One World - One Love Parade." So lautet das Motto, mit dem in diesem Jahr die Veranstalter zu "einem der größten Kulturereignisse des neuen Berlins" (Dr. Motte) aufrufen. Die ganze Welt eine Love Parade. Der Größenwahn dieses Slogans, der so gut zum Größenwahn der deutsche Hauptstadt passt, wäre nicht der Rede wert, würde er nicht - alle Jahre wieder - einen ganzen Schwall gerne als visionär bezeichneten Geschwafels vom Beitrag der Raver-Nation zum Weltfrieden nach sich ziehen. Nur durch diesen "Überbau" lässt sich nämlich noch ansatzweise die Behauptung aufrechterhalten es handele sich bei der Love Parade um eine politische Demonstration und nicht schlicht um eine Marketingveranstaltung der Stadt Berlin.
Als die Love Parade 1989 mit 150 Teilnehmern noch als kleiner, lustiger Sommer-Karneval über den Kurfürstendamm zog, konnte niemand ahnen, dass unter dem Deckmäntelchen des Rechts auf Versammlungsfreiheit ein Großveranstalter heranwachsen würde, der sich heute anschickt, seine Lizenzen, eingetragenes Warenzeichen Love Parade, in alle Welt zu verkaufen.
In Wien wird es an diesem Wochenende erstmals auch eine offizielle Love Parade geben, kommendes Wochenende, parallel zum Original, außerdem eine in Leeds, des weiteren stehe man in Verhandlungen mit Tel Aviv und Los Angeles. Dass Planetcom und die hinter dem Unternehmen stehende Love Parade Berlin GmbH ihre Veranstaltung nicht als das durchführen müssen, was sie für alle sichtbar längst geworden ist, nämlich ein kommerzielles Unternehmen, ist eines der Geheimnisse der Berliner Politik.
Als politische Demonstration löst die Parade alle Jahre wieder das aus, was der Regierende Bürgermeister Diepgen im vergangenen Jahr als "Verwaltungsaffentheater" bezeichnete: den Streit darum, wer für die Folgeschäden aufzukommen hat, die von Ravern und Schaulustigen im Bezirk Tiergarten seit 1996 verursacht werden. Wie das Bezirksamt Tiergarten im vergangenen Jahr errechnete, belaufen sich die Kosten inzwischen auf über 1.000.000 DM. Allein im vergangenen Jahr verdoppelten sich die Kosten für Müllbeseitigung, Reparaturen und Gartenbaumaßnahmen gegenüber dem Vorjahr auf knapp 350.000 DM. Wer außerdem die noch nicht absehbaren ökologischen Langzeitschäden - der Tiergarten, die "grüne Lunge" der Innenstadt, hat einfach nicht genügend Zeit, sich von einer Parade zur nächsten zu regenerieren und beginnt an den am stärksten belasteten Stellen zu versteppen - für das Stadtklima in Rechnung stellt, gilt in Berlin als Spaßverderber. Dabei liegen alle Fakten längst auf dem Tisch, die deutlich machen, dass die Probleme der Ver- und Entsorgung im Tiergarten strukturell unlösbar sind. Egal wieviel Dixie-Klos und Müllkontainer zusätzlich aufgestellt werden, die Leute pinkeln trotzdem lieber in die freie Natur und lassen ihren Müll im Gedränge fallen, wo sie stehen oder liegen. Am schlimmsten ist allerdings die Masse der Menschen selbst. Genauer gesagt das Gewicht, mit dem geschätzte 800.000 bis 1,5 Millionen durch die Vegetation trampeln und für eine irreparable, das Pflanzenwachstum verhindernde Bodenverdichtung sorgen.
Hier in eine grundsätzliche Debatte einzusteigen und kulturellen und ökonomischen Nutzen gegen Naturschutz auszuspielen, könnte sich allein dadurch erübrigen, dass man die Love Parade an einen anderen, geeigneteren Ort verlegen würde. Auf dieses Ansinnen der zuständigen Behörden reagierte Planetcom im vergangenen Jahr mit der Drohung, dann werde man die Love Parade eben nach Paris verlegen. Um das zu verhindern, rief der zuständige Berliner Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) schon im Sommer 1999 einen "runden Tisch" zusammen und ließ insgesamt 19 Alternativ-Routen prüfen. Wer in den Sitzungsprotokollen der Senatsverwatung für Wirtschaft und Technologie nachliest und dort die Formulierung findet, "Aufgabe der Arbeitsgruppe sei es gewesen, eine mindestens ebenso gute Strecke wie die Straße des 17. Juni zu finden", wundert sich nicht, dass nach monatelanger Prüfung alles bleibt, wie es war. Der Wirtschaftssenator empfahl Planetcom auch in diesem Jahr die alte Route als die "praktikabelste Lösung".
Eine der attraktivsten und infrastrukturell bestens ausgestatteten Alternativrouten, die die Stadt zu bieten hat, wurde, wie man ebenfalls den Protokollen entnehmen kann, nie abschließend geprüft. Gemeint ist die alte Paradestrecke im Ostteil der Stadt, die Karl-Marx-Allee, ehemals Stalinallee, im Bezirk Friedrichshain. Ein Tanz auf der Allee der Sieger statt um die Siegessäule - da dürfte selbst Dr. Motte die Formulierung eines visionären Mottos für 2001 nicht schwer fallen.
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