Wenn es darum geht, das Wissen in die Welt zu tragen, schlägt die Stunde der Erklärbären: Meist treten sie im Fernsehen auf, wo sie „komplexe“ Zusammenhänge „anschaulich“ darstellen, ganz spielerisch, mit Mitteln, die im Zweifel jeder Haushalt vorrätig hat. Der Erklärbär macht Wissen möglich. Für alle. Wir leben ja auch in einer Wissensgesellschaft.
Aus gegebenem Anlass hat die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am Rande dieser heilen Welt nun aber einen Graben entdeckt: Der Vorzeige-Erklärbär des Westdeutschen Rundfunks, Ranga Yogeshwar, mutierte nämlich im Zuge des sich entfaltenden atomaren Katastrophe in Fukushima vom „Bastelonkel“ (synonym für Erklärbär) zum kompetenten Experten. Zu einem Experten, dem man ob seines sonst trivialen Treibens gar keine Kompetenz zugetraut hätte. Statt in Wissen vor 8 oder in seinen ähnlich veranlagten Büchern die Herkunft des Pfirsich Melba und die Aufnahmekapazität moderner Babywindeln zu erläutern, schilderte Yogeshwar jetzt im ARD-Akut-Magazin Brennpunkt die Tücken eines nuklearen Reaktors – mithilfe von Textmarker (Brennstab), Wasserglas (Reaktorgefäß) und Flaschenkühler (Reaktorhülle, aka „containment“). Am Sonntag nach dem Beben saß Erklärbär Yogeshwar dann auch noch bei Anne Will und nahm nicht mehr nur das Wasserglas in die Hand, sondern streckenweise auch die Diskussionsführung. Als Diplomphysiker hat der Luxemburger nämlich eine wissenschaftlich fundierte Meinung zur Atomkraft, und die heißt – stark vereinfacht – nein danke.
Quadratur des Taschentuchs
Es stellt sich also die Frage, wie jemand, der offenbar sehr dezidierte Ansichten zur Problematik moderner Technologien pflegt, der Einblick hat in das mysteriöse System Wissenschaft, seinen Lebensunterhalt lieber mit Partywissen über die Quadratur des Taschentuchs verdient, anstatt mehr von dem zu bieten, was er jetzt geboten hat? Die Frage ist keineswegs damit beantwortet, dass Wissensvermittler vom Typ Yogeshwar schlicht eine diffuse Sehnsucht ihrer Rezipienten nach der „Erklärbarkeit der Welt“ stillen. Eine Sehnsucht, wie die FAS mutmaßt, die sich je nach Bedarfslage auf Softeis ebenso bezieht wie auf die Architektur atomarer Meiler, und die mithin die Ursache dafür ist, dass sich die Wissenschaftskommunikation in unserer windelweichen Medienwelt meistens auf die Vermittlung der Softeiskomponente beschränkt. Was nichts anderes bedeutet als: Die Leute wollen es nicht anders.
Man kann das plausibel finden, aber wer hier stehen bleibt, ist nicht sehr weit gekommen. Denn erstens zieht sich der Graben zwischen harmlosem Erklärbärentum und kritischer Kompetenz durch die Geschichte der Wissenschaftskommunikation. Und zweitens ist dieser Graben weniger dem öffentlichen Desinteresse geschuldet, als mehr die Folge eines Jahrzehnte alten Bruchs zwischen Gesellschaft und Wissenschaft. Einer Wissenschaft, die wie von selbst bedrohliche Technologien hervorbringt, ohne das der Allgemeinheit vorher zu kommunizieren oder sie zu fragen. Die Atomkraft ist dafür nicht ein, sondern das beste Beispiel. An ihr öffnete sich jener tiefe Spalt, der die inhärente Neugier des Menschen, die Sehnsucht nach Erklärbarkeit, bis heute von dem Bewusstsein trennt, selbst Teil der sogenannten Wissensgesellschaft zu sein, die Technologien nicht nur empfängt, sondern auch produziert.
1958 brachte Walt Disney Our Friend, the Atom heraus, einen vermeintlich für Kinder gemachten Film, der im Auftrag der US-Regierung die friedliche Nutzung der Kernenergie propagierte. Autor und Protagonist dieses heillosen Werbestreifens war der deutsche Physiker Heinz Haber, der in den Nachwehen der Operation Paperclip (mit der 1945 deutsches Wissen genutzt werden sollte) aus Deutschland in die Staaten emigriert war und sich nicht nur als Raumfahrtforscher bewährt hatte – er trug maßgeblich zur Entwicklung des Weltraumanzugs und des Parabelflugs für die Nasa bei. Nein, Haber zeigte sich darüber hinaus als einfallsreicher Popularisierer wissenschaftlicher Zusammenhänge und bediente sich schon sämtlicher Elemente, aus der die Wissenschaftskommunikation im Fernsehen noch heute gezimmert wird.
Zum einen: Mystifizierung. Haber packte die von Hiroshima und Nagasaki besudelte Geschichte der Nuklearenergie einfach in ein Märchen aus 1001 Nacht. Der Fischer findet da am Strand eine Flasche, in der ein Dschinn wohnt – ein (ausgerechnet) der arabischen Mythologie entlehnter Geist, der aus einer geheimniswollen Parallelwelt stammt und im Film nun wie Pandora aus der Büchse schießt, als der Fischer die Flasche öffnet. Element zwei ist die Bedrohung. Denn der Dschinn ist nichts anderes als das düstere Sinnbild der Bombe und als solcher macht er dem Fischer Angst. Doch zum Glück sind Märchen dazu da, gut auszugehen, und auf legendäre Weise erklärt der Physiker Haber dem Zuschauer nun anhand von Mausefallen und Ping-Pong-Bällen, wie man aus dem bösen Dschinn einen guten machen kann. Jede ausgelöste Mausefalle lässt zwei Bälle hochschnellen, die beide jeweils eine weitere Mausfalle mit zwei Ping-Pong-Bällen auslösen, was zu einer Kettenreaktion führt, die Haber mit einem Meer von klackenden Fallen und chaotisch hüpfenden Kugeln im Studio nachstellt und dann per Zeitlupe so verlangsamt, dass sich der wilde Wirrwarr in einen anmutigen Reigen schwebender Objekte verwandelt.
