Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu, auf eine Erwärmung von über 2,5 Grad, mit verheerenden Auswirkungen auf unser Leben auf dem einzigen Planeten, den wir haben. So lautete die Warnung der grünen Außenministerin Annalena Baerbock auf der nunmehr 27. Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich. Die Lage ist in der Tat dramatisch: Hinter uns liegt der dritte Hitzesommer in Folge, es war der heißeste seit 500 Jahren. Flüsse und Seen vertrockneten, Ernten fielen aus, es gab Hitzetote. Die Emissionen steigen weiter, das 1,5-Grad-Ziel, auf das sich die Weltgemeinschaft 2015 geeinigt hat, rückt in weite Ferne. Bleibt alles, wie es ist, werden es wohl 2,8 Grad werden. Und trotzdem ist Baerbocks Satz falsch. Denn nicht „die Menschheit
t“ sitzt hier am Steuer, sondern ein kleiner Teil der Weltbevölkerung. Insbesondere die Länder des Globalen Südens leiden am meisten unter den Folgen der Klimakrise, haben aber gleichzeitig am wenigsten dazu beigetragen.Ein Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam zeigt, in welchem Ausmaß Superreiche für die Klimakrise verantwortlich sind. Das liegt nicht nur an den Emissionen aus ihren Jachten, Luxusvillen, Privatjets, dicken Autos und neuerdings auch privaten Weltraumflügen, die bereits das Tausendfache der weltweiten Pro-Kopf-Emissionen verursachen. Sondern vor allem an ihren Investitionen in klimaschädliche Industrien. Laut der Oxfam-Studie „Carbon Billionaires: The investment emissions of World’s richest people“ ist ein Milliardär wegen seiner Geldanlagen im Schnitt für so viele Treibhausgase verantwortlich wie eine Million Menschen, die zu den ärmeren 90 Prozent der Weltbevölkerung gehören. Oxfam hat die CO₂-Bilanzen von 125 Milliardär*innen untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass ihre kumulierten Emissionen jedes Jahr 393 Millionen Tonnen betragen. Das entspräche dem CO₂-Ausstoß von ganz Frankreich. Die NGO fordert eine stärkere Besteuerung von Superreichen sowie eine bessere Kontrolle von Konzernen und Investitionen. Das ist schon alleine deshalb überfällig, weil nur so eine gerechte Anpassung an die Folgen der Klimakrise und eine Entschädigung der am meisten betroffenen Länder überhaupt möglich wäre.Darum müsste es in der Klimadebatte eigentlich gehen: um die wachsende soziale Ungleichheit und die Macht von Reichen und Konzernen, die einen großen Anteil an der Klimakrise haben. Dass ausgerechnet der bei Anleger*innen äußerst beliebte Getränkekonzern Coca-Cola, bekannt für Wasserraub und die Vermüllung des Planeten, Sponsor des Klimagipfels ist, ist ein sinnfälliger Beleg dafür, dass die Rolle der Reichen bei ökologischen und sozialen Krisen nicht angetastet wird. Auch die Grünen bleiben bei Verteilungsfragen zurückhaltend und träumen lieber von einem Ökokapitalismus, der an den Macht- und Eigentumsverhältnissen nichts ändern soll. Aber so bleiben, um Baerbocks Bild zu bemühen, diejenigen am Steuer, die uns in den Abgrund fahren werden, wenn wir das nicht verhindern.Genau deshalb sitzen im reichen Bayern derzeit zwölf Klimaaktivist*innen der „Letzten Generation“ ohne Prozess und Urteil im Knast. In München, wo so viele SUVs und Luxuskarossen täglich die Straßen verstopfen und die Luft verpesten wie kaum sonst wo in Deutschland, haben sie eineinhalb Stunden den Verkehr blockiert. Dafür können sie bis zu 30 Tage in Gewahrsam bleiben, das bayerische Polizeiaufgabengesetz macht es möglich – angeblich, um die Bevölkerung vor Amokläufen, Terrorismus und Stalking zu schützen. Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es so ein Gesetz. Einer Recherche der Krautreporter zufolge wurden zwischen 2019 und 2021 die meisten Menschen im Zusammenhang mit Klimaprotesten in Gewahrsam genommen. Selbst im Schwarz-Grün regierten Hessen wird ein solches Gesetz genutzt, um Aktivist*innen wegzusperren. Die Union legt sogar noch einen drauf und fordert eine bundesweite Strafrechtsverschärfung: Sie verlangt Freiheitsstrafen für Klimaaktivist*innen, die Straßen besetzen oder Sachen beschädigen. Eine absurde Täter-Opfer-Umkehr.Und natürlich geht es bei diesen Gesetzen nicht um den Schutz von Menschen, sondern um den von Privateigentum und Privilegien von Reichen und Konzernen. Die Gewalt, die der Klimakrise eingeschrieben ist, ist im Kapitalismus begründet, nicht in „der Menschheit“. Und sie bricht sich überall in solchen autoritären Verteilungskämpfen Bahn: „Die Beweise deuten darauf hin, dass mit der Verschärfung der Klimakrise auch die Gewalt gegen diejenigen zunimmt, die ihr Land und unseren Planeten schützen“, schreibt die Menschenrechtsorganisation Global Witness in ihrem jüngsten Bericht. 227 Menschen seien im Jahr 2020 für ihren Kampf gegen Umweltzerstörung und Landraub umgebracht worden, so viele wie nie zuvor.Die Klimakrise samt ihren Folgen ist nicht nur ein Verbrechen gegen die Natur, sondern immer auch gegen Menschen. Die Solidarität, wie sie in Ägypten in diesen Tagen so sehr betont wird, ist keine, solange Reichtum und Macht ausgeklammert werden und am System nicht gerüttelt werden soll.