Mediale Asche-Berieselung: Wir wissen jetzt, dass wir nichts wissen!

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Je länger der Flugverkehr wegen des Vulkanausbruchs auf Island lahm liegt, desto länger und zahlreicher werden auch die Sondersendungen zur Lage der Nation: Am Sonntag reichten der ARD noch zehn Minuten Brennpunkt, gestern waren es 45 Minuten, für die die Moderatorin fleißig auch die Aussprache des schwer zu artikulierenden "Eyjafjallajökull"geübt hatte, aber nicht genug, am Ende konnte auch sie nicht mehr, muss aber wohl, denn für heute plant das Erste weitere 16 Sendungen zum Thema auf seinen Kanälen. "Volcano is the new Swine flu", schreibt derweil ein Kollege im Guardian, und man freut sich tatsächlich schon auf die Abrechnung, hinterher, wenn es dann heißt: Wer ist schuld an der Hysterie?

Derweil lassen sich die echten Neuigkeiten in Sachen Vulkan auf eine (kleine) Karteikarte kritzeln: Nein, man hat immer noch nicht bekannt gegeben, wieviel Asche genau in der Atmosphäre unterwegs ist. Ein paar Flugzeuge dürfen jetzt wieder fliegen. Aber die meisten immer noch nicht.

Was die Aktivität des inzwischen nicht mehr ganz so beliebten Eyjafjallajökull angeht, machen die Journalisten derweil ganz überraschende Erfahrungen: Obwohl sie sich bärtige und mithin kompetent wirkende Vulkanologen ins Studio stellen, wollen die auf Teufelsberg komm raus einfach nicht sagen, was als nächstes passiert. Nimmt Eyjafjallajökulls Aktivität zu? Oder doch ab? Wird - ohohoh! - Nachbarvulkan Katla etwa noch ausbrechen? Wie - das kann man nicht sagen? ... Ah. Nicht messbar, sowas. Hm. Na gut. Danke, dass sie bei uns waren.

Meteorologen sind da doch telegener, schon der Erfahrung wegen, denn Wetter is' ja jeden Tach, ne? Und die messen auch Sachen, die eigentlich gar nicht zu messen sind, und können deshalb - wie der junge dynamische Wetterexperte der ARD - zwar nicht sagen, wie das Wetter genau wird, aber schon prophezeien, dass die Regenfälle auf keinen Fall ausreichen werden, um die Aschemengen über Deutschland aus der Atmosphäre zu spülen. Moment mal - hatte Minister Ramsauer nicht zuvor erklärt, dass gestern nacht überhaupt erst gemessen werden sollte, wieviel Asche w i r k l i c h (also de facto) in der Atmosphäre herumschwirrt? Diese Frage stellte die Moderatorin leider nicht, schade, aber wozu auch immer wieder das Gleiche erzählen - es war ja zuvor schon durchgesickert, dass Meteorologen ihre Computersimulationen mit der Wirklichkeit verwechseln.

Das Bayerische Fernsehen erweitert unseren Erkenntnisspielraum heute übrigens mit einer Reportage über eine unterfränkische Schülergruppe, die in Irland festsitzt. Wobei ich mir jetzt auch schlimmeres vorstellen könnte.

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

Kathrin Zinkant

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