Der Bruch war längst da
Voilà, der Fischer wird also ein glücklicher Mann, denn er hat den Dschinn gezähmt, ihn in einen niemals versiegenden Quell von Energie verwandelt, dessen gefährliche Gemeinsamkeiten mit nuklearen Waffen in Disneys Streifen komplett ausgeblendet werden – und ausgeblendet werden mussten. Der Bruch zwischen wissenschaftlich generierter Technologie und Gesellschaft war durch das Manhatten Projekt (geheime Entwicklung der A-Bombe), das Trinity-Experiment (erste Zündung) und den Abwurf der Bomben über Japan vollzogen. Einen ernsthaften Versuch, ihn durch eine andere Art der Kommunikation zu reparieren, hätten weder das politische System noch die verstörte Gesellschaft vertragen.
Das ist heute leider kaum anders. Allerdings liegen Öffentlichkeit und Wissenschaft als Technologielieferant mittlerweile dermaßen weit auseinander, dass eine erhellendere Form der Popularisierung ohnehin kaum noch Chancen hat. Wer nicht selbst Teil des wissenschaftlichen Systems ist oder als Vermittler einfach hinzugezählt wird – bezeichnenderweise sieht Yogeshwar sich jetzt dem Vorwurf ausgesetzt, ein Atomkraftlobbyist zu sein –, betrachtet sich als Außenstehender und wartet argwöhnisch ab, welchen Flaschengeist der fremde Apparat als nächstes ausspuckt. Trotzdem versiegt das Bedürfnis nach Verstehen und nach Wissen natürlich nie. Wie die Handseife funktioniert, warum die Socken in der Waschmaschine im Bettbezug verschwinden und weshalb es Jahreszeiten gibt, das möchte fast jeder wissen. Im Unterschied zur Wissenschaft berührt dieses Wissen aber gerade mal den Radius des Alltags. Auch die vielbesungene Renaissance der Wissensformate im Fernsehen vor wenigen Jahren zeigt nichts anderes als das: Wissen macht „ah!“, aber Wissenschaft bereitet wahrscheinlich eher Bauchschmerzen, weil sie nicht so leicht zu konsumieren ist und eine Verantwortung mit sich bringt, derer man sich nicht mehr mächtig fühlt. Also wird sie ausgespart, bis sie neue Technologien hervorbringt und den Kriterien Bedrohung und Mystifizierung genügt, um von Galileo, Planetopia oder anderen Formaten aufgegriffen zu werden.
Die anschauliche Reduktion war und ist dabei gar nicht das Problem, sondern ist, ganz luhmannmäßig, eher die Lösung: Die Wissenschaft selbst muss ja vereinfachen, bevor sie Komplexität erschaffen kann. Habers Idee mit den Ping-Pong-Bällen war gut. So gut, dass sie später oft kopiert wurde, nicht zuletzt, als es in der Sendung mit der Maus darum ging, das Prinzip der Kettenreaktion zu erklären. Was dieser Art der Kommunikation jedoch fehlt, ist die Verknüpfung mit der wissenschaftlichen Realität, ist der Schritt über den Graben. Dass er schwierig ist, steht fest. Dass er gelingen kann, hat vor gut 30 Jahren Carl Sagan bewiesen. Seine TV-Serie Cosmos war ein poetisches und subtil politisches Erklärbär-Meisterwerk, keine Flucht, keine Mystifikation. Es schloss den Graben, indem es zeigte, dass Wissenschaft zutiefst menschlich und jedem zugänglich ist – aber vor Hybris gerade deshalb nicht sicher.
Wir sehen jetzt, wie Recht er hatte.
Kommentare 12
Nach 15 Semestern eifrigen Studiums (inklusive einem 2-stündigem Seminarvortrag über das Sternenwachstum und dem Sternenzerfall) und mehr als 20 Jahren Unterricht in Physik habe ich meine altbekannten Standardwerke zur Astronomie nun neben die Standardwerke der Astrologie und der Mystik eingeordnet.
Es ist nicht der Fehler von Carl Sagan, dass sein in Buch und Film aufgearbeitetes und verbreitetes Wissen leider weniger Wissenschaft als aus heutiger Sicht eher Glauben oder Anbetung entspricht. Meinen damaligen Vortrag könnte ich heute inhaltlich in wichtigen Teilen nicht mehr vertreten. Wer sich z.B. auf die Bilder und "Ergebnisse" von NASA beruft, liegt leider schon falsch! Mehr Fake als Wahrheit.
Es ist zunehmend schwerer geworden, sich im Theoriedickicht heutiger Sternenanbeter, Schwarzer Materiegläubiger und Urknalltheoretiker zurechtzufinden, falls denn überhaupt ein Interesse an wissenschaftlicher Erkenntnis im Gegensatz zur Unterhaltung besteht. Auch wenn dies hier sicherlich auf ungetrübte Freude stossen wird, behaupte ich, dass ähnliches für den Bereich der Atomtechnik allgemein und der Atomenergietechnik im speziellen gilt.
Wir leben zunehmend nicht in einem Zeitalter der Wissenschaft, sondern in einem Zeitalter der Modelle von Wirklichkeit und der häufig bewussten Verfälschung von Daten zur Anpassung der Modelle an die Wirklichkeit.
98% unseres Weltalls sollen aus "dunkler Materie" bestehen, anders können sich die Astronomen nicht mehr die unvorstellbar große Masse erklären. Wir sind mittlerweile umgeben von schwarzen Löchern, die Licht verschlucken, wir fürchten uns vor massereichen Neutronensternen und sollen uns mit dem Modell eines universellen Urknall zufrieden geben, wenn es um den Ursprung des Weltalls geht. Wir sollen glauben, dass Herr von Weiszäcker Recht hat, wenn er schlicht postulierte, die Sonne sei eine permanente Wasserstoffbombe, in der Wasserstoff zu Helium umgewandelt wird.
