Der schlampige Konsument: Ich kaufe, also kriege ich kein Ehec

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Zugfahren hat schon immer die Verfasstheit gewisser kultureller Elemente gespiegelt, und so ist das auch im Fall Ehec. Freitagmittag also, um kurz vor zwei am Berliner Hauptbahnhof, die Reise geht in einem schäbigen Ex-Interregio, genannt Intercity, Richtung Köln. Der Zug ist total voll, die mitgeführten Presseprodukte auch. Alles voller Ehec, Gurken und Berichten über ängstliche Verbraucher und ärgerliche Bauern. Keiner wolle mehr Grünzeug kaufen, steht in der Zeitung, die Zahl der Infizierten steige unbeirrt und keiner der interviewten Experten kann sagen, was vor sich geht, nur, dass man sowas noch nicht gesehen habe. Die Leute werden deshalb zur Vorsicht gemahnt, es gibt Kästen und Listen mit Tipps, wie man eine Ansteckung vermeiden kann, es ist eigentlich nicht so schwer: Die Leute sollen vor allem auf Hygiene achten. Händewaschen vor dem Essen, als allererstes.

Der Zug fährt los, der Schaffner weist darauf hin, dass dieser Zug keinen Speisewagen und auch kein Bordbistro hat. Kurzes Murren. Macht aber nichts, denn alle haben was zu Essen mitgebracht und packen das auch augenblicklich aus. Es gibt belegte Brötchen (mit Tomate und Salatblatt), Hamburger, Fisch & Chips-Boxen, Pizzazungen und vieles mehr, aber was es irgendwie nicht gibt sind Bestecke. Naja, wozu hat man seine Hände. Die haben zwar gerade erst auf den schmierigen Touchbildschirmen der Fahrkartenautomaten rumgefummelt und einander klebrige Zugtürklinken gereicht, aber das Waschbecken auf dem Zugklo erscheint unattraktiv in diesen Tagen und was soll man machen, wenn man doch jetzt unbedingt essen muss.

So tauchen die Finger in die Pommes- und Brötchentüten, werden abgeleckt und in den Sitzen abgewischt, dass es jedem Seuchenexperten den kalten Angstschweiß auf die Stirn treiben würde. Zwischendurch der Blick in die Zeitung - echt eklig das mit dem Fäkalkeim, wieder so eine typische Ferkelei aus der Lebensmittelindustrie, der man schutzlos ausgeliefert ist. Darauf noch eine Stulle ausgepackt.

Nun muss man sagen: Ja. Auf eine noch nicht erschlossene Weise wird auch die Ursache der sich ausbreitenden Welle von EHEC-Infektionen mit der komplexen und profitorientierten Produktionsweise unserer billigen und jederzeit verfügbaren Lebensmittel zusammenhängen. Und selbstverständlich ist zu wünschen, dass das Ziel des maximal minimierten Risikos dabei auch erreicht wird. Aber das so etwas wie EHEC passiert, ist so bekannt wie der Umstand, dass sich der lustvoll an diesem System partipizierende Komsument nicht jeder Verantwortung entziehen darf. Denn Lebensmittel sind niemals steril. Die Verbreitung und Ansteckung mit Keimen jedweder Art liegt zu einem wesentlichen Teil in der Hand der Verbraucher.

Gerade in den vergangenen Jahren haben Studien allerdings gezeigt, wie es um die Bereitschaft zu ganz rudimentären Sauberkeitsregeln steht, nämlich schlecht. Nur jeder dritte Mann wäscht sich seine Hände richtig – mit Wasser und Seife –, nachdem er die Toilette aufgesucht hat. Frauen sind doppelt so reinlich, aber auch nicht konsequent. Und in anderen Bereichen befürchten Experten ähnliches: Die wenigsten greifen vor dem Essen zur Seife, das beklagt auch eine Seuchenexpertin in der aktuellen Ausgabe der FAS. Kinderärzte mahnen zum vernünftigen Umgang mit Haustieren.

Und nicht zuletzt haben SARS, Schweinegrippe und Novoviren immer wieder auf den Tisch gebracht, was spätestens auf der nächsten Zugfahrt wieder vergessen ist: Man fummelt nicht erst an allem möglichen herum, um sich mit dreckigen Pfoten dann alles erdenkliche in den Mund zu stopfen. Hygiene ist nichts, was man für Geld einfach kaufen kann.

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

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Kathrin Zinkant

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