phlegmatismus: Jetzt habe ich schon wieder den Mehrwegkaffeebecher zu Hause vergessen! Das ist die Stunde des Moralisten. Er kann nicht hinnehmen, dass es nicht besser geht. Auch wird er im Kaffeebecher kein triviales Beispiel sehen, sondern eine Verfehlung, die in der Summe fatal ist. Der Moralist fühlt sich dort zuständig, wo ethische Standards nicht verbindlich geregelt sind, und deshalb mag man ihn nicht besonders, diesen Moralisten. Es hat sich eine ganze Publizistik herausgebildet, die ihm sein Tun madig macht. „Gutmensch“ ist da nur die kümmerlichste Zerrform seines Wesens. Bei Moralismus assoziiert mancher sofort eine Partei, andere denken schnell an Ideologie oder gar an Tyrannei. Warum nur? Dieser Frage gehen die Herausgeber des Bandes Kritik des Moralismus (Suhrkamp) nach, Christian Neuhäuser ist Professor für Praktische Philosophie an der TU Dortmund, Christian Seidel Professor für Philosophische Anthropologie am Karlsruher Institut für Technologie.
Diktat der Tugend
Der Antimoralist im Geiste Nietzsches, der im Grunde genommen ein besserer Moralist sein will, könnte nun einwenden: Schlimmer als der Kaffeebecher, den ich vergessen habe, ist der soziale Pranger, an den ich gestellt werde (wobei er uns rebellisch mit Glühwein zuprostet). Das ist die Argumentationsstruktur der Moralkritik heute. Sie führt zu was? Zu nichts.
In der Geschichte der Philosophie gilt Kant als rigoroser Moralist. Sein moralischer Imperativ duldet keine Ausnahme. Es war Nietzsche, der Immanuel Kants Moralkonzeption als ganze unter Moralismusverdacht stellte, wie Beatrix Himmelmann in dem Band herausarbeitet. Für Nietzsche stünden Kants Ideen exemplarisch für eine verfehlte, „lebensfeindliche“ Konzeption, aus der sich in der Folge dann „irrige praktische Ansprüche und Haltungen ergäben“. Die Welt ist aber auch verflixt kleinteilig. Überall scheint der Mensch, besonders wenn er im Norden der globalen Hemisphäre wohnhaft ist, moralisch zu versagen. Da ist die Flugreise mitten in der Klimakrise, eine Bestellung beim Internetriesen, die mindestens drei Bäumen das Leben kostet. Alltagshandlungen, die früher einmal unverfänglich waren, werden sündhaft, beinahe. Nicht zu vergessen all die sträflichen Dinge, die einem mit dem Essen passieren: Selbst die Milchtrinkerin sollte wissen, dass die Kuh ein Lebewesen mit Rechten ist, und in der (industrialisierten) Milchwirtschaft geht es der Kuh einfach auch nicht gut. Und was wäre hier eine produktive moralische Intervention? Vielleicht der Hinweis, dass es vegane Alternativen gibt. Vorsicht jedoch bei Südamerika-Soja, der könnte den moralischen Aktivisten wiederum in moralische Dilemmata stürzen, so wie den Elektroauto-Fahrer, der auch nicht einfach aus dem Schneider ist.
Ist der Veganismus eine Spielart des Moralismus?, fragt Bernd Ladwig. Eine Schädigung ihrer Mitmenschen müssten sich Veganer nur vorhalten lassen, wenn sie vorschnell und maßlos moralisch urteilten. Ihr Moralismus aber sei grundsätzlich berechtigt, denn der Verzehr von Tierprodukten „fällt in den Geltungsraum der Moral, sobald Tiere dafür leiden und/oder vorzeitig sterben müssen“.