Wie zu Einstein Zeiten, gibt es dabei nur noch ein paar kleine Dinge zu klären, die bisher nicht erklärlich sind und es ergeben sich nebenbei auch ein paar kleinere Inkonsistenzen in dieser "wissenschaftlichen" Weltsicht.
Wie zu Einsteins Zeiten, werden sich einige dieser Nebensächlichkeiten zu unerwartet großen Widersprüchen und Problemen in der uns als in sich konsistent verkauften Theorie erweisen.
Die Oberflächentemperatur der Sonne will einfach nicht ins vorherrschende Sonnenbild passen. Man musste so ziemlich bei jeder der bisherigen NASA-Vorhaben im Weltall mit massiven Kurskorrekturen schlimmeres verhindern (manchmal ohne Erfolg), weil die Bahnberechnungen einfach nicht stimmten. Noch heute werden uns falsche Marsbilder (völlig falsche Farben und z.T. nachbearbeitete Oberflächen) zugemutet. Die Erklärung der Oberflächenformationen gleicht einem Kindermärchen, hat mit Wissenschaft aber rein gar nicht mehr zu tun.
Die bisherige - ausschließlich auf der Gravitattionstheorie erklärten - Bildung von Sonnensystemen und insbesondere von Galaxien lässt sich schlichtweg nicht einmal mit den größten Rechnern der Welt modellhaft nachbilden. Die häufig beobachteten Spiralstrukturen kommen einfach nicht heraus. Nachdem zu Einsteins Zeiten der Äther den Ausschlag für eine neue Betrachtung der Dinge gab, werden wir uns sicherlich bald noch einmal mit der "dunklen Materie" befassen, die einen Großteil der gesamten Masse des Universums ausmachen soll, von der aber kein Astronom bisher weiss, warum sie sich so teuflisch geschickt vor unserer weiteren wissenschaftlichen Beobachtung und Messung versteckt. Bei der Beobachtung einiger sich aus unserer Sicht parallel bewegender Sternensysteme ergeben sich auch Merkwürdigkeiten, da ihre Dopplerschen Rotverschiebungen nicht übereinstimmen wollen, obwohl sie es müssten.
Und im kleinen haben wir dasselbe. Bei der Formulierung einer universellen Stringtheorie streiten augenblicklich ca. 200 Abarten derselben um einen theoretischen Alleinvertretungsanspruch, dabei kann man sich schon einmal leicht in 21 Dimensionen verlieren (mindestens aber 10) und muss zur Formulierung derselben so ziemlich alle Register aus allen Bereichen der Mathematik zur Hilfe nehmen, einige Verfahren wurden hierfür eigens erschaffen. Ja, die Welt der Naturwissenschaft wird immer komplizierter. Man ändert deshalb zweckmäßigerweise immer häufiger die Spielregeln der Wissenschaftlichkeit ab und sagt einfach, dass gewisse Theorien (z.B. die Stringtheorie) gar nicht mehr überprüfbar sein müssten, sie müssen nur plausibel sein. Die Überprüfbarkeit galt bisher aber als ehernes Prinzip. Hier fällt mir als weiteres Feld sofort die vielparametrisierte Glaubensgemeinschaft der Klimamodelltheoretiker mit ihren Milliarden Dollar schluckenden Großrechnern ein, die eher die Wirklichkeit an ihre Modelle, als die Modelle an die Wirklichkeit anpassen wollen.
Dies soll nur ein kleiner Ausschnitt sein. Nun, wir leben zunehmend in Modellen, die die Wirklichkeit ersetzen sollen und es in manchen Fällen sogar schon tun. Hier sei auf den "Culb of Rome", auf das "Millenium Institut", auf den "IPCC" u.a verwiesen.
Würde dagegen der Menschheit heute in einem Freiluftmodellversuch anschaulich gezeigt werden, wozu die Hologrammtechnik mittlerweile in der Lage ist, so sollte man vorher viele Ärzte bereitstellen, um einigen Herzinfarkten vorzubeugen.
Im Bereich der Atomenergietechnik wurden und werden wir bis heute nicht über wirkliche technische Innovationen informiert, da es die bisherige Technik und die sie nutzenden Energiekonzerne massiv ihrer Monopolstellung berauben würde. Dabei gab es schon bereits zu Zeiten des riesigen Manhattan-Projekts eine andere, viel sicherere und fast völlig restsubstanzfreie atomare Zerfallsproduktkette samt Reaktor, der sogar 1,5 Jahre erfolgreich getestet und eingesetzt wurde. Am Wochenende schaltete man dort den "Reaktor" gewöhnlich einfach ab. Dies ist kein Scherz, es ist aber auch kein Scherz, dass wir über unsere Medien darüber bis heute nichts erfahren. China ist aber seit längerem dabei, in dieser Technik weiter zu forschen. Man hat sich hohe Ziele gesetzt und die westliche Welt wird in naher Zukunft staunend eine völlig andere Reaktortechnik bestaunen dürfen, deren Abfallprodukte sogar noch wirtschaftlich (nicht radioaktiv) nutzbar sind.
Wer so etwas - und das auch noch hier im Freitag - zum ersten mal liest, wird sich über die Verbindungen oder gar Präferenzen von Herrn Yogeshwar dann nicht mehr so viele Gedanken machen müssen, da er dann möglicherweise auf der richtigen Seite der Wissenschaft steht. Wer daher die Atomtechnik grundsätzlich für Teufelswerk hält, sollte - wie unsere Frau Schawan - lieber Religion studieren, wir könnten aber schon heute andere, umweltfreundliche und gleichzeitig innovative Techniken einsetzen. Die Atomkraft ging damals nur deshalb in die falsche Richtung, weil der bis heute beschrittene Weg die Möglichkeit der militärischen Nutzung bot und darum ging es ja vordergründig beim Manhattan-Projekt.
