Auf einem guten Weg zu sein, ist umso erfreulicher, wenn am Ende dieses Weges mit offenen Armen die Gerechtigkeit wartet. Wann gibt es das noch, in Zeiten, in denen allenthalben etwas droht – Europleite, Depressionen, Burnout? Weniger schön ist es natürlich, wenn der gute Weg, einmal beschritten, gar niemals enden will und sich die Gerechtigkeit die Beine in den Bauch steht, weil keiner sie abholen kommt – ein trauriger Gedanke, aber so ungefähr verhält es sich etwa in der heiklen Frage der gerechten Verhütung. Seit Jahrzehnten soll die Pille für den Mann ganz bald auf den Markt kommen, allein: Sie tut es nicht. Und damit wartet die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern auch am Ende dieses Pfades offenbar vergeblich. Oder? Und: Ist das schlimm?
Fest steht: Seit der Chemiker Carl Djerassi 1951 die Pille erfunden hat und seit sie 1960 auf den Markt kam, wurde Empfängnisverhütung klar Frauensache, und was sich zunächst wie eine Befreiung vom Gebärzwang anließ und endlich Selbstbestimmtheit in der Lebensplanung zu ermöglichen schien, erwies sich längerfristig doch bloß als neuer Ausdruck patriarchaler Unterdrückung. Denn die Freiheit gefiel nicht nur den Frauen, auch die Männer fanden die Pille toll. Spaß ohne Alimente! Und sie mussten das Zeug nicht mal nehmen.
Wenngleich nicht mehr die ungewollte Schwangerschaft, so blieben jetzt die Nebenwirkungen, die hormonelle Kontrazeptiva – wie jedes pharmazeutische Produkt – eben haben, an den Frauen kleben, und wirft man einen Blick selbst auf die heute üblichen Mikropillenbeipackzettel, dann ist das, was die meisten Frauen zu erwarten haben, in der Tat wenig erbaulich. Spannungen in den Brüsten, Gewichtszunahme, Depressionen, Frigidität. Nicht zu vergessen: die Kosten.
Eine Art Gerechtigkeit
In einer nach Gleichberechtigung strebenden Gesellschaft war es daher nur eine Frage der Zeit, dass man Genugtuung – also Gerechtigkeit in einer Spielart – fordern und die Männer aus ihrer rücksichtslosen Bequemlichkeit reißen würde. Eine Pille für den Mann musste her, auf dass die Last der schädlichen Verhütung auf beide Schultern der Beziehung gleich verteilt werde.
Inzwischen gibt es sie längst, zwar nicht als Pille, weil es die Galenik (die Kunst der Darreichung) im Fall von Testosteron anders will, sondern als Spritzenkombi aus Testosteron und einem Gestagen. In dieser Form hat sie ihre Wirksamkeit in Studien unter Beweis gestellt. Nur kommen die Männer nicht mit den Nebenwirkungen klar. Depressionen, Gewichtszunahme, Hautprobleme – eine multizentrische Studie der WHO muste im Frühjahr abgebrochen werden, weil zehn Prozent der Probanden es nicht mehr ertragen konnten.
Man könnte sagen, Männer sind eben Jammerlappen, wehleidig, wie es auch Eberhard Nieschlag findet, der seit Jahrzehnten unermüdlich auf dem Feld der Antibabyspritze forscht. Der Münsteraner Experte glaubt aber unbeirrt an den Erfolg und will das Präparat auf den Markt bringen – um der Gerechtigkeit Willen, wie er jetzt im Zeit Wissen-Magazin erklärte. Man könnte aber auch über Mittel nachdenken, die der eigentlichen Fairness genüge täten, anstatt Männer sinnlos mit etwas zu strafen, auf das auch Frauen gern verzichteten. Die Vasektomie (fälschlich auch Sterilisierung genannt) etwa ist sicher und in bis zu 80 Prozent der Fälle reversibel. Kleine Gummistöpsel sind der Testphase, die später leicht zu entfernen sein sollen. Alles nicht völlig ohne Risiko. Aber wer wollte da noch Hormone spritzen?
Was soviel heißt wie: Wenn am Ende eines guten Weges etwas steht, was nur wie Gerechtigkeit aussieht, aber tatsächlich die entbehrliche Umverteilung von Leiden ist – dann kann man es dort auch mal versauern lassen.
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