Sie hat viel Energie gekostet, die Klimakonferenz in Durban. Nur unter dem Aufwand größten Willens konnte ein Scheitern des ökologischen Krisengipfels verhindert werden. Am Ende haben sich die teilnehmenden Staaten aber doch noch einen präsentablen Kompromiss aus den Verhandlungsrippen geleiert. Man vernimmt nun: „Kyoto ist gerettet!“. Man hört jetzt, es sei eine „historische Konferenz“ gewesen, wenn nicht gar ein „Meilenstein“. Soweit zumindest ausgewählte Repräsentanten des politischen Lagers. Aber nicht jeder mag darüber jubeln, dass dem Kyotoprotokoll nun erst 2018, also sechs Jahre später ein auch für Schwellenländer gültiger Pakt folgen soll. Frustrieren dürfte das Ergebnis nicht zuletzt Klimaforscher, deren Arbeit die Notwendigkeit solcher Klimakonferenzen doch eigentlich erst impliziert hatte, und die Hand in Hand mit der Politik einen globalen Kollaps verhindern sollten. Was ist da nur schief gelaufen?
Noch am Wochenende haben sich zwei beteiligte Wissenschaftler um eine Analyse bemüht: Die Klimaforschung sei in ihrer Rolle als Politikberater zu sehr auf die Senkung von Kohlendioxid-Emissionen kapriziert gewesen und habe sich in Bevormundungen ergangen, anstatt sich sinnvollen Optionen des Klimaschutzes zu widmen und Zurückhaltung zu üben, schreiben Nico Stehr von der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen und Hans von Storch vom GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht auf Spiegel Online. Die Politik sei dadurch verprellt und die öffentliche Debatte erschwert worden. Stehr und von Storch halten die Tatsache, dass das Grundgesetz keine direkte Teilnahme der Wissenschaft an der politischen Willensbildung vorsehe, für ein Gebot der Zurückhaltung. Mit anderen Worten: Forscher, die zu Erkenntnissen von globaler Tragweite gelangen, mögen bitte ihre Klappe halten, bis sie gefragt werden.
Man kann diesen Versuch einer Selbstkritik gut finden: Endlich stellen Forscher mal ihre Arroganz infrage, und das in der Klimawissenschaft, wo Selbstüberschätzung und Überheblichkeit bisweilen nette Partys feiern – nicht ohne die Inanspruchnahme der Publikumsmedien, versteht sich. Die Wissenschafts-Pressekonferenz berichtete kürzlich, dass der stets sich durch die Medien gebasht fühlende Stefan Rahmstorf von Potsdam Institut für Klimafolgenforschung im vergangenen Jahr heftig eine Journalistin kritisiert hatte, weil sie wagte, ihrerseits Kritik am aktuellen Bericht des Intergovernmental Panel of Climate Change zu üben. Dass die Betreffende damit unter Umständen ihrer beruflichen Pflicht nachgekommen war, kam dem Professor nicht in den Sinn. Der Zeitung, die den Artikel veröffentlicht hatte, auch nicht. Am Ende gewann die Autorin vor Gericht, der Forscher wurde verurteilt.
Der Fall zeigt zwei Dinge: Stehr und von Storch haben recht, wenn sie ihre Kollegen für eine falsche Strategie schelten, aber erstens fängt die Analyse hier nur an, denn „Bevormundung“ ist nicht das einzige Problem auf Seiten der Forschung. Es ist wie bisweilen schon fatale, weil dem Konzept von Wissenschaft vollkommen widerstrebende Kritikunfähigkeit. Und zweitens übersehen Forscher auch, dass eine wissenschaftlich fundierte Lösung nicht durchzusetzen sein wird, solange die Welt weiter nach Profitmaximierung strebt. Die Wissenschaft könnte ja gar keinen direkten Einfluss auf die Politik nehmen, vor ihr ist immer die Ökonomie dran. Und die stets akuten Zwänge des kapitalistischen Strebens nach Geld, Konsum, noch mehr Geld und noch mehr Konsum erlauben keine Zugeständnisse an die Zukunft dieses Planeten. Jedenfalls nicht, solange dieser noch eine hat. Und sei sie noch so schmutzig.