Dies ist ein - bis heute völlig unterdrücktes - klassisches Beispiel für die Kaperung von Wissenschaft durch das Militär. Nebenbei, die von mir nur angedeutete umweltfreundliche Atomtechnik bietet keinerlei militärische Nutzung. Damit erledigt sich auch gleich eine - wie heute sichtbar - vornehmlich zu politischen Zwecken missbrauchte internationale Atomenergie-Kommission.
Wissen ist Macht, ein alter Freimaurerspruch!
D. Reimers
Lieber herr reimers,
es ist überraschend, ausgerechnet von einem studierten physiker solch lange klage darüber zu lesen, dass wissenschaft nicht wahrheit produziert.
dass sie es zu tun habe, ist ein bedauerliches missverständnis - und es bleibt ein solches, selbst wenn man argwöhnt, dass wissenschaftliche organisationen wie die NASA uns alle betrügen. über betrug in der forschung weiß man heute mehr als man wollte, ich glaube keinesfalls, dass es das nicht gäbe. wissenschaft wird von menschen betrieben. über die einzelnen vergehen hätte ich hier allerdings gern mehr gewusst.
die fehlbarkeit von modellen aber ist kein betrug. und weil sie auch mit sagan so hadern (haben sie unser kosmos je gelesen oder sich die serie angesehen?): gerade er hat trotz seiner unzweifelhaften romantischen Veranlagung immer wieder gezeigt, wie sich wissenschaftler an den eigenen Irrtümern die zähne ausgebissen haben, so lange, bis sie selbst oder ein der anderen die völlig anders lautende lösung finden konnten. denken sie mal an Johannes kepler, wie er verbissen versuchte, die idealen körper zu einem schlüssigen Modell des sonnensystems zusammenzubauen. ein völliger irrweg. am ende hat er ein modell gefunden, das die richtigen beschreibungen liefert. das ist das, was man wahr nennt im wissenschaftlichen sinne.
was nun die atomkraft betrifft: hier drehen sie ihre klage um. kernenergie ist nur ein modell und das ist in sich nicht verkehrt, verkehrt sind nur die realen technologien die umgesetzt wurden. die richtigen funktionieren ja ohne gau und ohne abfall. das ist schön, dazu hätte ich so gern einen hinweis auf eine quelle. aber der widerstand wendet sich ja sicherlich auch nicht gegen die erkenntnis, dass man hier das falsche modell für die anwendung gewählt hätte. rund 200 akws nach diesem falschen ansatz reichen für die feststellung, dass man sich hier eine kapitale menschheitsbedrohung in den vorgarten gepflanzt hat, das sollte jeder aus fukushima, tschernobyl, harrisburg, forsmark, barsebäck, krümmel, usw. usf. lernen. atomkraft in dieser form - und eine andere wird uns nicht angeboten - ist inakzeptabel.
dazu auch sagan: seine anbetung der wissenschaft hat ihn nicht daran gehindert, den nuklearen winter zu berechnen.
was die kommunikation von wissenschaft betrifft, kommt man hier an den richtigen punkt: die angst vor der wissenschaft hat sie der gesellschaft entfremdet und der verteufelung den boden bereitet. das ist genau so schlimm wie heillose wissenschaftsgläubigkeit (im sinne von: wissenschaft schafft wahrheit), die auch der freitag nicht vermittelt.
die kritische auseinandersetzung, das stete bewusstsein des sich irren könnens, aber auch die notwendigkeit und nicht zuletzt den zauber - das gilt es zu vermitteln. schülern, studenten, lesern und allen, die es schaffen sich dafür zu öffnen.
herzlich, ihre frau zinkant
Lieber Herr Reimers, liebe Frau Zinkant,
Ich habe es ja gerne mit Fällen. Schon älter ist die schlichte Trennung zwischen Techne und Episteme. Wissenschaft ist eine, häufig durchaus ästhetische, Form der Suche nach neuer Erkenntnis, während, ganz grob gesprochen, die Techne Kunstfertigkeit und Fähigkeit zu etwas sehr Bestimmtem anstrebt.
Die Griechen kannten keinen Widerspruch zwischen Kunst und Wissenschaft und je länger mir Wissen jeden Tag erscheint, desto eher glaube ich an die Wahrhaftigkeit dieser frühen Ansicht.
Im Feld der Episteme herrscht also eine spannende und auch persönlich bereichernde Weitung des Horizonts, oft ein ganzes Leben lang, oftmals bezahlt mit prekären Verhältnissen, denn die Sucht nach Episteme, auch die Täuschungen eingeschlossen, zwingt dazu, sich auf alle möglichen Gebiete zu werfen und auch recht frei die Themen zu wählen. Dazu gibt es eine Anzahl Freigestellte in fast jeder denkbaren, zivilisierten Gesellschaft. Die Grade der Freistellung schwanken natürlich beträchtlich.
Ein bisschen gehören auch Wissenschaftsjournalisten und Moderatoren dazu, denn auch sie sind freigestellt, beständig eine eher unbestimmte Aufgabe zu lösen, nicht thematisch gebunden zu sein.
Der Freiheitsgrad wird zwar eingeschränkt durch banale Randbedingungen, eine Sendung muss produziert und abgeliefert werden, soundsoviele Zeilen müssen im Blatt gedruckt sein, damit es fürs Frühstücksbrötchen reicht, aber mehr als bei den Techne-Berufen fällt schon an (Bewegungs-)Freiheitsgraden ab.
Ein Diplom-Physiker im Feld der Techne hat beständig Probleme zu lösen, wie auch der Pädagoge oder Arzt, der einen Kranken oder Gesunden, der sich krank fühlt, behandeln will und muss. Es ist seine Aufgabe und es existieren Standards für die Praxis. - Z.B. gilt es die Optimierung der Brennstababstände in einem AKW voran zu treiben, die redundante Sicherheitstechnik der Notkühlung zu verbessern, etc.
Diese Aufgaben sind in mehrfacher Hinsicht komplex. Es muss versucht und probiert werden, die Protokolle umfassen heute ganze Datenbanken. Es muss eine Auswertung erfolgen, es muss (sollte) was Zählbares heraus kommen, das Ergebnis zudem reproduzierbar sein, etc. - Auf dem Feld der Techne wird selten um das Warum, Wieso und Wozu gestritten, eher schon um das Wie.
Die ganzen W-Fragen wirken aber im Bereich der Episteme.
Versucht sich nun ein Wissenschaftler, Wissenschaftsjournalist (m/w) als "ErklärbärIn" immer nur an der Erklärung der Phänomene der Techne, so mag er, was immer auch, einfach, reduziert und anschaulich für Nicht-Wissenschaftler erklären, er trifft aber keine sehr plausible, bzw. glaubwürdige Aussage zur Bedeutung der Erkenntnis oder zur Erklärung des Wissens, die z.B. ein Einstein oder ein Newton erbracht haben. Das fällt ins Reich der Episteme und sperrt sich gegen banale Reduktion.
Allerdings ist es eine arge Selbstquälerei und eine Folter für das Publikum , würde ein gebildeter Epistemologe sich vor dem Publikum beständig in seinem Reich aufhalten und nur die Sprache wählen, die diesem Reich angemessen ist. - Insofern stimme ich dem luhmannnesken Gedanken zu, dass zu viel Komplexität nicht nur unverständlich ist, sondern in vielen Bereichen ein Ausweis von unnötigem Filz, Bürokratie und verschleiertem Nicht-Wissen, das aber nichtdestotrotz den Willen zur Herrschaft entwickelt. Man denke an die vielen Selbstaussagen hervorragender Wissenschaftler, die immer auf möglichst einfache Beschreibungen hinaus laufen.
In seinen besseren Sendungen (WDR-TV und Rundfunk) vermag auch Ranga Yogeshwar, was vielleicht Carl Sagan häufiger gelang. In der Abendunterhaltung bleibt allerdings das "Macht- Ah-Wissen" eben häufig nicht mehr als ein Format zur Unterhaltung, neben anderen Formaten, ganz nach dem Motto: "Menschen, Tiere, Sensationen".
Das trägt nur ganz wenig dazu bei den Graben zwischen Wissenschaft und Gesellschaft durch Reduktion zuzuschütten.
Ist es aber in anderen Medien, mit anderen Methoden und zu anderen Gelegenheiten wesentlich anders?
Die Geschichtswissenschaften oder die Künstler stimmen in schöner Regelmäßigkeit die gleichen Klagen an, und das Guido Knopp History-TV wäre das Exempel, Glanz und Elend an Beispielen abzuhandeln.
LG
Christoph Leusch
Als Wissenschaftsforscher (eigentlich Studium der Wissenschaftsgeschichte, aber eher an den übergreifenden Fragen der "Science Studies" interessiert) finde ich Ihren Beitrag bemerkenswert:
"[Wissenschaft wird] ausgespart, bis sie neue Technologien hervorbringt und den Kriterien Bedrohung und Mystifizierung genügt, um von Galileo, Planetopia oder anderen Formaten aufgegriffen zu werden."
Das hätte ich als 'Experte' kaum sauberer formulieren können. Zumal es das zentrale Problem aller Popularisierungsbemühungen aufgreift. Dort ist
Wissenschaft = Wissen + unterhaltsame Anekdoten, die daraus nette Häppchen machen
Das wird seit Jahrzehnten in der institutionalisierten Bildung problematisiert, Alternativen scheitern aber offensichtlich an der Unterstellung, das eigene Publikum wäre unfähig mit Unschärfe und Unsicherheit umzugehen und fiele durch entsprechende Angebote in einen voraufklärerischen Zustand zurück. Dabei sind wir doch nie modern gewesen.
Der Bitte um weitere Informationen zum Thema Kernergie, die ich in meinem Kommentar angesprochen habe, komme ich gerne nach:
Jüngst beim Telegraph:
>> www.telegraph.co.uk/finance/comment/ambroseevans_pritchard/8393984/Safe-nuclear-does-exist-and-China-is-leading-the-way-with-thorium.html
oder hier:
>> www.salzburg.com/online/nachrichten/newsletter/Thorium-statt-Uranfuer-die-Kernenergie.html?article=eGMmOI8Vea0D8JcBBJ18Q4PVQsyiFCzThZhqdPS===send
und hier:
>> greenswitzerland.wordpress.com/2009/01/05/mit-thorium-in-die-nukleare-zukunft/
sowie hier:
>> www.vdi-nachrichten.com/vdi-nachrichten/aktuelle_ausgabe/article.asp?cat=2=44894=archiv
und ebenfalls hier:
>> www.format.at/articles/1033/525/275763/thorium-kernkraftwerken-revolution
Zur Thorium-Reaktor-Technologie eine sehr ausführliche Seite:
>> energyfromthorium.com/
und hier:
>> www.thorium.tv/en/thorium_reactor/thorium_reactor_1.php
Ein längeres, informatives Video hierzu:
>> www.youtube.com/watch?v=AZR0UKxNPh8
Was die wissenschaftliche Öffentlichkeit durch die NASE über die Jahre erfahren hat, ist neben vielen Photoshop-Bildern nicht allzu viel weentliches. Die meisten Dinge von Belang sind über das eigentliche NASA-Programm der Öffentlichkeit vorenthalten worden. Dies gilt bis heute, denn auch der Zweck des letzten Space-Schuttle Flugs wurde nicht offengelegt, geschweige denn irgendetwas wissenschaftlich verwertbares veröffentlicht. NASA ist zu großen Teilen schlicht unter der Fuchtel des Pentagon und wird es bleiben, solange es existiert. Hier haben wir wieder dieselbe Crux, wie bei der Atomkraft.
Kaum kommt eine Technologie auf mit auch militärischen Optionen, wird sie von dieser Krake gekapert, umdirigiert und wesentliche Bereiche sind nicht mehr für die weltweite wissenschaftliche Nutzung verfügbar.
Die weltweit beförderte postindustrielle Weltuntergangsideologie, die in Wahrheit der öffentliche Transportriemen für eine ganz andere Agenda ist, hat in Vergangenheit und bis heute dazu geführt, dass hoffnungsvolle und zukunftsweisende Entwicklungen aus vordergründig ideologisch motivierten Gründen behindert und schließlich agbewürgt wurden.
In ein paar Jahren werden wir in Ländern wie China, Indien und ebenfalls Japan, sowie Israel und Frankreich eine neue, umweltfreundliche und nicht mehr gefährliche moderne Atomtechnologie entstehen sehen und WIR SIND NICHT DABEI! Vielen Dank dafür, Frau Dr. Merkel und ebenfalls Herr Lafontaine, sowie viele andere.
Japan erlebt sicherlich augenblicklich die größte nukleare Katasthrophe seit den Abwürfen der Atombomben 1945, das sollte aber keinen von uns in ewige irrationale Ängste führen, es gibt - sogar atomar - Alternativen.
D. Reimers
Ich habe Ihren ersten Beitrag noch mit wohlwollendem Interesse gelesen, auch wenn ich bei ...
> Dabei gab es schon bereits zu Zeiten des riesigen Manhattan-Projekts eine andere,
> viel sicherere und fast völlig restsubstanzfreie atomare Zerfallsproduktkette
> samt Reaktor, der sogar 1,5 Jahre erfolgreich getestet und eingesetzt wurde.
> ...
... zwar neugiereig wurde, aber auch an eine der sich im Internet-Zeitalter so explosionsartig ausbreitenden Verschwörungstheorien denken mußte, bei denen sich um einen mehr oder weniger großen wahren Kern reichlich anderes anlagert.
Aber diesen Ihren vollmundigen Absatz nun ausgerechnet mit einem Verweis auf die THTR-Technologie der IV. Generation unterfüttern zu wollen, zeugt entweder von reichlich Chuzpe oder ebensoviel Inkompetenz. Und daraus werden dann noch irrationalere Ängste gebacken, irgendwelche Anschlüsse und Wettbewerbe zu verlieren - eine der Hauptantriebsfedern von falscher Politik vieler Jahre.
Der erste kommerzielle THTR steht 30 km Luftlinie von hier, glücklicherweise nach ein paar Monaten Pannenbetrieb Mitte der 80er nur noch ein weiteres Milliardengrab und hat schon für die III. Generation eindrucksvoll die Differenz zwischen Theorie und Praxis belegt, während die KFA Jülich heute noch von den harmlosen Zerfallsreihen Unmengen extrem verstrahlten Matrials vorhält.
Und inhärente Sicherheit - die auch bei den neuen Reaktoren jetzt schon vor allem als Kostenargument durchschlägt - ist eine multifaktorielle Angelegenheit und keine von Dampfblasenkoeffizienten in berechneten Laborkonstellationen. Sobald die mechanische Integrität der beteiligten Materialien nicht mehr gewährleistet ist, einerlei ob durch Zerbröseln, großer Krafteinwirkung von Außen oder Durchschmelzen der komplexen Anordnung aus Moderator, Brennelementen, Kühlmaterial, etc. ist das Modell zusammengebrochen.
Selbst eine Bombenwirkung ist keineswegs vollständig ausgeschlossen, weil der einzige Unterschied zur zivilen Reaktornutzung ist, ob eine lawinenartige Zunahme der Spaltreaktion möglich ist. Da aber jeder Reaktor einen Betriebszustand zunehmender Spaltreaktionen kennen muss und fast immer eine überkritische Gesamtmenge an Spaltmaterial beherbergt, sind sogar meist verschiedene Konstellationen denkbar, in denen genau das auftreten kann.
Sonnige Grüße
Andreas
Nur eine Kleinigkeit am Rande...
Die NASA hat wohl eher "Parabelflüge" durchgeführt.
Sicher sind auch Parabolspiegel mit Flugzeugen transportiert worden, aber das ist wohl im Absatz über Haber nicht gemeint...
lieber aksel d, danke für den hinweis, sie haben vollkommen recht. es sollte parabelflug heißen.
wir korrigieren das....
herzlich, ihre frau zinkant
Liebe Frau Zinkant,
"(...) die kritische auseinandersetzung, das stete bewusstsein des sich irren könnens, aber auch die notwendigkeit und nicht zuletzt den zauber - das gilt es zu vermitteln. schülern, studenten, lesern und allen, die es schaffen sich dafür zu öffnen. (...)"
Ihr Ansatz in allen Ehren, haben Sie sich jedoch einmal mit dem Zielpublikum auseinander gesetzt? Nicht jeder hat Abitur und nur 12 % aller Deutschen besitzen einen Hochschulabschluss (https://www-ec.destatis.de/csp/shop/sfg/bpm.html.cms.cBroker.cls?CSPCHD=00e0000100004dylhjWi000000dGu_q48uki31M17gjI_VSg--=struktur,vollanzeige.csp=1026339), und nur wenigsten besitzen einen naturwissenschaftlichen Abschluss, etwa 849 000. Sie haben Recht, dass bei der von ihnen genannten Sendung "Wissen vor Acht" innerhalb des gegebene Zeitraums von 145 Sekunden kritisches Denken nicht initiiert werden kann . Das Konzept ist als "Appetizer" gedacht, das "normalen Menschen", die in ihrer Lebenswelt den Phänomenen des alltäglichen Leben normaler Weise keinen Aufmerksamkeit schenken, Geschmack und Interesse auf mehr vermitteln will. Nicht mehr und nicht weniger.
Warum ich das weiß? Nun, im Verlauf meines Studium Berufskolleglehramt Mathematik und Physik in Köln durfte ich im Rahmen der "Medienpädagogik" die Entstehung einer solchen Sendung selbst miterleben. Denn, auch wenn Herr Yogeshwars selbst als Diplom Physiker von Hause aus keine didaktischen Fähigkeiten mitbringt, sollten Sie diese Kenntnisse und auch das Anliegen in der Redaktion nicht unterschätzen. Und ja, Sie haben recht, der mediendidaktische Ansatz ist nicht luhmannesk, er ist wagenscheintypisch.
Was nun ihre eigene Reduktion von Herrn Yogeshwars Moderationsspektrum auf einen "Erklärbär" angeht, so ist dies erst einmal als Kompliment zu verstehen, an dem Grundproblem, dass naturwissenschaftliche Kompetenzen in Deutschland gerade im Internationalen Vergleich sehr gering ausgebildet ist, daran ändert diese von ihnen oft verwendete Metapher nichts. Da sind die Ursachen wohl eher in der Bildungspolitik und im Rahmenlehrplan des Faches Physik, sowohl an Haupt-, Realschulen und auch Gymnasien zu suchen (www.sn.schule.de/~physikms/allgemein/lehrplan.htm).
Wie Sie nun auf dieser geringen Wissensgrundlage, in nur 145 Sekunden, eine kritische Auseinandersetzung anregen wollen, würde mich trotzdem sehr interessieren.
Herzliche Grüße, Janine Otto
Liebe Leute!
Das ist doch alles kein neues Problem. Sobald es etwas komplexer wird, schalten die meisten Menschen ab. Das war schon zu Kaisers Zeiten so und davor auch. Die meisten Menschen mögen ihren kuscheligen Wissenshorizont nicht verlassen, denn das hieße ja, sich als dumm zu outen. "Schuster bleib bei Deinen Leisten" ist so ein klassisches Sprichwort für diesen Umstand. Ich kann ja was ganz toll, warum soll ich noch was anderes lernen? Das tat und tut man nur, wenn es nicht anders geht. Es also genug Schuhe gibt, aber nicht genug Menschen, die Felder bestellen. Dann lernt man gezwungen dazu. Aber in guten Zeiten sind es nur die paar Neugierigen, die immer schon wissen wollten, was die Welt im Innersten zusammenhält und sich nicht von einem "Träum nicht in den Tag, sondern pflüg mir eine gerade Furche" in die Schranken weisen ließen.
Als Wissenschaftler kenne ich das Problem der Kommunikation mit Laien. Und ich kenne es auch aus eigener Erfahrung, denn jeder ist nur in wenigen Dingen bewandert und im großen Rest ein Laie. Also sucht sich der Laie Anknüpfungspunkte, Dinge die er kennt, zu denen er einen Bezug hat. Sowas bietet dann der Erklärbär: Haushaltswaren, Autos, Hände und Füße.
Wenn mir ein Quantenphysiker von seiner Dissertation erzählt, schalte ich auch nach wenigen Sekunden ab, weil ich jedes zweite Wort nicht verstehe, was aber zwingend vorausgesetzt ist, um zumindest ein grundlegendes Verständnis aufzubauen. Im Gegensatz zu den meisten Menschen gibt sich der Neugierige nicht so leicht geschlagen. Wenn ich tatsächlich wissen will, wie etwas funktioniert, dann recherchiere ich die Dinge, die ich nicht verstehe...bis ich sie verstehe.
Solange aber verlangt wird, man solle doch bitte hochkomplexe physikalische Themen so weit runterbrechen, dass auch uninteressierte Maurer, Philologen und Landschaftsgärtner sie verstehen, dabei aber keinesfalls wichtige Aspekte unter den Tisch fallen lassen, fordert man die Quadratur des Kreises. Man kann als Wissenschaftler Dinge einfach erklären, aber dabei muss man Zugeständnisse machen. Die Bewegung der Elektronen über die verschiedenen Anregungszustände ist wichtig für das genau Verständnis, aber nicht für die Grundlagen. Also fällt sowas weg. Angaben wie kEV oder Mol stören auch. Am Ende ist man zufrieden, wenn der Laie damit schon was anfangen kann, bevor einen die Kollegen in der Luft zerreißen, weil man etwas wichtiges vergessen hat.
Es ist nicht Sache der Experten, alle Rezipienten zu erreichen. Auch der Rezipient muss arbeiten. Wer nicht mal im Grunde weiss, wie ein Atomkraftwerk arbeitet, der darf auch bitteschön selber mal in die Bibliothek oder ins Internet gehen und sich weiterbilden. Man kann als Fahrer des Wissensbusses die Fahrgäste nicht alle vor deren Haustür abholen, sondern diese müssen zumindest an der Haltestelle stehen, damit man sie mitnehmen kann. Wer diesen Weg nicht gehen will, der bleibt zurück. Das ist nicht die Schuld des Fahrers, sondern des Faulen.
Eine Wurzel des Übels ist sicher auch die Bildung des Durchschnittsbürgers. Immer weniger Geld für Bildung ergibt auch immer dümmere Bürger. Das mag gewollt sein, denn dummes Wahlvieh läßt sich gut treiben, aber es hat seine Nachteile. Die "gesunde Allgemeinbildung" umfasst heute eben auch Dinge wie den Aufbau von Atomkraftwerken. Das war zu Kaisers Zeiten noch nicht gefragt...
RS
Liebe Frau Zinkant,
liebe MitkommentatorInnen,
soll ich es gleich schrei(b)en? Ja, ich tu's: "Bildung! Bildung! Bildung!" Oder, nein, ich fange anders an. In der Schule, vor vielen Jahren, fand ich Mathe und Physik super, Geschichte hingegen zum Abgewöhnen. Entsprechend habe ich mich später und bis heute in Sachen Physik mit der Hilfe einiger wohlwollender und kompetenter Menschen selbst weitergebildet samt der zum Verständnis notwendigen Mathematik (darauf komme ich gleich nochmal), hingegen mir in Geschichte nur das Allernötigste angelesen.
Somit halte ich mich selbst für das beste Beispiel dafür, was mir in Ihren Betrachtungen, Frau Zinkant, deswegen ins Auge gesprungen ist, weil es schlichtweg fehlt, nämlich das Thema der Beurteilungskompetenz. Wenn etwa Harald Lesch simplifiziert, weiß ich, wo er das tut, weil ich weiß, was er simplifiziert. Wenn Guido Knopp dasselbe tut, weiß ich es nicht. Richtig: es läge an mir, das zu ändern. Aber ich erlaube mir zu glauben, dass ich Besseres zu tun habe, und schon sitze ich mitten im Dilemma.
