Was die Sache schief macht

PISA-Studie Statt Kinder zu testen, sollte man besser die reformpädagogischen Lernkonzepte der letzten Jahre einer gründlichen Revision unterziehen
Irgendetwas fällt dabei unter den Tisch
Irgendetwas fällt dabei unter den Tisch

Foto: imago images / photothek

Beim Pisa-Test liegt ein „Konstruktionsfehler“ vor, wie beim gleichnamigen Turm. Vielleicht sogar mehrere. Man weiß es, aber es hilft nichts. Das Land ist jetzt wieder in heller Aufregung, weil Schüler und Schülerinnen in Deutschland in etwa so schlecht abschnitten wie im Jahr 2015. Bei der internationalen Vergleichsstudie der OECD in den drei untersuchten Feldern Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften liegt Deutschland in der Rangliste wieder nur irgendwo in der Mitte. Zwar vor Slowenien, aber hinter Norwegen und Australien. Aber bitte nicht festnageln, da die Autorin den Test nicht ernst nimmt.

Es ist schlimm, so schlimm. Eigentlich überhaupt nicht schlimm: denn der internationale Lernstands-Vergleich von 15- Jährigen Schülern ist einfach grundfalsch. Warum versteht das keiner? Das versteht doch eigentlich jedes Kind. Hartnäckig hält sich die Behauptung, der Pisa-Test könne Rückschlüsse auf die – äh – Bildungslandschaft ermöglichen. Dabei ist allenfalls richtig zu sagen, dass die Lernkultur sich in den traditionell führenden Ländern ziemlich von der Lernkultur zum Beispiel in Europa unterscheidet. Man müsste die Unterschiede hervorheben! Banal wahr: Das Bildungssystem in China ist anders als Schule in Deutschland. Fest steht auch, dass der gewachsene Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund eine Ursache ist für etwa schlechte Lesekompetenz von Kindern. Auch das muss dringend analysiert werden, aber wozu braucht es dafür eine internationale Vergleichsstudie? Wir können uns ja noch nicht mal in Deutschland untereinander vergleichen, so unterschiedlich ist die Lage in den einzelnen Bundesländern, Regionen, schon in einer Stadt.

Top sollen die Schüler in den so genannten „Lesestrategien“ sein. Man sollte sich nicht täuschen, denn diese Kompetenz ist wahrlich kein Kompliment. Kinder haben hier gelernt, mit dem Textmarkern „wichtige Stellen“ in einem überschaubaren Text zu identifizieren und ein paar Informationen in Tabellen einzutragen. Sie lernen vor allem, Fakten von Meinung zu unterscheiden. Blöder ist, dass Kinder schon Lesestrategien entwickelt haben, bevor sie überhaupt mit komplexerem Wissen konfrontiert wurden. Es fehlt zudem an Leseverständnis, kein Wunder wenn man im Unterricht nur lernt, Fakten von Meinung zu unterscheiden. Kein Wunder auch: Schon in der Grundschule hangeln die Kinder sich von Lernstandsbeurteilung zu Lernstandsbeurteilung. Wo bleibt da die Zeit für den Unterricht?

Was die Sache noch schief macht. Deutschland nimmt den Testdurchführung traditionell sehr ernst (Jawoll, Chef!), nicht nur Gymnasiasten sondern auch Gesamtschüler, Realschüler und Hauptschüler nehmen teil. 5500 Schülerinnen und Schüler aus 220 Schulen machen hierzulande mit, sie werden per Zufallsprinzip ausgewählt. Die Konkurrenz scheint aber zu schummeln. Man munkelt, dass manchen Schülern in anderen Ländern der 79 teilnehmenden Staaten nahe gelegt wird, am Test-Tag der Schule fern zu bleiben. Das ist so gemein!

Das Fazit des Tests, in seinen Worten: „Die Förderung schwächerer Schülerinnen und Schüler und die breite Förderung von allen Jugendlichen ist immer noch eine zentrale Aufgabe, die gezielt Aufmerksamkeit erfordert“. Ach so. Es ist immer das gleiche Fazit. Was heißt Förderung konkret? Es würde helfen, statt Kinder zu testen, die reformpädagogischen Lernkonzepte der letzten Jahre einer gründlichen Revision zu unterziehen. Mein Verdacht: Nicht alle Konzepte sind geeignet, einer pluralen und heterogenen Schülerschaft kompetent zu begegnen. An Selbstkompetenz, Sozialkompetenz und Methodenkompetenz, mangelt es solchen Schülern oft nicht. Auch nicht an Medienkompetenz. Das ist löblich. Aber irgendetwas fällt dabei unter den Tisch, zum Beispiel das Schreiben von Diktaten oder: die Sachkompetenz.

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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