Das Ich, das Du, die Kuh

Klonfleisch In Großbritannien ist die Identitätsfrage auf dem Teller gelandet

Denken wir zuerst einmal an Dolly. Jenes bedauernswerte Schaf, das für Biologen und Presseleute sechs Jahre lang das Showgirl gab. Das nach Bekanntgabe seiner Geburt aus tiefstem Herzen gehasst und dorthin gewünscht wurde, wo es nur hergekommen sein konnte: aus der Hölle. Oder besser aus der britischen Forschungshölle, die beängstigende Dinge erlaubt, inzwischen sogar hybride Embryos aus Mensch und Tier. Aus einem Land, das nicht zuletzt wegen BSE als skandalös im Umgang mit Tieren gilt. Dennoch: Als Dolly aufgrund genetischer Defekte vorzeitig starb, waren alle traurig. Warum? Weil die morbide Kopie letztlich einzigartig war. Dolly hatte schon mit ihrem Status als weltweit erster Säugerklon alle Klonhaftigkeit verloren und zeigte auch Charakter: als Paris Hilton im wolligen Pelz, die kamerageil auf jeden Zweibeiner zugaloppierte. Das Schaf glich jener ihrer drei Mütter, die einen Haufen Euterzellen als Vorlage geliefert hatte. Und war doch völlig anders.

Dergleichen kann einem Steak natürlich schwer passieren – nicht dem ganz gewöhnlichen, das von konventionell gezeugten Tieren stammt. Und wohl auch nicht den Muskelstücken, die im Vereinigten Königreich jetzt in die Verwertung geraten sind: Wie die britische Food Standard Agency vergangene Woche mitteilte, sind von acht Kälbern einer geklonten Kuh drei männliche geschlachtet und drei an der Melkmaschine gelandet. Das Fleisch und die Milch von jeweils zweien kam in den Verkauf und wurde konsumiert, was in der Europäischen Union nach wie vor ungeregelt, ergo nicht erlaubt ist, aber nach Angaben der FSA und deren EU-Mutterbehörde EFSA auch nicht wirklich schlimm.

Lebensspuren im Erbgut

Wirklich nicht schlimm? Dass Klone technischer Herkunft nicht in derselben Weise ihren Vorbildern entsprechen wie es bei eineiigen Zwillingen der Fall ist, wussten die Experten schon vor Dolly. An dieser Tatsache hat sich nichts geändert, weil das Verfahren dasselbe geblieben ist: Klone entstehen nach wie vor durch somatischen Zellkerntransfer. Eine Eizelle wird entkernt und mit dem Kern einer erwachsenen Zelle wieder aufgefüllt. Das Erbgut des so erzeugten Embryos trägt die Spuren eines gelebten Lebens: Mutationen, Epigenetik, Reparaturfehler. Je älter die Klonvorlage, desto zahlreicher sind diese Kerben. Davon bleibt der normal gezeugte Nachwuchs eines Klons nicht unberührt. Eine Hälfte seines Genmaterials bekommt er immerhin second hand geliefert. In späteren Generationen verwischen diese Spuren zunehmend schnell – ein bisschen Klon aber bleibt in der Familie.

Für die Tiere selbst hat das biologische Folgen, die derzeit noch der Spekulation unterliegen. Missgeburten, Missbildungen, erhöhte Krankheitsanfälligkeit – es gibt Hinweise, aber keine Zahlen, weil die meisten kommerziell erzeugten Klone überhaupt nicht registriert, geschweige denn verfolgt werden. Ob die Tiere, so sie denn das erste Lebensjahr geschafft haben, schlechter leben als ihre normalen Artgenossen, darf bezweifelt werden, weil sie teurer in der Erzeugung sind. Aus demselben Grund wird Fleisch von Klonen und deren Nachkommen wohl auch nie den Markt erobern. Wenn doch, birgt es allein das Risiko, im Zellkern älter zu sein, als es ein 08/15-Kotelett wäre. Insofern haben solche Steaks dann doch etwas Einzigartiges, auch wenn man das nur beim Kauen merkt.

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

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