Kommentare 5
Hallo Frau Zinkant,
Vor der Erkenntnis kommt die Ökonomie
Allein diesen Satz sollte man auf der Zunge zergehen lassen. Die Ökonomie, eigentlich keine Wissenschaft, sondern eher als akademische Buchhaltung zu klassifizieren, hat ihre Leistungsfähigkeit hinsichtlich der jüngsten Finanz- und Wirtschaftsprognosen in den Orakeln zur näheren Zukunft entlarvend zur Schau gestellt. Sowohl die Leistungsfähigkeit als auch ihr wissenschaftlicher Anspruch konnten der Wirklichkeit nicht gerecht werden. Alle Prognosen wurden im 24 Stundenrhythmus entweder widersprochen oder widerlegt. Ihr Anspruch kann sich also nicht auf Wissenschaftlichkeit berufen.
Die Klimaforschung sei in ihrer Rolle als Politikberater zu sehr auf die Senkung von Kohlen¬dioxid-Emissionen kapriziert gewesen und habe sich in Bevormundungen ergangen, anstatt sich sinnvollen Optionen des Klimaschutzes zu widmen und Zurückhaltung zu üben …
Diese Aussage in Verbindung mit der Kritik an Rahmstorf ist der Eitelkeit geschuldet und letztlich ein Kniefall, eine Kapitulation vor der Politik. Man erkennt jedoch auch, dass die Nerven blank liegen, denn schon länger versuchen die verschiedenen Akteure sich Gehör zu verschaffen und auf die Folgen hinzuweisen. Die Politik und die sie unterjochende Finanzindustrie wissen zu einem erheblichen Teil gar nicht, was der Klimatologe argumentiert; dies gilt insbesondere für die Vergangenheit. Stattdessen hat sie sich (die Politik) von der Glitzerwelt grünen Papiers korrumpieren lassen, will meinen, sich dem Bequemen hingegeben und dem so genannten freien Markt die Entscheidungen überlassen. Das war ein Fehler, denn jetzt ist es zu spät. Da gibt es nichts mehr zu retten und zu korrigieren.
Ein weiteres Problem unter den betreffenden Wissenschaftlern ist der interne Wettbewerb im Forschungsbetrieb; wer bekommt wie viel und welche Forschungsmittel aus welchem Topf? Auch dieser Tatbestand führt in verschiedene Stufen der Eitelkeiten, in deren Rahmen jeder reale oder vermeintliche Fehler unüberhörbar angeklagt wird; nicht immer um Fehler nachzuweisen, häufig um sich selbst zu positionieren. Einen Prozess jedoch zu verlieren, weil der eigene Name mit einer berechtigten Kritik in Verbindung gebracht wird, nutzt dem Betreffenden am wenigsten.
Ein weiteres Problem sind die Halbwahrheiten und unausgesprochenen Erkenntnisse und Tatsachen, die der Politik überaus lästig sind, weil sie keinerlei Eingriffsmöglichkeiten darauf hat und die Gefahr besteht, dass ihre Einlassungen und Beschlüsse in der Öffentlichkeit als das erkannt werden was sie sind: Humbug! Dazu gehört z.B. der Beschluss der Bundesmutti, die Klimaerwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Ein zusätzliches, jedoch schwerwiegenderes Problem sind die unvollständigen Daten, die z.B. vom NOAA gesammelt, verwaltet und verteilt werden. Die meisten Messstellen der USA liefern z.B. seit 2006 keine Daten mehr; dies fällt in die Regierungszeit von George W. Bush. Auch ist zu beobachten, dass aus den Randgebieten der ehemaligen UdSSR seit ca. 1989/1990 keine Daten mehr geliefert werden; einige Messstellen haben jedoch die Messungen ~2005 wieder aufgenommen. Es steht zu vermuten, dass es sich dabei um militärische Einrichtungen handelt, die für Flugdaten und andere Bedürfnisse diese Daten brauchen.
Ein weiteres Phänomen besteht in den vollkommen unterschiedlichen Erscheinungen des Klimawandels in den unterschiedlichen Breiten, die verschiedenen Interpretationen zugänglich sind, wie ich in den Klimablogs schon beschrieben/ausgewertet hatte. Aber dazu in den nächsten Tagen mehr.