Unter solchem Diktat leidet je nach Bildungsstand und Kaufkraft und Wohnlage der Mensch unterschiedlich. Es kann ihm Ansporn sein, öfter aber ist er überfordert, gekränkt, müde. Lange war sein Alltag eine Privatsache, und kein hypermoralischer Veganer (neben der Feministin ein beliebtes Feindbild) hatte das Recht, sich einzumischen. Nun aber nimmt sich die Moral ihr Recht, und der Kritisierte sieht seinen Individualismus oder die Wahrung der Tradition bedroht, seine Freiheit steht auf dem Spiel, er wird trotzig, resigniert. Er will nicht gendern.
Das Phänomen Moralismus mit seinen Spielarten ist komplex, und sogar die Moralphilosophie selbst mit ihrem Hang zur Pedanterie droht moralistisch zu wirken, heißt es einmal im Band, wenn etwa der Fall konstruiert wird, in dem einer beim Zähneputzen jemand anderen in Lebensgefahr bringt. Dass der Begriff abwertend verwendet wird, war aber nicht immer so. Im 18. und 19. Jahrhundert war „moralist“ laut Oxford English Dictionary noch eine neutrale (Selbst-)Bezeichnung für mit Sittenbefasste Lehrende, Studierende oder Schriftsteller-*innen sowie Moralphilosoph*innen. In der „spitzen Feder der französischen „moralistes“ und dem anklagenden Ton, in dem die „public moralists“ ihre sozialreformerischen Anliegen bisweilen vorbrachten“, sei jedoch „eine gewisse Kontinuität zur heutigen, pejorativen Verwendungsweise angelegt“.
Der Moralist hat also ein Problem. Denn er benennt Missstände zwar durchaus korrekt in der Sache, aber die Art und Weise seiner Kritik steht oft in einem falschen Verhältnis zum Gegenstand (im Fall von Karl Lauterbach enerviert schon das leicht Nölige im Ton). Und dann ist auch nicht immer klar, ob der Moralist wirklich nur von edlen Motiven getrieben ist. Die Verdachtshermeuneutik unterstellt ihm Selbstsucht und Distinktionsgewinn. Die wiederum werden sanktioniert. Und wer alles zu einer Gewissensfrage stilisiert, wird vermutlich bald nicht mehr zu Gans mit Rotkohl eingeladen.
Vor allem lebt der Moralist gefährlich, wenn er dabei erwischt wird, wie er Wein statt Wasser trinkt. Oder, wie jüngst im Fall der Hamburger Grünen-Politikerin Anna Gallina: die auf Malta nicht einschreitet, wenn am Tisch Hummer bestellt wird, und das just nach dem Besuch eines Flüchtlingsschiffs. Noch pikanter: Die „Hummer-Sause“ (Bild) wurde unsachgemäß abgerechnet. Beim Heuchler kommt sodann diebische Freude auf, weil es der „moralisch hochnäsigsten Partei, den Grünen“ (Ulf Poschardt), passiert. Ein Paradebeispiel: Gallina machte sich der Heuchelei verdächtig und die selbstgerechten Heuchler schwingen genüsslich die Moralkeule.
Der Heuchler ist streng genommen aber gar kein Moralist. Er nutzt Gelegenheiten, echte Diskurse abzuwürgen, die zu politischen Veränderungen führen könnten, zu Sanktionen, die von der Allgemeinheit getragen würden. Sanktioniert wird der Falsche: der Moralist. Im Band erwähnt werden übrigens Margot Käßmann und Christian Wulff, was niedlich erscheint, wenn man bedenkt, welche Shitstorms inzwischen durch die Welt fegten.
In Zurückhaltung üben
Leider ist keine Besserung in Sicht. Die digitale Kommunikation eignet sich sehr gut, das übertriebene Moralisieren zu befördern. „Abgesehen von konkreten Folgen für Einzelne kann verbreiteter Moralismus“, schreibt Eva Weber-Gusker, „auch populistischen Strömungen Vorschub leisten (…) und zu einer „allgemeinen Polarisierung normativer Debatten“ führen. Memo an die Moralisten und an mich: Nicht nur der Hass im Netz, sondern auch überambitionierter Online-Moralismus war in der Migrationsdebatte und ist jetzt inmitten der Pandemie kontraproduktiv. Manch ein Moralist hat hier, scheint es, zu seiner wahren Berufung gefunden, so moralisch aufgeladen ist die Einstellung zu Maßnahmen der Eindämmung. Der eine sieht Einkaufen als „patriotische Pflicht“ (Altmaier), der andere #stayathome als moralisches Muss, es sei denn, der Glühweinfan will wirklich über Leichen gehen ...
