Tusch, Trommelwirbel, Konfetti: In diesem Jahr feiert das Glühbirnenverbot zehnjähriges Jubiläum. Im April 2009 trat die Verordnung EG Nr. 244/2009 der Ökodesign-Richtlinie der EU in Kraft. Weil herkömmliche Glühbirnen sehr viel Energie in Form von Wärme abgeben und damit Strom verschwenden, versprach sich die EU dadurch eine Reduzierung des Stromverbrauchs der Größenordnung Rumäniens – und damit eine CO2-Einsparung von 15 Millionen Tonnen pro Jahr.
Die meisten europäischen Länder fügten sich klaglos. In Deutschland jedoch führte das Glühbirnenverbot zu einem kollektiven Nervenzusammenbruch: Der verordnete Verzicht wurde als unzumutbarer „Eingriff in das Privatleben“ belärmt, Liberale, Rechte und Konservative beschworen die „Verbotsgesellschaft“ herauf und sowieso die Wahnvorstellung einer „Ökodiktatur“. Bis heute trifft man auf Flohmärkten renitente Händler, die gehortete Glühbirnen verticken. Übertroffen wurde diese Massenhysterie eigentlich nur noch anlässlich des von den Grünen vorgeschlagenen „Veggie-Days“ (ein Tag in der Woche fleischfreies Angebot in öffentlichen Kantinen), der selbst von seriösen Medien als „Ernährungsdiktatur“ diffamiert wurde. Seither traut sich die Öko-Partei kaum mehr, das Wort „Verbot“ in den Mund zu nehmen.
Sicher, man kann das Glühbirnenverbot als Symbolpolitik betrachten. Denn Deutschland hat mit dem Verbot zwar seinen Anteil am EU-Ziel erreicht. Doch insgesamt ist der Stromverbrauch der Privathaushalte gestiegen – durch Smartphones, Computer und technische Gadgets. Und noch viel mehr hat sich seither getan: Jeder fünfte neu angemeldete Wagen ist ein SUV, die Zahl der verkauften Riesenautos ist 2017 um ein weiteres Viertel gestiegen, der nächste Trend sind Pick-ups. Die Fleischproduktion ist auf Rekordniveau und die Billigairlines haben ihr Sitzplatzangebot in den vergangenen sieben Jahren um 187 Prozent gesteigert. Von Klimapolitik, die zu realen Einsparungen von CO2 führt, kann in Deutschland also keine Rede sein – geschweige denn von Verboten oder auch nur dem Abbau schädlicher Produkte, Industrien, Konsum-, Ernährungs- oder Mobilitätsmuster. Und trotzdem werden Klima- und Umweltschutz nicht als Frage globaler Gerechtigkeit und unabdingbar für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen diskutiert – sondern als Zumutung, Verzicht, ja sogar als antidemokratische Gewaltherrschaft. Eine erstaunliche Täter-Opfer-Umkehr.
„Das Prinzip der Freiheit hat sich bewährt. Wer 120 fahren will, kann 120 fahren. Wer schneller fahren möchte, darf das auch. Was soll der Ansatz der ständigen Gängelung?“, tobte Auto-Minister Andreas Scheuer über das Tempolimit. CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ist sogar der Ansicht, man würde mit einem Tempolimit, das in allen anderen europäischen Ländern ja längst existiert, „Autofahrer quälen und bestrafen“. Nach dem Dieselskandal erwog die Regierung sogar, die Gesetze so zu ändern, dass keine Fahrverbote möglich sind. Es ist wie mit Helikoptereltern, die der Lehrerin mit dem Anwalt drohen, weil sie ihr Kind schimpft. So schützt die Regierung den Einzelnen und seine Konsumfreiheit – und die Freiheit und Profite der Konzerne. Aktuell damit, dass der Kohleausstieg vermutlich weitere 20 Jahre verschoben wird. Zunehmend sind es deshalb Gerichte, die für den Schutz der Allgemeinheit einspringen: So hat der Europäische Gerichtshof die Bundesregierung immer wieder verurteilt, etwa wegen zu viel Nitrats in den Flüssen und wegen Luftverschmutzung durch Stickoxide.
Dabei ginge es ja womöglich oft nicht um Verbote, sondern zunächst einmal darum, schädliche Subventionen, Ausnahmen und Sonderrechte abzuschaffen. Was sonst ist denn die Befreiung der Flugindustrie von der Kerosinsteuer als ein gesetzlich verankertes Privileg, das zulasten der Allgemeinheit, der Menschenrechte, des Klimas und der Umwelt geht? Unsere Situation ist ja nichts anderes als eine große historische und geopolitische Ausnahme: Die wenigsten Menschen auf der Welt konnten und können sich unseren Lifestyle leisten. Doch dieses vermeintliche Recht auf deren Kosten verteidigt die Politik mit allen Mitteln.
Aber nicht allein dieses fatale Verständnis von Freiheit führt zum Stillstand. Sondern auch die Trennung der ökologischen von der sozialen Frage: Klimaschutz und Arbeitsplätze werden gegeneinander ausgespielt. „Umwelt- und Klimaschutz waren uns manchmal wichtiger als der Erhalt unserer Industriearbeitsplätze“, meinte Ex-Außenminister Sigmar Gabriel. Man fragt sich, wann das gewesen sein soll! Andersherum wurden laut dem Bündnis „Bahn für alle“ seit 1994 rund 350.000 umwelt- und klimafreundliche Arbeitsplätze abgebaut – nämlich bei der Bahn, der Bahntechnik und im öffentlichen Verkehr. Einen Aufschrei wie jetzt bei der Diskussion um den Kohleausstieg gab es nicht.
Am Rande der Tagung der Kohlekommission Ende Januar sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Aktivistinnen und Aktivisten der Bewegung „Friday for Future“, er sehe die Wirtschaft in Deutschland durch den Klimaschutz gefährdet. Er muss sich versprochen haben. Denn es ist ja genau andersherum. Und auf einem toten Planeten gibt es keine Arbeitsplätze.
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