Auf jeden Fall ist es m.E. nach wesentlich, Frau Zinkant, am Ball zu bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Kuni
Liebe Frau Zinkant,
dass die Ökonomie die politischen Prozesse stärker prägt als die Wissenschaft ist eine entscheidender und halbwegs offensichtlicher Mechanismus. Dieser Aussage schließe ich mich entsprechend gerne an. Ob es um zu dieser Erkenntnis zu gelangen aber Not tut, Wissenschaftler/innen und implizit die gesamte Klimaforschung pauschal zu diskreditieren, wie Sie das in Ihrem Beitrag tun, erschließt sich mir in keiner Weise.
Der Treibhauseffekt ist seit Jahrzehnten gesicherte Erkenntnis der Physik und an der Rolle menschlicher CO2-Emissionen im Klimasystem besteht seit einiger Zeit kein ernsthafter Zweifel mehr. Wissenschaftliche Erkenntnisse wie diese, die unmittelbar für das menschliche Leben relevant sind, müssen selbstverständlich öffentlich kommuniziert werden, im Notfall eben wiederholt und immer lauter. Das hat normalerweise nichts mit "Arroganz", "Überheblichkeit" und "Selbstüberschätzung" zu tun.
Völlig im Gegenteil: Die öffentliche Kommunikation ist eine zentrale Aufgabe nicht zuletzt von Forschungsprojekten, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Denn Wissenschaft steht nicht neben der Gesellschaft sondern in ihrem Dienst!
Dass die Politik sich an ökonomischen statt wissenschaftlichen Prioritäten orientiert wäre hier meines Erachtens nicht den Wissenschaftler/innen, sondern den Politiker/innen vorzuhalten.
Giordano Bruno war es, der die Welt und den Blick hinaus zum Kosmos geöffnet hat. Bis dahin war vorherrschend die Meinung und Vorstellung, das Firmament sei von der Erde aus gesehen so eine Art Käseglocke, an die nachts die Sterne wie hingemalt seien.
In den Köpfen der Fabulierer über den Treibhauseffekt scheint diese Vorstellung noch nicht ganz ausgetilgt zu sein. Sie vermeiden lediglich den Begriff Käseglocke und ersetzen ihn entsprechend. An der eigentlichen Vorstellungswelt aber hat sich wesentlich nichts geändert. Geändert haben sich nur die Phrasen und die Art der Gläubigkeit: einst klerikal als Deutungshoheit vorgegeben - heute wissenschaftsgläubig.
"Geändert haben sich nur die Phrasen und die Art der Gläubigkeit: einst klerikal als Deutungshoheit vorgegeben - heute wissenschaftsgläubig."
Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass Glauben per definitionem nicht überprüfbar ist, methodisches Vorgehen, kritische Überprüfung und Wiederholbarkeit jedoch die Basis der Wissenschaft bilden.
Wenn Sie das Mittelalter der Aufklärung vorziehen - viel Spaß! Solange Sie dem gedanklichen Fortschritt Ihrer Umwelt dabei nicht im Wege stehen.
ein wichtiges Problem bei der Sache sehe ich in der Rolle vieler Medien, die die Dinge so darstellen, als gäbe es eine breite Unterstützung für Umwelt- und Klimaschutz, ohne diese Suggestion schichtspezifisch aufzubereiten. Politisch gibt es fast nicht gleichgültigeres als Umwelt- und Klimaschutz, und außerhalb Deutschlands allemal nicht; in der Schicht der Macht-unaffinen Umweltschutzorganisationen gibt es nichts wichtigeres, aber die Macht fehlt. Und in der Schicht der protestierenden Idealisten ist es immer wieder geil, in der Zeitung zu lesen, dass etwas passiert, selbst wenn hundertmal nichts passiert. Aber Hauptsache, die Hoffnung lebt. Und was wird da nicht alles als Klimaschutz angepriesen^^ Emissionshandel^^ Viel besser kann man die Leute eigentlich nicht für dumm verkaufen? Früher nannte man das Ablasshandel, und wozu hat man das gemacht? Richtig, um so weiterzumachen wie immer. Aber immer feste jubeln.