Ja, es gibt sie, die vielen Missstände. Die Krux ist ja, argumentiert Sabine Hohl, „die Moralkritik ist nicht ineffektiv, weil sie moralistisch ist, die Moralkritik ist deshalb ineffektiv, weil sie als moralistisch empfunden wird“ – wobei es durchaus moralisch falsche Handlungen gibt, die man aus moralischen Gründen dennoch nicht kritisieren sollte. Will man ernsthaft der Moral zur Durchsetzung verhelfen, sollte man sich öfter in Zurückhaltung üben, weil Kritik mitunter den noch größeren Schaden anrichtet, für Scham und Ärger sorgt. Wer für Veränderungen streitet, sollte sein Gegenüber nicht ohne Not brüskieren. Effektive Kritik wäre, wenn die Kritisierten den Forderungen der Moral freiwillig nachkämen. Ein unmoralisches Angebot, aber es sei zumindest anempfohlen: Andersdenkende nicht dämonisieren. Was auch ein Gebot politischer Klugheit wäre, will man einen breitenwirksamen Bewusstseinswandel erreichen, was ja eigentlich die Philosophie des Moralismus originär heute sein könnte. Dazu hilft auch: Statt auf andere Moralisten zu zeigen, manchmal den Moralapostel, der man ist, in sich selbst zu erkennen. Frohe Weihnachten.
Info
Kritik des Moralismus Christian Neuhäuser, Christian Seidel (Hg.) Suhrkamp 2020, 490 S., 28 €
Kommentare 28
Die Gelassenheit der für sich selbst richtig handelnden hat in den letzten 40 Jahren rein gar nichts bewirkt. Und als dann noch die Zonies hinzukamen war Konsumterror Staatsreligion. Ist jetzt auch egal. Wir sind dem sicheren Untergang geweiht, und der hat rein gar nichts mit Ethik oder gar mit Moral zu tun sondern mit der Tragfähigkeit des Planeten.
Nur am Rande: Tierschutz kann einer von vielen Gründen sein, Vegetarier zu werden. Aber das werde ich einer eingefleischten DDR-Bürgerin auch nicht mehr erklären können.
Die Deutschen und ihre (Moral-)Philosophen – keine gute Kombination: Bei Kant ließe sich gut die Frage stellen, welchen Praxiswert seine abstrakten Gebilde haben. (Außerdem soll er ein Pedant gewesen sein – was hier aber nichts weiter zur Sache tun soll.) Mit Nietzsche und seiner Amoralität war die Volksgemeinschaft imprägniert für ihren Start ins Dritte Reich – irgendwie also eher ein fragwürdiger Ankerpunkt als jemand, bei dem man in Sachen Moral fündig werden kann (es sei denn, man möchte sich – geht natürlich auch – mit Zivilisationskritik der Sorte »Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht« aufmunitionieren).
Die einzigen, die aus der Reihe schlugen, waren Marx und Engels. Allerdings waren die weniger Philosophen als vielmehr Zulieferer einer umfassenden Kritik der ökonomisch-sozialen Verhältnisse. Für die aktuellen Verhältnisse wären Sloterdijck und Precht anzuführen. Sloterdijck hat sich – unter anderem mittels eines Plädoyers für Steuerfreiheit – dem Klassenkampf oben gegen unten verschrieben, so dass sich auch hier die Frage stellt: ist was wichtig, oder kann das weg? Bleibt Precht. Einen gewissen Wohlfühlfaktor vermittelt der Mann zweifelsohne. Da er auch sonst keinen immensen Schaden anrichtet, würde ich persönlich sagen, dass die Deutschen mit ihm als Philosophen vergleichsweise noch am besten bedient sind.
