Der Solidaritätszuschlag – eine für die FDP geradezu fürchterlich gerechte Angelegenheit

Meinung Der Bundesfinanzhof berät über die Zukunft des Solidaritätszuschlags. Wie Bundesfinanzminister Christian Lindner und seine FDP damit umgehen, ist nur ehrlich
Finanzminister Christian Lindner
Finanzminister Christian Lindner

Foto: John MacDougal/AFP/Getty Images

Seit dem 1. Januar 2021 zahlen Menschen, deren jährlich zu versteuerndes Einkommen unter 62.603 Euro (Verheiratete unter 125.206 Euro) liegt, keinen Solidaritätszuschlag mehr. Das sind rund 90 Prozent. Wer mehr verdient, muss solidarisch sein (nimmt man das Wort mal nicht allzu ernst). Nun will der Bundesfinanzhof in einem Musterverfahren des Bundes der Steuerzahler entscheiden, ob die Festsetzung der Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag für die Jahre 2020/21 rechtens ist. Ein Ehepaar aus Bayern dient der Lobbyorganisation als exemplarischer Kläger und beruft sich darauf, dass der Solidarpakt II Ende 2019 ausgelaufen sei. Stimmt.

Nun wäre es am Finanzministerium, also an Christian Lindner (FDP), vor Gericht die weitere Erhebung des Solizuschlages ab einem bestimmten Einkommen zu verteidigen. Ist schließlich sein Geld und sein Vorgänger und jetziger Kanzler, Olaf Scholz (SPD), hatte sich auch etwas dabei gedacht, höhere und hohe Einkommen, sowie Kapitalanleger:innen und Kapitalgesellschaften weiterhin zur Soliabgabe zu verpflichten.

Das Finanzministerium tritt nicht bei

Jüngst verkündete Lindner jedoch, sein Haus werde den Beitritt zum Verfahren vor dem obersten Gericht in Steuersachen zurückziehen. Eine wahrscheinlich nicht mit den Koalitionspartnern abgestimmte, aber ehrliche Entscheidung. Es hätte wahrlich ein wenig grotesk gewirkt, verteidigte das FDP-geführte Finanzministerium etwas, was deren Minister und dessen Partei vorher komplett abschaffen wollten.

Nun ließe sich sagen, es wäre aber nur fair und anständig, sich als Koalitionär nicht so weit aus dem Fenster zu hängen und damit seine Partnerinnen derart zu brüskieren. Die nämlich würden eher eine Ausweitung des Solidaritätszuschlages begrüßen, schließlich haben sich Krisen vervielfacht, verstärkt und bedrohliche Ausmaße angenommen, und Solidarität ist in aller Munde. Das jedoch wäre für eine reine Klientelpartei, wie es die FDP ist, ziemlich gewagt. Sie machte sich unglaubwürdig, nähme sie plötzlich das Ganze in den Blick und verlöre darüber jene aus den Augen, für die sie in der Regierung ist. Es käme in etwa so, als verkündete der FDP-Verkehrsminister plötzlich eine wirkliche Mobilitätswende.

In Ost und West bezahlt

An zwei Dinge sei noch kurz erinnert, weil es sich nie ins kollektive Gedächtnis gesetzt hat. Der Solidaritätszuschlag wurde in Ost UND West erhoben. Zum ersten Mal wurde er 1991 eingeführt und damals, um Mehrbelastungen sowohl durch Kosten des Golfkrieges, die Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südeuropa und die Aufgaben in den neuen Bundesländern abzufedern. Seit 1995 firmiert er unter „Kosten der deutschen Einheit“. Und was auch zur Wahrheit gehört: Das reichste Hundertstel der Gesellschaft hat den größten Anteil am Soliaufkommen geleistet (2018 waren das 28 Prozent des Gesamtaufkommens). Das war und ist eine für die FDP geradezu fürchterlich gerechte Angelegenheit gewesen, die man so einfach nicht stehenlassen kann, möchte man weiterhin Treuepunkte von der eigenen Klientel.

Die vollständige Abschaffung des Soli-Zuschlages begünstigte vor allem Besser- und Hochverdiener:innen. Die zu entlasten, ist eine der Hauptaufgaben, die sich die FDP auf die Fahnen schreibt. Auch der Koalitionsvertrag eignet sich nicht, dem Finanzminister jetzt einen Vorwurf zu machen. In dem wurde der Solidaritätszuschlag gar nicht aufgerufen. Man kann einfach nicht erwarten, dass diese Partei und ihre Minister gegen sich selbst arbeiten.

Und die Koalition? Wird das verstoffwechseln. Wie Lützerath. Wo man sich ja auch fragt, ob die Grünen nicht mal anders …

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden