Club of Hype

Diagnose: Mensch Viel Forschung zeitigt viele Veröffentlichungen. Das Monopol der medialen Öffentlichkeit teilen sich aber die ewig selben zwei Journale: "Nature" und "Science"

Die Woche hat sieben Tage, und sieht man einmal von der Glückseligkeit des arbeitsfreien Wochenendes ab, sind diese Tage einander recht gleich. Nicht so in der Wissenschaft, denn da gibt es den Donnerstag und den Freitag: Am Donnerstag erscheint die neue Ausgabe des britischen Wissenschaftsmagazins Nature. Am Freitag gibt es das Heft des US-amerikanischen Pendants Science. Es sind nur zwei von insgesamt 23.750 wissenschaftlichen Zeitschriften, die Forschungsarbeiten im Peer-Review-Verfahren veröffentlichen, doch selbst unter Laien sind es im Zweifelsfall diese beiden, Science und Nature, die Bekanntheit und nicht unerhebliche Aner­kennung genießen. Wie kommt das?

Es liegt nicht daran, dass sie die besten und wichtigsten wären. Sie sind zwar in der wissenschaftlichen Community viel beachtet (und sie haben, siehe Kasten im Text rechts, tatsächlich die höchsten Impact-Faktoren aller multidisziplinären Forschungsmagazine), aber in den einzelnen Fachbereichen sind ihnen andere Publikationen überlegen. Tatsache ist vielmehr: Nature und Science haben die besten, umtriebigsten und invasivsten Presseabteilungen, die man sich auf diesem Feld überhaupt vorstellen kann. Und sie haben von Beginn des Internetzeitalters an gewusst, wie sie digitale Mittel für eine fortgeschrittene mediale Proliferation nutzen.

Registrierte Journalisten erhalten einige Tage vor Erscheinen des nächsten Hefts laienfreundliche Zusammen­fassungen von einigen ausgewählten Beiträgen, dazu gibt es die Kontaktdaten der Forscher. Auf einer passwortgeschützten Presse-Website können, falls Interesse besteht, die zugehörigen Originalbeiträge und oft auch Kommentare heruntergeladen werden, mit der Auflage, diese nicht öffentlich zu machen und auf gar keinen Fall über die (seit vielen Monaten vorliegenden) Ergebnisse zu berichten, bis das „Embargo“ abläuft. Wer schummelt, wird von den Vorabmeldungen suspendiert – und ist raus aus jenem Club, der seit vielen Jahren die Berichterstattung aus der Wissenschaft dominiert.

Skurrile Schlagseite

Vom Nachrichtenportal über die Tageszeitung bis hin zum Wochenblatt – zuverlässig lassen sich an den besagten Tagen Artikel zu den angebotenen Themen finden, nicht selten schreiben dabei alle über das Gleiche, nicht selten wird dabei über Ergebnisse berichtet, die knallig daherkommen, deren Relevanz aber fraglich ist. Absurderweise weist Nature in seinen Vorab-E-Mails darauf hin, dass man bemüht sei, solche Hypes zu vermeiden. Zugleich bittet man allerdings um Hinweise, falls das mal (aus Versehen!) nicht klappt.

Unterdessen hat die Wechselwirkung zwischen öffentlicher Rezeption und assistierter wissenschaftlicher Präsentation über die Jahre zu einer skurrilen Schlagseite in Richtung von Themen geführt, die das Klischee von „Faszination Wissen“ bedienen, namentlich Insekten, Neandertaler, Hirnscans und sequen­zierte Genome. Ernährung nicht zu vergessen. Gesellschaftliche Fragen werden dabei nach Möglichkeit weiträumig umfahren, Kritik an Methoden oder Schlussfolgerungen obliegt anderen.

Die Frage ist, wie die Beziehungen einiger Forscher, die regelmäßig in einem (und oft nur diesem) der beiden Blätter publizieren und kommentieren, das Bild der Wissenschaft in der Öffentlichkeit prägen. Die Frage ist auch, wie sich das Quasi-Monopol von Nature und Science nach all den Jahren auf die Wissenschaft ausgewirkt hat. Viele Journale versuchen nicht ohne Grund, es den großen zwei nachzutun, mit gewissem Erfolg gelingt das eigentlich nur den Proceedings of the National Academy of Sciences, kurz PNAS (immer montags). Wie frei aber kann Wissenschaft sein, wenn sie auch noch verkauft werden muss?

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

Kathrin Zinkant

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