Sie sind mit Ihrer Ossi-phobischen Auslassung ein beredtes Besipiel für die im Artikel beschriebene moralisierende Abwertung Andersdenkender.
Natürlich Beispiel
Liegt die Auswahl nicht daran, dass Du außer den populär so eben noch bekannten Sloterdijk und Precht, gar keine anderen Philosophen kennst und von den Genannten auch nichts gelesen hast? Die beiden kommen in dem Buch gar nicht vor. Es gibt (nicht nur, aber vor allem) in der deutschen Tradition, einen herben Bruch zwischen akademischer und außerakademischer Philosophie.
Man kann drüber diskutieren wie gut oder schlecht es ist Philosophie massenkompatibel runterzubrechen, Als Appetithappen okay, aber letztlich bin ich da bei Zorn (Philosoph), wer allein dabei bleibt, wird nie auch nur um Ansatz erfahren, was Philosophie ist und sein kann. Ich mag es gar nicht so gerne über Precht zu schimpfen, weil der erstens, gar nicht so schlecht ist und das zweitens, jeder macht, aber so ein wenig ist er schon der Richard Claydermann der Philosophie. Leicht verdaulich, eine hübsche Synthese von allem was man irgendwie wissen und verbinden muss, aber oft auch nicht mehr.
Ich bin auch von dem Wert von Übersetzermn überzeugt – macht Zorn ja durchaus auch – aber Philosophie muss weh tun und verstören, alles andere ist kalter Kaffee.
Wie wärs mit "Bespiel"?
Du weißt natürlich ganz genau, was Philosophie muss und was im übertragenen Sinn kalter Kaffee ist. Und was der gute Richard _nicht_ gelesen hat. weißt du besser als er selbst.
»Liegt die Auswahl nicht daran, dass Du außer den populär so eben noch bekannten Sloterdijk und Precht, gar keine anderen Philosophen kennst und von den Genannten auch nichts gelesen hast?«
Doch. Von Precht habe ich mindestens einen Titel ganz gelesen und von Sloterdijk zumindest Buchauszüge. Nun lese ich in deinem Kommentar aber, dass die beiden allenfalls halbe Philosophen seien – wenn überhaupt.
Darüber hinaus habe ich weder so noch so eine Meinung zu dem besprochenen Buch (oder seinen Autor/innen) zum Besten gegeben. Der Besprechungstext bezieht sich ja auch in weiten Teilen nicht auf den rezensierten suhrkamp-Titel, sondern vielmehr die beiden Altvorderen Kant und Nietzsche sowie, darüber hinaus, Fragen angemessener Alltagshaltung. Auf letztere bin ich – weil ein Fass ohne Boden – bewusst nicht eingegangen. Bei Kant und Nietzsche müßte mir jemand mal erklären, was der Sinn einer Beschäftigung mit dem Gedankengut ebendieser ist – speziell auch im Anbetracht der Tatsache, dass es Millionen weiterer Buchautor(inn)en gibt, von denen mit Sicherheit nicht alle schlecht sind.
Ich preferiere derzeit Beevor, »Der Zweite Weltkrieg«. Gute Grundlage, um die Basisfakten zur bislang größten Menschheitskatastrophe aufzufrischen.
Ich sagte ja, ich meckere gar nicht so gerne über Precht, den Schuh ziehe ich mir also an.
„Du weißt natürlich ganz genau, was Philosophie muss und was im übertragenen Sinn kalter Kaffee ist.“
Philosophie ist unausgesetzte Reflexion der eigenen Prämissen. Daraus ergibt sich zwingend ihre Unbequemlichkeit, weil damit Ende mit der gedanklichen Hängematte ist und allem Vorgestanzten ist oder es ist keine Philosophie. Ganz sicher.
Ach ja, der Precht, der gute, "halbfunktionierende", folgsame Staatsbürger.
