Sharm El Sheikh ist ein surrealer Ort. In einem Land des Wassermangels, in einer trockenen Wüstenregion leuchtet der grüne Rasenstreifen auf dem Weg zum Gelände der COP27. Daneben leuchtend blau gemalte Fahrradwege ohne Fahrräder. Es ist ein künstlicher Ort, Touri-Disneyland einer verzerrten Realität. Eiskalte Klimaanlagen vs. heiße Wüstenluft. Aber hier trifft sich nun die Weltgemeinschaft, diskutiert und entscheidet über die grausame Realität der Klimakrise. Die Realität versinkender Inselstaaten, immer stärker werdender Wirbelstürme, verhungernde Menschen und kollabierender Ökosysteme.
Verluste – Schäden „Loss & Damage“ der Klimakrise und wer diese zu bezahlen hat, das ist ein Thema auf der COP27 für das aktuell die Verhandlungen heiß laufen. Zurecht ist die internationale Zivilgesellschaft enttäuscht von uns, den Industrieländern, die nicht ihrer Pflicht nachkommen, die Menschen, die schon heute von den verheerenden Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, ausreichend beim Umgang mit Schäden und Verlusten zu unterstützen. Bisher konnte keine Einigung darüber gefunden werden, ob eine Loss and Damage Finance Facility (Finanzstrucktur wie beispielsweise eines Fonds) im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) eingerichtet werden kann. Dabei bedeutet genau diese Einrichtung ein Stück Klimagerechtigkeit: Die verwundbarsten Menschen, die schon heute von Wirbelstürmen & Co sowie durch den Anstieg des Meeresspiegels um ihr Leben fürchten müssen, brauchen gerechten und direkten Zugang zu Finanzmitteln, um nicht alleine gelassen zu werden mit ihren Schäden und Verlusten.
Was wir in den nächsten Tagen nicht beschließen, führt zu einem unfassbaren Ausmaß von immer mehr Menschen, denen die Existenz aufgrund von klimabedingten Schäden und Verlusten unter den Füßen weggerissen wird. Die Zivilgesellschaft ist wacher denn je: Sie zeigt sich wütend und empört darüber, dass sie nicht gehört wird, wenn es darum geht, eine faire Lösung für die Debatte Rund um Loss and Damage Finance zu beschließen. Trotz allem Frust ist die globale Zivilgesellschaft aber nicht müde, sich Gehör denjenigen gegenüber zu verschaffen, die immer noch eine Blockiererrolle in Bezug auf die Einrichtung einer Loss and Damage Finance Facility einnehmen.
Die Verursacherstaaten der Klimakrise geraten unter Druck
Die Schlinge zieht sich langsam zu für die Verursacherstaaten: Die USA, bekannt dafür, dass sie eine Einrichtung der Loss and Damage Finance Facility im vergangenen Jahr 2021 auf der COP26 blockierten, unterstehen nun dem Druck von Politiker:innen aus ihren eigenen Reihen: Mitglieder des US-amerikanischen Kongresses schrieben zu Beginn der zweiten COP27-Woche einen Brief an den Politiker John Kerry, in dem sie ihn auffordern, die Einrichtung einer Loss and Damage Finance Facility auf der Klimakonferenz stattzugeben. Auch wir aus Deutschland müssen unbedingt den Weg einer progressiven, treibenden Kraft einnehmen, die die Errichtung voranbringt – Enthaltung bringt die Klimagerechtigkeit hier nicht weiter.
Ein massiver Erfolg konnte gestern endlich gefeiert werden: Das Santiago Netzwerk for Loss and Damage kann nun endlich operationalisiert werden, nachdem gestern alle Modalitäten textlich abgestimmt wurden. Somit kann sichergestellt werden, dass die besonders verwundbaren Länder bei auftretenden Schäden und Verlusten technische Unterstützung im Rahmen der UNFCCC erhalten. Fehlt nur noch das Geld, um mit den Schäden und Verlusten umzugehen
Ob wir morgen zum Ende der Klimakonferenz zu einer Einigung kommen, bleibt ungewiss. Wenn wir jedoch keinen Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit gehen und keine Loss and Damage Finance Facility einrichten, schlägt sich das Nichtstun in den kommenden Jahren in Form von weiteren Extremwetterereignissen und Langzeitfolgen der Klimakrise nieder. Und das wird nicht nur teuer, sondern auch das Vertrauen der globalen Zivilgesellschaft missbrauchen.
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