Das Institut rät: Kauft keine Antistinksocken!

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Körpergeruch ist ein großer Feind. Fast unausweichlich taucht er insbesondere dann auf, wenn man ihn überhaupt nicht gebrauchen kann. Zum Beispiel während der WM, wenn das eigene Team den entscheidenden Treffer landet, und die versammelte Krone der Schöpfung vom Sofa aufspringt, die Arme hochreißt und sich in die Arme fällt. Ohne ein entsprechendes Hochleistungsdeo ist sowas gar nicht mehr denkbar

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Ginge auch, ist aber so fürchterlich konventionell: Putzmaterial ohne Nano-Firlefanz (Foto: Flasshe/Flickr)

Aber, zum Glück, es gibt den Fortschritt. Zum einen die Mikrobiozide, also Stoffe, die böse Keime jeglicher Prägung ratz-fatz eliminieren und deren Neubildung nach Möglichkeit auch unterdrücken. Und dann gibt es Nano: Edelgard Bulmahn war regelrecht besessen von dieser Idee des irre Winzigen, des irre Neuen, wollte aus Deutschland Nanoland machen. Das ist ihr auch gelungen, wenngleich nicht ganz auf die Art, die der Ex-Forschungsministerin so vorschwebte.

Zwar forschen fortschrittsfreudige Wissenschaftler fleißig an echten Innovationen auf der Nanoskala, auf dass wir eines Tages Vorreiter sind. Aber auf dem Marktplatz hat sich das alles schon verselbstständigt: Vor allem der Gerüche und der dafür verantwortlichen Bakterien wegen steckt etwas nanomäßiges jetzt in allem drin, was stinken könnte: vom Deo über die Tennissocke bis hin sogar zur Wandfarbe. Die riecht zwar selten nach Schweiß, aber gammeln kann die auch.

Was sich dahinter verbirgt ist bei genauerer Betrachtung nun zwar weniger spektakulär, als es der Begriff Nano vermuten lässt: Nano schimpft sich alles, was weniger als hundert Nanometer, zu deutsch hundert Milliardstel Meter groß ist. Im strengen Sinne sind mit Nanopartikeln Strukturen gemeint, die künstlich hergestellt werden, aber dahinter stehen fast immer ganz normale Stoffe. Und das ist nun ein Problem, denn der prominente Stoffe ist derzeit Silber, als Ion (geladenes Atom) ein sehr potenten Mikrobiozid und noch dazu ein Metall, das sich bereitwillig in Form von Nanopartikeln handhaben lässt.

Wann der Stein ins Rollen kam ist unklar, aber der Kick an den oben genannten Socken und Deos sind Silberpartikel, die Silberionen abgeben. Und nun, nachdem es selbst im Billigdiscounter schon mit Nanosilber frisierte Putzlappen zu kaufen gibt (die übrigens genauso schnell müffeln wie jeder andere Lappen auch), warnt nun das Bundesinstitut für Risikobewertung vor dem Konsum verbrauchernaher Produkte mit Silber. Es sei noch nicht hinreichend untersucht, wie sich das viele Silber – insbesondere: Silber in Nanoform – auf den menschlichen Organismus und die Mikrobenwelt auswirke. Bakterien könnten resistent werden. Dann wirken die Silberionen irgendwann nicht mehr. Auch nicht die in medizinischen Produkten.

Da fragt man sich doch, ganz bescheiden: Wie kann es sein, dass all diese sinnlosen Konsumartikel, ob Deo, ob Putzlappen, samt ihrer gesundheitlichen Unwägbarkeit längst auf dem Markt sind? Inoffiziell wird schon lange vor dem undurchdachten Einsatz von Nanopartikeln gewarnt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat schon vor mehr als zwei Jahren eine Studie zu Nano in Lebensmitteln veröffentlicht, im vergangenen Dezember kam eine weitere Analyse hinzu, und erst jetzt kommt auch den offiziellen Organen die Erkenntnis, dass es vielleicht doch nicht so gut ist, wenn um des Antistink-Effekts willen Kühlschränke, Wasserfilter, Sportklamotten und Kosmetika mit Silber aufgemotzt werden.

Zum Teil ist für die Kunden nicht einmal ersichtlich, dass sie in diese technologische Pseudoinnovationskiste gegriffen haben - und sich damit noch unerforschten Risiken aussetzen. Was ingesamt dann doch irgendwie stinkt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

Kathrin Zinkant

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