Vor nicht allzulanger Zeit noch durchaus (naiv) kritisch, nun in seiner alternativlosen Verteidigung der Staatsdoktrin nur noch armselig.
Übrigens auch für Dich als Lesetipp: Gerd Held "Über das Staatsversagen in der Corona-Krise".
Ich weiss (jetzt schon), dass Du einiges evtl. sogar ähnlich sehen und auf Deine früheren Kritiken dazu hinweisen wirst.
Ich meine, dass die seit 16 Jahren Deutschland dienen wollende (vermeintliche) Haupt-Anstrengerin ebenso wie die Mehrzahl ihrer politischen Kollegen jegliches Recht verwirkt haben, Moralpredigten (insbesondere bezüglich des angemahnten Schutzes unserer Älteren und Kranken) an die Bevölkerung zu richten.
Der Name Alexander Jorde dürfte Dir ein Begriff sein?Falls nicht, füfe noch Wahlarena und Merkel hinzu, da wirst Du fündig.
„Bei Kant und Nietzsche müßte mir jemand mal erklären, was der Sinn einer Beschäftigung mit dem Gedankengut ebendieser ist – speziell auch im Anbetracht der Tatsache, dass es Millionen weiterer Buchautor(inn)en gibt, von denen mit Sicherheit nicht alle schlecht sind.“
Das geht nur, wenn Du Dich drauf einlässt. Du stehst aber als Marke dafür, genau das nicht zu tun. Das machst Du eigentlich sogar ziemlich gut, dass Du Dir aber kleine Seitentritte nicht ersparen kannst, zeigt, dass da durchaus noch was in Dir arbeitet und dass Du die intellektueller Möglichkeiten dazu hast, weißt Du selbst. ;-)
Dieser Beitrag geht zu wenig auf den Unterschied von Moral und Ethik ein (ich vermute, daß man das nicht von dem besprochenen Buch sagen kann). Ohne diesen Unterschied versteht man nicht, wie es zum Amoralismus Nietzsches, zum Bruch der Neuzeit mit dem christlichen Mittelalter kommen konnte und mußte. Dabei ist Nietzsche nur die finale Gestalt dieses Bruches. Er bereitet sich in der Aufklärung vor, im Utilitarismus und Frühmaterialismus, dann Kant, Hegel und kulminiert schließlich in Marx, der noch Nietzsches Voluntarismus begreifbar macht. Danach arbeiten die entstehenden Wissenschaften der Psychologie, Soziologie, Anthropologie, Ethnologie, Erkennnistheorie, Linguistik usw die Konzepte der Aufklärung aus (sofern sie nicht positivistisch verkürzt sind).
Moral ist Sollen, Ethik ist verantwortlich Wollen. Moral ist nicht mit der Idee der Freiheit vereinbar, Ethik sehr wohl. Mehr noch, man könnte philosophisch zeigen, daß Freiheit nur ihrem Begriff entsprechen kann, wenn sie verantwortete Freiheit ist.
Moral ist schon super. Moralismus nicht. Beides unterscheiden zu können ist nicht ganz unwichtig. Der Zusammenhang zwischen Verschwörungstheorien und einer sehr moralischen Haltung (die sich oft als wirklich gerechte und wahre Position gegen den Moralismus sieht) ist evident.
Der dringende Wunsch die Wahrheit überall ans Licht zu bringen, ist wiederum problematischer als man meint und so gut wie immer mit eine hohen Bedürfnis nach Kontrolle assoziiert, was im eigenen Erleben als wohlmeinend empfunden wird. Man will doch nur das Beste für alle. Du gibst Dir da gerade die Intensivkur, ich drück Dir die Daumen, dass Du Dir in dem Punkt auf die Schliche kommst. An Deiner Wahrheitsliebe im besten Sinne habe ich keinen Zweifel.
Moral ist trivial
Die Art Mensch ist hypersozial und sehr normativ.
Neuronale Muster haben mit der Sprechfähigkeit des M. Sprache angenommen und sind dann über scheinbar rationale Strukturen in Handlungskonventionen überführt worden. Scheinbar deshalb, weil neuronale Muster lediglich elektrochemische Vorgänge sind. Fasst man Sprache als Schall auf und Schrift als in Stein oder auf Papier gebrachte Sprache, ergibt sich ein willkürliches System, das nur von Menschen für Menschen zu verstehen ist. Sämtliche Wissenschaft und Kultur funktioniert nur für die Spezies Mensch und nur für die Zeit, in der es die Art Mensch gibt. Die Allgemeingültigkeit, die Wissenschaften postulieren ist nicht zulässig.
Beim erfassen dieser Zusammenhänge hilft es biologische von geologischen Zeitskalen zu unterscheiden.
»dass da durchaus noch was in Dir arbeitet und dass Du die intellektueller Möglichkeiten dazu hast, weißt Du selbst. ;-)«
Ich bitte dich: Beevor ist Militärhistoriker; der liefert im Zweifelsfall allerhöchstens ultrabrutale Patton-Zitate – exakt so, wie sie sich auf diesem Globus zugetragen haben ;-).
Worauf / auf wen bezieht sich das Wort "Verschwörungstheorien" in Deinem Antwortkommentar?
Der Wunsch nach Wahrheit ist problematisch?
Und welche "Intensivkur" gebe ich mir gerade?
Weil ich nach der "Wahrheit" suche?
Du hörst Dich manchmal ganz schön allwissend und oberlehrerhaft an.
Gerd Held? Alexander Jorde? Keine Meinung?
Auszug:
„Wir dürfen denken, was wir wollen, aber als Staatsbürger haben wir zu funktionieren“ – dieses Zitat stammt von Richard David Precht. Der Pin-Up-Philosoph der deutschen Talkshow-Prominenz hat kein Verständnis für jegliche Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierung. An Regeln habe man sich zu halten. Punkt. Einem guten Staatsbürger stünde es nicht frei, diese zu interpretieren. Hört auf, selbstständig zu denken, Eure Regierung weiß am besten, was gut für Euch ist. Aussagen wie diese könnten auch von chinesischen oder nordkoreanischen Staatsphilosophen stammen. Erstaunlich, dass derartige Äußerungen heute unwidersprochen bleiben. Haben wir nichts aus unserer Geschichte gelernt?“ (Jens Berger)
Der Staatsphilosoph vor der roten Ampel
"Bei Kant und Nietzsche müßte mir jemand mal erklären, was der Sinn einer Beschäftigung mit dem Gedankengut ebendieser ist – speziell auch im Anbetracht der Tatsache, dass es Millionen weiterer Buchautor(inn)en gibt, von denen mit Sicherheit nicht alle schlecht sind."
Ist schon erstaunlich, was man hier so ab und an liest. So einfach läuft das nun nicht ab. Ohne das 1 x 1 geht´s auch nicht in die höheren Rechenarten. Und da Sie bei Corona sehr pragmatisch/verantwortlich und nüchtern argumentieren, dürfte Ihnen das nicht schwer fallen. Danach lässt sich dann auch trefflich argumentieren.
„Worauf / auf wen bezieht sich das Wort "Verschwörungstheorien" in Deinem Antwortkommentar?“
Allgemein auf den Zusammenhang zu erhöhter Skepsis, dass es nicht so ist, wie es zu sein scheint und bei mir immer auch der Frage, was man selbst davon hat, wenn man so eine Position einnimmt. Es wird ja gerne „Cui bono?“ gefragt, aber damit ist etwas im Sinne äußerer Macht, Posten, Geschäfte usw. gemeint, darauf was es innerlich bedeutet schaut man nicht, kennt es folglich auch nicht.
„Der Wunsch nach Wahrheit ist problematisch?“
Vor allem in Beziehungen. Aber auch im Staat. Die Idee, dass wir allzeit offen zu einander sein sollten und es doch (wenn man sich liebt, wenn man ein integerer Mensch ist) auch keinen Grund gibt, dies nicht zu tun, ist vordergründig so einleuchtend und verlockend, dass man kaum auf die Idee kommt, sich zu fragen, warum man so etwas eigentlich einfordert. Hat aber einen ziemlich erhöhten Schwierigkeitsgrad.
„Und welche "Intensivkur" gebe ich mir gerade?“
Du versucht recht radikal nach der Wahrheit zu suchen, ist mein Eindruck.
„Weil ich nach der "Wahrheit" suche?“
Da hätte ich mal weiter lesen sollen: Ja.
„Du hörst Dich manchmal ganz schön allwissend und oberlehrerhaft an.“
Ja. Ich bin aber nicht allwissend, sondern nur oberlehrerhaft. :-)
„Gerd Held? Alexander Jorde? Keine Meinung?“
Kein Ahnung, Ich kenne beide nicht. Lese ich mir später mal durch, ich komme drauf zurück,
Gut, dass es den "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" nicht nur im Strafrecht gibt.Wer sich selbst moralisch "fertig macht", weil er einmal den Mehrweg-Kaffeebecher vergessen hat, dem wird auch sonst im Leben wohl nicht zu helfen sein.
Wir alle konstruieren uns ein Lebensentwurf, dem wir nachgehen möchten, wie wir leben wollen. Wenn wir entscheiden, künftig Mehrweg zu nutzen, muss das nicht schlecht sein, im Gegenteil, man darf es als sinnvoll bewerten. Aber jeder Erwachsene sollte schon so viel Lebenserfahrung gesammelt haben, nicht immerzu nur das Superlativ, das Absolute, das Unbedingte gelten zu lassen. Um beim blöden Kaffeebecher-Beispiel zu bleiben: wenn ich von 100 Tagen 95 mal Mehrweg nutze und leider 5mal das vergesse - DARF ich das auch so einordnen. "Kein Beinbruch".
Du sollst nicht lügen, oder präziser "kein falsch Zeugnis reden wider deinem Nächsten" kann auch als Tugend oder einfach nur Gut angesehen werden, ob christlich gläubig oder nicht. Niemand schafft dies im Absoluten - doch deshalb geben wir diesen Anspruch, dieses Ziel nicht auf.
Alles also ganz natürlich, etwas was jeder als Erwachsener einzuordnen fähig sein sollte. Doch der Trend geht immer nur zu Schwarz oder Weiss, Strom an oder Strom aus, Freund oder Feind.
Dies ist das Problem, und nicht das andere.
Kant und Hegel sind (für mich) unlesbar. Habs als junger Mann versucht, ehrlich. Ihre Werke sind ganz klar an das akademische Publikum ihrer Epoche gerichtet. Dennoch halte ich es für eine großartige Einsicht, dass Freiheit aus der Einsicht in die Notwendigkeit entsteht. Daraus kann man in diesen Zeiten konkrete Schlüsse ziehen und entsprechend handeln. Außerdem überführt es den Freiheitsbegriff der Coviotenszene nach Absurdistan.
Nietsche ist mir nicht bekannt weil mich früher seine Apologeten angewidert haben. Heute weiß ich, dass diese Apologeten sich wahrscheinlich eher auf seine Schwester beriefen, die sein widerliches letztes Werk herausgegeben (wenn nicht gleich selbst verfasst) hat während der Meister schon in geistiger Umnachtung war.
Alexander Jorde habe ich jetzt nachgeachlagen, Krankenpfleger mit Regierungskritik. Ja, ich weiß, dass da nichts getan wird und die Zeichen weiter auf Abbau stehen. Ich habe schon gekündigt.
Was Gerd Held in dem Artikel schriebt ist alles richtig (und hat mich in der Kombination zur Kündigung bewogen), aber es interessiert nicht nur von den Politikern keinen, sondern auch von der Normalbevölkerung niemanden, also sehr wenige. Habe ja selbst schon 2x was dazu geschrieben, da es nicht interessiert, verlinke ich es nicht.
Genau, vor allem, wenn die Autorin gar nicht aus dem Osten stammt.
".......Will man ernsthaft der Moral zur Durchsetzung verhelfen, sollte man sich öfter in Zurückhaltung üben, weil Kritik mitunter den noch größeren Schaden anrichtet, für Scham und Ärger sorgt. Wer für Veränderungen streitet, sollte sein Gegenüber nicht ohne Not brüskieren. Effektive Kritik wäre, wenn die Kritisierten den Forderungen der Moral freiwillig nachkämen. Ein unmoralisches Angebot, aber es sei zumindest anempfohlen: Andersdenkende nicht dämonisieren. "
Danke für den Artikel. Gern gelesen !
Es gibt ebend für Jeden einzelnen eine Trennlinie, was geht und was nicht geht.Die imaginäre Linie zieht Jeder selber. Darüber lässt sich trefflich streiten. Das bedeutet z.B. für mich, daß ich Karikaturen nicht verdamme, nur weil sie meine imaginäre Linie überschreiten.Für mich gilt die Freiheit der Karikatur....Die Gläubigen mögen das anders sehen akzeptiert. Und da Wölki so trefflich sich vorbeimogeln wollte was den Mißbrauch von Kindern betrifft und seinen Glaubensbruder nachweislich schützte, kann der auch ein paar Karikaturen bekommen,vielleicht sorgt das ganz kurz für eine Befreiung.Diese elende Verlogenheit in diesem Land ist so besch...wie die Lügen in der DDR Zeit.
Oh, dann ist das also die Katharina Schmitz, die auch im rechtsoffenen Cicero schreibt? Dort biedert sie sich dem gemeinen AfD-Pöbel an.
Ich kann vieles davon, auch die Trivialität der Moral als solches, sehr gut nachfühlen. Auch wenn ich nicht der belesenste, gebildetste Mensch auf Erden bin, interessiert es mich doch sehr, wie Moral, Ethik und alle diesbezüglich relevanten Themen im Allgemeinen einzuordnen sind. Da helfen letztlich auch Lektüren wenig, wenn wir uns im subjektiven Kosmos befinden und nach einer allgemeingültigen Antwort suchen. Vielleicht ist auch das Ziel nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern der Weg da hin.
Im Netz ist das Thema nur leider selten gut aufgehoben. Die Notwendigkeit von Differenzierung bei einem sensiblen Thema wie Moral kann man sich nur herausziehen, wenn man sich alle Portale, auch die ungeliebten, zu Gemüte führt. Und dann nicht in die Falle tappt, sich von der jeweiligen Textfärbung einnehmen zu lassen. Letztlich sind nämlich Lebenserfahrung und eigener, moralischer Kompass das Ausschlaggebende - wenn es natürlich nicht mit dem Gesetz kollidiert.
Was heute auffällig ist, ist der Missionierungscharakter, der nicht die Vorteile sachlich darlegt, sondern mit der Brechstange Gedanken umzubiegen versucht. Egal ob rechts, links oder in der Mitte wird ständig ein eigenes Weltbild missioniert, das vielleicht bei Bereichen wie Klimawandel etwas Absolutes an sich hat, aber trotzdem nicht zum Erfolg führt. In abstrakter Weise passt es zur Redewendung "Man mag den Verrat, aber den Verräter nicht." Und wenn man Debatten nicht versachlichen kann, macht man seinen eigenen Rebellismus eben an Personen, Gruppen oder sonstigem fest, um ihn auch noch zu rechtfertigen. Auf dieser subjektiven, emotionalen Ebene lässt sich eben alles kleinreden, zumindest thematisch bedingt. Diesbezüglich müsste man eben im Vorfeld abstecken, was machbar, nötig und vertretbar ist, und da sehe ich eher das Problem als in der Nachbereitung.
Ja,ja die Ismen, sie zerstören in der Regel mehr als sie aufbauen.