Allerdings, Stichwort "Anschauung und menschliche Erfahrung", sind, wenn es um Zahlen geht, Menschen ohne einigermaßen stabile naturwissenschaftliche Bildung im Nachteil. Wenn Knopp von 100.000 Toten in einem Krieg redet, kann sich das ein Fürther wie ich relativ leicht vorstellen (Fürth hat knapp 115.000 Einwohner, aha: fast alle tot). Wenn ein aus dem Hut gezauberter Physik-Professor hingegen erklärt, dass die Strahlung hier und dort um das 100.000-fache gestiegen sei, dann ist das so anschaulich wie die Staatsschulden Deutschlands, auch dann, wenn er im Gegensatz zu vielen derzeitigen Medien immerhin einen Bezugswert nennt.
Hinzu kommt, dass wir gerade bei einer Katastrophe wie jetzt in Japan mit unanschaulichen, weil nicht alltäglichen Sachverhalten konfrontiert werden. Das fängt bei der Richter-Skala für Erdbeben an: Zwischen 8,0 und 9,0 liegt eben nicht + 1, sondern x 10. Das ist höchstens für einen audiophilen Menschen einleuchtend, der etwas mit Dezibel anfangen kann, weil es da so ähnlich funktioniert. Und es endet dort, wo man endlich verstanden zu haben glaubt, dass "die Millisieverts" sich im Lauf des Lebens im Körper addieren, sogleich ein Erklärbär aus den Studiokulissen hüpft und erklärt, dass die Arbeiter in Fukushima soundsoviel Milli-Sievert pro Stunde ausgesetzt waren. Vom Unterschied zwischen Äquivalentdosis und Effektiver Dosis und denn ganzen Wichtungsfaktoren will ich gar nicht anfangen. Wikipedia hilft zwar wie fast immer, bedarf dennoch einiges an Zeit und vor allem Willen.
Ich gehöre zu einer Generation, die Tschernobyl während ihrer Schulzeit ereilte -- und damit auch im Unterricht. Becquerel und Sievert fanden aus gegebenem Anlass ihren Weg in die Klassenzimmer. War mir das alles bis vor zwei Wochen noch parat? Natürlich nicht. Das Gehirn kramt, was es nicht ständig braucht, immer tiefer in den Keller. Und genau davon gehen die Erklärbären aus -- müssen sie selbstverständlich auch.
Einschränkend ließe sich anmerken, dass für bestimmte Medien diese Generalamnestie nicht gelten muss, zumal nicht für öffentlich-rechtliche. Einem Sender wie dem ansonsten von mir hochgelobten "phoenix" stünde es gut an, statt des täglichen, halbstündigen "Wir haben für sie noch einmal das Protokoll der Ereignisse seit dem Beben zusammengefasst" und weiterer Wiederholungen einmal einem wirklich kompetenten Erklärbären die Sendezeit zu überlassen, in der er in einer Nachhilfestunde auch mal in die Tiefe gehen darf, im Zweifel ganz ohne Ping-Pong-Bälle.
Hi Leute,
Mister Scoville schrieb: "Bildung! Bildung! Bildung!"
Da kann ich nur Ja! sagen.
Und das Wissenschaftler in der Vergangenheit erstaunliche Fehlleistungen gebracht haben bleibt auf dieser Seite auch unbestritten.
Ich möchte die Aufmerksamkeit mal auf die Rolle der Medien lenken, welche den Wissenschaftlern das Studio zur Verfügung stellen oder das eben nicht tun.
In dem Artikel geht es um den Graben zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und um mangelnde Kommunikation der Wissenschaftler. Ist Kommunikation im gesellschaftlichen Maßstab nicht die Aufgabe der Medien?
Kann es sein dass, die meisten Redaktionen der Wissenschaft und Technik so fern sind dass, sie nicht mal einschätzen können ob sie gerade mit einem Wissenschaftler sprechen oder nicht? Das Alarmwort lautet: "Experte". Wenn es fällt, weiß derjenige der es sagt meist nicht genau mit wem er spricht.
Ein Beispiel das sich mir eingebrannt hat, war ein Interview des HR in einer E10-Sondersendung mit Paolo Tumminelli (ein Kunstlehrer aus Köln). Die Moderatorin hat ihn für einen Autoexperten gehalten weil Tumminelli gern über Autos spricht und ähnlich wie die Redaktion die Autoindustrie für grundlegend böse hält (anstatt zu Analysieren warum sich die Autokonzerne im real existierenden Kapitalismus verhalten wie sie es tun).
Das andere Problem hat Herr Scoville ebenfalls angesprochen. Es ist eine Schande das öffentlich rechtliche Programmchefs Wissenschaft aus dem Programm nehmen, weil sie Angst haben, zwei oder drei Zuschauer könnten abschalten.
Zusammenfassend:
Wissenschaftler tun (wie die meisten Menschen) nur das wofür sie bezahlt werden. Wenn sie für Kommunikation nicht bezahlt werden, tun sie das auch nicht. Das eigentliche Problem sind technisch inkompetent und ignorante Programmchefs und Redakteure.
Anmerkung:
Herr Yogeshwar scheint eine Ausnahme zu sein, da das Geld welches er wahrscheinlich vom WDR bekommt, in Anbetracht seiner Fachkenntnisse wohl eher eine Aufwandentschädigung als ein Gehalt ist.
Was passiert eigentlich wenn PR-Agenturen bereit sind für Fachwissen zu zahlen und Journalisten nicht?
Und noch was hinterher:
Werner von Braun (ein Mann mit gravierenden Fehlleistungen auf dem Kerbholz) hat technischen Fortschritt als den Weg vom Primitiven über das Komplexe zum Einfachen beschrieben. Er hatte Recht damit, die Vereinfachung ist natürlicher Bestandteil der Wissenschaft.
Der Grund warum sich Wissenschaftler und Techniker so umständlich und schwer verständlich ausdrücken ist dass ihre Aussagen normalerweise geprüft werden und zwar von keinem geringeren als der Realität. Das unterscheidet ihren Alltag von dem der Leute die nur mit reden Geld verdienen, bei denen interessiert Morgen niemanden was sie Gestern gesagt haben.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit