Unter den Möglichkeiten - Freunde in Scheißjobs

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Neulich war mein (....) Freund Ulrich in der Stadt. Ulrich hat Jahre auf die was-machst-du-beruflich-Frage Auskunft erteilt, er arbeite an seiner Doktorarbeit und dann in seiner Ulrich-Art das Thema gewechselt. Heute sagt er, er schreibe für so eine PR-Bude, ein Ulrichsatz im Original, nur Freunde bemerken, wie die rheinisch ironischen Augenfältchen linearer werden, zu einem strengen Blick, Tendenz Mördergrube.

Gestern habe ich mir Smoker gekauft, genauer: nicht gekauft, sondern mitgenommen, nun stelle ich mir vor, Ulrich schreibt für Smoker. Das zweimonatlich erscheinende Heft, die Auflage ist 125.000, liegt kostenlos im Kassenbereich am Kiosk. Google informiert, seit Anfang des Jahres ist der Umsatz bei Zigaretten um fast neun Prozent eingebrochen, bei Zigarillos und Zigarren um rund 36 Prozent. Hinter Smoker steckt also ziemlich wahrscheinlich eine publizistische Verzweiflungstat. Im Smoker ist Rauchen so eine Art Hobby wie Kochen oder Gärtnern, eine Lebensart. Der Raucher soll, ähnlich wie der Weinliebhaber die jährliche Expertise des Cabernet Sauvignon Chateau Mouton Rothschild sehnlichst erwartet, und egal ob jetzt Serge Gainsbourg oder Helmut Schmidt, en detail (samt historischen Meilensteinen) lesen wollen, wie der Tabak von seiner Entdeckung 1491 durch Ureinwohner über Kardinal Richelieu (Einfuhrzölle auf Tabak) zu Brahms (Tabak im Holzbein) zu Gun` s and Roses gekommen ist, soll interessiert sein an der modernsten Zigarettenfabrik Deutschlands in Trier oder an kriegsähnlichen Reportagen, die titeln: "Kampf um Camel. Bewaffnete Angriffe auf Zigarettentransporte".

Kurz: Das Blatt ist zu schlecht, um sich überhaupt länger darüber zu erregen, höchstens über die offensichtliche Infiltration der Zigarettenindustrie. Smoker ist peinlich, ein Flop, selbst für Freunde der PR, allein - Ulrich könnte dort arbeiten. Wenigstens ist Nina Kunzendorf im Portrait. Das dürfte ihn aufgemuntert haben. Beim Tatort darf nämlich geraucht werden, wenn es die Milieuschilderung erfordert.

Die Blattmacher aus Köln bedienen - meine Güte, so läuft eben das Business - eine unzimperliche Palette an Themen und produzieren auch Jugend- und Kindermagazine wie "Frag doch mal die Maus". Nach drei Gläsern Rotwein wird Ulrich manchmal zynisch. Wenn er in so einer PR-Bude arbeiten würde, würde er für Smoker eine Kontakterubrik vorschlagen: "Belmondo-Typ sucht Prachtfluppe. Motto: Lieber tot als auf dem Balkon." Wer hier textet, arbeitet entweder mit seinen Möglichkeiten oder hat seine Doktorarbeit nie geschrieben. Ach Ulrich -wenigstens stehst Du nicht im Impressum.

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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