Was soll die Gleichmacherei?

Schule Markus Söders Entscheidung, nicht an der Vereinheitlichung der Bildungsstandards mitzuwirken, ist richtig
Ausgabe 48/2019
Obacht, hier kommt der Bildungslotse
Obacht, hier kommt der Bildungslotse

Foto: Imago Images/Sven Simon

Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident von der CSU, liegt diesmal richtig. Sein Land will wie Baden-Württemberg nicht mehr beim Nationalen Bildungsrat mitmachen. Söder fürchtet, dass die Vereinheitlichung von Bildungsstandards zu einem „Berliner Abitur“ führen könnte. Recht hat er. Irgendwo in der Mitte müsste man sich ja treffen – heute Mittelmaß, bald Mittelmäßigkeit?

Umgekehrt haben wir Berliner eine Heidenangst, das Abitur nach bayrischem Standard könnte sich durchsetzen! Auch vor den schlauen Sachsen hat unsereins Respekt. Ostdeutsche Bundesländer absolvieren das Abitur in der Regel in 12 Jahren. Im Westen dagegen ist die G8-Einführung gehörig gescheitert. Neuerungen schlagen meist fehl, wenn sie nur aufgestülpt wurden, und nicht regional, kulturell oder historisch gewachsen sind.

Überhaupt: Warum sollten Schülerinnen und Schüler an der Ostsee das Gleiche lernen wie die im Alpenvorland? Gerade das Vertiefen des Spezifischen ist doch die Chance, dass individuell Erlerntes flexibel angewandt und produktiv ausgetauscht wird. Deutschland ist eine vielfältige Nation. Das ist erfreulich und eine Herausforderung. Die Gesellschaft ist typisch deutsch, mancherorts vor allem migrantisch geprägt, einige Gegenden sind strukturschwach oder immer noch traditionell verhaftet. Es gibt landauf, landab verschiedene Schulformen und Unterrichtskonzepte, keine Lehrerin ist wie die andere. Was soll die Gleichmacherei? Nur damit ein Kind aus Berlin-Kreuzberg nicht sitzenbleibt, wenn die Eltern nach Bamberg ziehen?

Übrigens: Man kriegt auch in Hamburg oder Hessen nichts geschenkt. Das Bildungswesen ist aber kein Konzern im globalen Wettbewerb. Weshalb auch internationale Vergleichstests wie Pisa keinen Sinn machen. Sind wir wie China? Nein.

Die „Süd-Länder“ fordern nun ihre Kompetenz zurück. Das ist gut so. Ob Schullaufbahn in der schwäbischen Provinz oder in einem sozialen Bremer Brennpunkt – zur Vorbereitung auf die Uni sind die Brückenkurse sowieso hilfreicher. Ein Staatsvertrag, wie jetzt vorgeschlagen, wird weiter nichts lösen, solange man die Probleme fehlinterpretiert.

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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