Glücksratgeber, so stand es kürzlich in der Zeit, finden reißenden Absatz. Zeitungen, die über Glück (Zeit), Liebe (Spiegel), Optimismus (Spiegel) oder negative Entsprechungen wie Liebeskummer (Stern) und Burnout (Zeit, Spiegel, Stern) berichten, auch. Was als mediales Phänomen nicht völlig neu ist, aber in Frequenz und Aufdringlichkeit gefühlt doch ein neues Penetranzniveau erreicht hat. Warum?
Zum einen, weil die derzeit spürbaren Folgen kapitalistischen Strebens ganz klar neuen Bedarf erzeugen. Die stete Sorge, dass das Dach des Wohlstands bald auf des kleinen Bürgers Schädeldecke kracht, befördert die Suche nach einem anderen, von Konjunktur und Banken unabhängigen Mehrwert im Leben. Nach etwas, das man mit Geld (zum Glück!) nicht kaufen kann und das immun macht gegen die Erschütterungen dieser Zeit. Zum anderen harrt der Begriff von Wissenschaft bzw. Wissensgesellschaft nach wie vor seiner Durchdringung: Verbreitet ist nach wie vor der Glaube, man müsse nur forschen, um hernach tatsächlich auch zu wissen.
Befeuert durch die Umstände zeitigt daher schon die Existenz von Glücks- und Liebesforschung eine unbescheidene Erwartung: Die Wissenschaft soll durch Glücksrezepte Erlösung bringen. Wobei der Weg hin zu dieser Erlösung ruhig ein steiniger sein darf, weil einer immer Schuld haben muss, und das ist in unserer Gesellschaft eben selten das System und meistens das Individuum. Wenn es ungeliebt und unglücklich ist, hat es Fehler gemacht. Nicht genug auf sich geachtet. Zuviel gearbeitet. Zu wenig Zeit gehabt für die Liebe.
Glück ist Liebe ist Glück ist ....
Interessant ist dabei auch das große Bedürfnis nach wissenschaftlicher Empirie: Wo einst das Wort der Bibel oder anderer Schriften dazu gereichte (und noch gereicht), sich als Unglücklicher in Selbstanklage zu suhlen um fortan eifrig nach Höherem zu streben, liefern dafür nun scheinbar harte Zahlen und Fakten die Grundlage. Mit Vorliebe solche, die sich zur Entlarvung von Mythen eignen und damit eine Art überraschenden Erkenntniswert bieten – etwas, worauf man vorher nicht gekommen wäre und das man nutzen kann, um auf dem Weg zur Glückseligkeit einen Schritt voranzukommen. Je schneller, desto besser.
Es kann daher nur enttäuschend sein, was Wissenschaftler nach oft jahrelanger Beschaffung und Analyse von Daten und Umfrageergebnissen nun kundtun: Der Schlüssel zum Glück? Die Liebe. Der Schlüssel zu Liebe? Der pflegliche und intensive Umgang mit Menschen, die man mag. Glücklichen Menschen gelingt das statistisch signifikant besser als unglücklichen, was nicht unbedingt etwas mit einer glücklichen Kindheit zu tun haben muss, aber kann, und auch nicht in eine glückliche Partnerschaft münden muss, es aber am ehesten tut, wenn bereits ein enges soziales Netzwerk existiert. Weshalb die Liebe auch eine Frage des Glücks zu sein scheint, aber wenn Menschen glücklich sind, weil sie lieben und geliebt werden, und das wiederum so ist, weil diese Menschen glücklich sind – wo findet man dann den Schlüssel zum Glück?
Wäre Wissenschaft ein Dienstleistungsunternehmen, das sich dem Service am Kunden verpflichtet hätte (mit tatkräftiger Unterstützung der Forschungsministerin erscheint es bisweilen sogar so), man dürfte nun reklamieren. Die Liebes- und Glücksforschung allerdings ist einem derartigen Ziel genau so verpflichtet, wie jeder andere Forschung auch – nämlich gar nicht. Man könnte sich wünschen, dass sie ihren Blick mehr auf den politökonomischen Glückskontext richtet. Ansonsten gilt, was jeder Glücksforscher zu bestätigen weiß: Dass es nichts Richtiges im Falschen gibt.
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